
Bemannung fast zwei Stunden in Anspruch. Am Landungsplätze
liefen säunntliche Boote der Gig vor, welche zuletzt anlegte; die
Seesoldaten und Matrosen wurden ausgeschifft und bildeten Spalier.
Graf Eulenburg bestieg, von mehreren japanischen Staatsbeamten
begrüsst, mit seinen Begleitern die bereitgehaltenen Pferde, und der
Zug setzte sich in Bewegung: voran die Musik, das Preussenlied
spielend, dann ein Detachement von vierzig Seesoldaten, dann der
Gesandte mit dem Commodor, gefolgt von den übrigen Herren vom
Civil und einigen Marineoffieieren, zuletzt ein Detachefnent von
vierzig Matrosen. Der Zulauf der Bevölkerung war, Dank dem
schlechten Wetter und dem aufgeweichten Boden, nicht so gross
als man erwartet hatte, und die Musik schien viel weniger Eindruck
zu machen, als die Bewaffnung und militärische Haltung der Seesoldaten.
Den Japanern verbietet ein Gesetz jede Entblössung der
Klinge auf der Strasse so mussten die blanken Waffen unserer
Soldaten und der gezogene Degen des commandirenden Officiers
wohl einiges Aufsehn erregen. - Nach halbstündigem Marsch durch
eine lange grade Strasse erreicht der Zug sein Ziel, ein stattliches
Portal öffnet seine Elügel. Die Seesoldaten und Matrosen marschiren
— oder steigen vielmehr über den zwei Fuss hohen Schwellbalken —
in den Hof, und hissen unter militärischem Salut die preussische
Flagge an dem dort aufgepflanzten Mast, die Gesandtschaft nimmt
Besitz von dem weitläufigen Gebäude. In den Empfangszimmern waren
Erfrischungen aufgetragen, Backwerk und Früchte, dazu wurde Thee
gereicht; man konnte sich endlich trocknen und reinigen. Nun erschienen
mit ansehnlichem Gefolge zwei B u n y o ’s 3) des auswärtigen
Amtes, um den Grafen Namens der Regierung auch hier willkommen zu
heissen; Heusken stellte sie vor als S a r a i - O k i - n o - K ami und H o r i -
O r ib e - n o - K a m i , den Dolmetscher M o r iy am a T a k it s ir o und einen
» O - m e t s k e « oder Oberaufpasser. Sie erklärten zum Unterhandeln
mit dem preussischen Gesandten bevollmächtigt zu sein, und machten
den Vorschlag, sofort zu beginnen: »Von den beiden Ministern des
Auswärtigen4) sei der eine sehr krank, der andere mit Geschäften
überhäuft, und es werde voraussichtlich geraume Zeit verstreichen,
bis der letztere ihn empfangen könne.« Diese Eröflnung musste
3) Die Fremden nennen sie gewöhnlich »Gouverneure«, ein Ausdruck der durchaus
ihre Stellung nicht bezeichnet. Ueber die Bedeutung von » B u n y o « s . S. 122.
4) Diese »Minister« sind Mitglieder des G o r o d z i o , von dessen wahrscheinlicher
Zusammensetzung der einleitende Abschnitt S. 121 handelt.
als ein Versuch erscheinen, den preussischen Bevollmächtigten am _
directen Verkehr mit den Ministern zu hindern, und wurde höflich
abg'ewiesen: Graf Eulenburg sprach seine Erwartung aus, r e cht
bald von dem Minister empfangen zu werden. Man erging sich
noch einige Minuten in Artigkeiten, — hinter den Papierwanden
des Empfangszimmers sassen Schreiber, welche die ganze Unterhaltung
emsig aufzeichneten, — dann empfahlen sich die B u n y o ’s .
Die im Hofe aufgestellte Mannschaft machte ihnen die militärischen
Honneurs; sie schienen überrascht und erfreut, äusserten auch gleich
den Wunsch ein Zündnadelgewehr. zu sehen, und fassten sehr
schnell das Princip des Mechanismus.
Die Matrosen und Seesoldaten begaben sich unter Führung
ihrer Officiere noch desselben Abends wieder an Bord, wahrend
der Gesandte und seine Begleiter sich in der geräumigen Wohnung
häuslich einrichteten. Die folgende Nacht war sehr unruhig, am
frühesten Morgen brach wieder ein T a if u n los, so heftig wie der
acht Tage zuvor erlebte, aber man hatte ja festen Boden unter den
Füssen, und nicht, wie im Stillen Ocean, eine gefährliche Küste in
Lee. Den elastischen hölzernen Gebäuden am Lande geschah ausser
einigen zerfetzten Papierscheiben kein Schaden, aber draussen auf
der°Rhede raste der Sturm ganz gewaltig; die Arkonä musste vor
doppelte Anker gelegt werden, und auch dann besorgte man noch
dass sie treiben möchte. Die erste Barcasse, ein Boot von bedeutender
Breite, hatte, da die Mannschaft erst in später Nacht ermüdet
und ganz durchnässt zurückkam, nicht mehr an Bord gebracht werden
können und schlug während des Sturmes um. Ihr Geschütz versank
im Meere, das Boot selbst wurde am folgenden Tage geborgen.
Es war ein sonderbares Gefühl sich in Y e d d o z u befinden,
einer Stadt die noch vor wenigen Jahren dem Bewusstsein der meisten
Europäer nicht viel näher lag als die Genienschlösser arabischer
Mährehen, und deren Bevölkerung sonst zuverlässige Bücher der
Neuzeit auf acht Millionen angegeben haben. Man brannte vor Begierde
sich umzusehen, und einige der Reisenden machten schon am
Sonntag, sobald das Wetter sich äufhellte, einen Spaziergang durch
die nächsten Strassen. Die begleitenden YAKrame5) führten sie m
ein Tlieehaus; der Thee , welcher ohne Zucker und Milch aus kleinen
■TS. S. 123.