
zu nehmen. Ist dann ein Manöver auszuführen, so commandirt der
wachthabende Officier »Wache an Deck« oder »Wache und Freiwächter
an Deck«, oder.»Alle Mann auf«, je nach den erforderten
Kräften. Die meisten Commando’s, namentlich bei den Segel-
manövern, werden von der Pfeife des Bootsmannes und der Unter-
officiere begleitet, welche durch alle Theile des Schiffes und in. den
Masten hörbar, und in ihren Cadenzen der Mannschaft verständlich
ist.
Man sieht, der Seemann hat wenig Ruhe. Die Erfahrung
lehrt, dass unausgesetzte Thätigkeit das einzige Mittel ist, einen
guten Geist und heitere Stimmung unter den Matrosen zu erhalten.
Sie schlafen niemals volle vier Stunden hintereinander; und eine
um die andere Nacht nur vier Stunden im Ganzen; sie haben keine
andere freie Zeit, als die halben Stunden zum Frühstück und Abend-
brod und eine Stunde um Mittag, und sind den ganzen übrigen Tag
mit Dienst, Exercitien und Arbeiten unablässig beschäftigt. Die
Kost auf den königlichen Schiffen ist gut, reichlich und nahrhaft,
und die Leute sind meist gesund und kräftig. Gesalzenes Fleisch,
Hülsenfrüchte und Schiffszwieback sind ihre Hauptnahrungsmittel
auf See, H in den Häfen erhalten sie möglichst viel frisches Fleisch
und Gemüse. Lebende Ochsen, Schaafe und Schweine werden auch,
so weit es der Raum gestattet, mit auf die Reise genommen, um
den Leuten einige Abwechselung in der Kost zu bereiten. Rum
bekommen die preussischen Matrosen nicht regelmässig, sondern
nur nach anstrengenden Arbeiten und bei schlechtem Wetter; den
Caffee dagegen können sie nicht entbehren. Tabak und andere Erfrischungen
darf ihnen der Bottelier — der mit der Aufsicht über
die Mundvorräthe betraute Unterofficier. — gegen Baar verkaufen,
aber dem Rauchen setzt die wenige freie Zeit enge Grenzen. Auch
haben sie auf See meistens kein Geld: ein Drittheil der Löhnung
wird bei der Ankunft im Hafen ausgezahlt und ist bald verjubelt,
die beiden anderen Drittheile erst bei Ausserdienststellung des Schiffes
m der Heimath. Aber auch hier kann der ächte Seemann kein Geld
in der Tasche leiden und ruht nicht eher, bis er mit Allem fertig
ist. Matrosen, die von mehrjährigen Seereisen zurückkehren, erhalten
oft mehrere hundert Thaler auf einmal, und es kommt nicht selten
vor, dass »Jan Maat« ganze Hände voll blanker Thaler unter die
Strassenjugend auswirft. In den Häfen ist die Disciplin und gute
Stimmung weit schwerer zu erhalten als auf Se e , wo die Matrosen
meist munter und guter Dinge sind. Im Dienst und bei den Exercitien
geht es streng her, aber bei den Arbeiten darf — mit
Maassen — geschwatzt werden, manch derber Spass erregt die
allgemeine Heiterkeit, und gutmüthiger Schabernak ist an der Tagesordnung.
Etwas handfest und klobig sind ihre Scherze und Vergnügungen:
so pflegten auf der Thetis die Schiffsjungen Paar oder
Unpaar um Ohrfeigen zu spielen. Wer verlor, musste die Backe
hinhalten; jeder schlug immer derber zu als der andere und zuletzt
standen sie auf mit verschwollenen rothen Gesichtem und schwimmenden
Augen. — Mit den an Bord befindlichen Thieren balgen
und necken sich die Matrosen unermüdlich herum, und sorgen oft
mit Aufopferung für sie-, fast alle Thiere werden zahm auf langen
Seereisen. Auf der Thetis war - neben vielen in A h y e r und Smga-
pore gekauften Affen und Papageien — eine Ziege der allgemeine
Liebling, welche ursprünglich ihrer Milch wegen einst in West-Indien
an Bord genommen war und nun schon seit lange das Gnadenbrod
erhielt, ein munteres neckisches Thier, das in der Batterie frei
umherlief und mit Jedem anband. Sie frass dem Zimmermann die
Hobelspähne fort und hatte sich ihrer natürlichen Nahrung ganz
entwöhnt. Als später die Thetis vor Y e d d o lag, schickte Capitän
Jachmann sie zur Erholung an das Land;. - sie verschmähte aber
alles Gras und grüne Futter, riss uns dagegen die papiernen
Scheiben in grossen Fetzen von den Fenstern, und wurde krank,
als man sie auf dem Rasen anband; an Bord erholte sie sich bald
wieder.
Sonntag Nachmittags von zwei bis vier pflegten die Matrosen
der Thetis auf Deck und im Zwischendeck zu tanzen, wozu einige
mit Fiedeln und Pfeifen aufspielten; der Tanz wird mit wahrer
Leidenschaft betrieben, manche sind sehr geschickt und der Jubel
so gross, wie auf der ausgelassensten Kirchweih. Musik ist das
beste Mittel, um auf langen Reisen die gute Stimmung zu erhalten;
die vaterländischen Klänge erregen und besänftigen zugleich das
Heimweh des Wanderers, indem sie seinem Bedürfniss Ausdruck
verleihen. Es giebt nichts was auf weiten Seefahrten die Lebensgeister
so erfrischte, nichts was den Geist so kräftig aus der
Lethargie aufrüttelte, in welche ihn das ewige Einerlei des Lebens
und der Gesellschaft versinken lässt. Abspannung und Langeweile
sind die grössten Feinde des Seemannes; die Commandeure sehen
es daher am liebsten, wenn die Matrosen sich selbst beschäftigen,