
272 Die B u n y o ’s in A k a b a n e zu Tische. IV.
Hufelands Makrobiotik s e i8). Vor zwei Jahren war die Cholera
zum ersten Mal in Y e d d o gewesen und hatte in kurzer Zeit
200,000 Menschen hingerafft. Die B u n y o ’s erkundigten sich nach
Mitteln dagegen; als man ihnen aber sagte, dass eine angemessene
Lebensweise und massiger We in g en u s s anzurathen, und deshalb
ihre hohe Weinsteuer recht unzweckmässig sei,.;¡brach S a r a i in
helles Lachen aus: »der französische Bevollmächtigte habe sie versichert,
der Wein wäre ein Luxusartikel«. Dabei trank er ein Glas
moussirenden Rheinwein nach dem anderen.
13. Septbr. Auf Donnerstag den dreizehnten hatte der Gesandte die
B u n y o ’s zum Diner eingeladen. Sie erschienen um fünf Uhr und
überreichten ein Geschenk an Thee und Eiern: »so sei es in Japan
bei Einladungen üblich«. Im Verlaufe des Gespräches ergab sich,
dass bei Condolenzbesuchen nur Thee geschenkt werde, die Hin-
zufügung von Eiern aber freudebedeutend sei. Sie meldeten zugleich,
dass der Minister des Auswärtigen den Gesandten schon am folgen-
Tage zu empfangen wünsche. — Bei Tische zeigten sich die beiden
B u n y o s und M o r iy a m a , welche schon viel mit Eremden verkehrt
hatten,dm Gebrauche von Messern und Gabeln ganz anstellig, der
O - m e t s k e aber war sehr verlegen und ungeschickt, wollte auch
durchaus nicht trinken. Dagegen sprach der joviale S a k a i allen
Weinsorten recht herzhaft zu, notirte sich die Gegenstände des
Tafelgeräthes und die Reihenfolge der Gerichte, wickelte von jeder
Speise ein Stück in Papier und steckte es in die weiten Aermel;
das ist die landesübliche • Art den Wirth zu ehren. Am besten
schmecken den Japanern immer gekochter Schinken und eingemachte
Erüchte, Champagner und andere süsse Weine und Liqueure. Die
Gäste wurden bei jedem Glase munterer, namentlich S a k a i und
M o r iy a m a . H o r i - O r ib b ’s Benehmen war von Anfang an etwas
zurückhaltender, dabei aber wohlwollend und liebenswürdig; durch
sein ganzes Wesen ging ein schwermüthiger Zug, sein Auftreten ,
war einnehmend, milde und gleichmässig, sein Ausdruck fein und,
geistreich; er gehörte zu den Naturen, die ihre Umgebung gewinnen
und fesseln ohne sich darum zu bemühen.
'*w) Man muss den gegenwärtigen Stand der ärztlichen Wissenschaft in Japan nicht
nach dieser Aussage bemtheilen. Hufeland’s Makrobiotik scheint in w e it e r e n
Kreisen bekannt zu sein, doch fanden wir in den Buchhandlungen auch die Ueber-
setzungen rein wissenschaftlicher medicinischer 'Werke mit genauer Nachbildung der
darin enthaltenen anatomischen Zeichnungen in Kupferstich und Holzschnitt.
IV Ankunft der Thetis/ -— Die Verhältnisse in Japan seit Juli 1859. 273
Am folgenden Morgen, den vierzehnten, ging die Thetis 14. septbr.
auf der Rhede vor Anker. Einige ihrer Passagiere kamen in
dem Augenblick nach A k a b a n e , als der Gesandte zum Besuche
bei dem Minister aufbrach. Sie brachten leider keine Nachricht
von dem Erauenlob, dessen Untergang nun immer wahrscheinlicher
wurde.
Vor Beschreibung des Besuches bei dem Minister A n d o
T s u s - s im a - n o - K am i muss hier in Kurzem Rechenschaft von der
Entwickelung der japanischen Verhältnisse und dem Verkehr der
Ausländer seit der Ankunft ihrer diplomatischen Vertreter gegeben
werden.
Der englische Gesandte Herr Alcock und der amerikanische
Minister - Resident Herr Townsend Harris waren die ersten, welche
— im Juni 1859 -r in Y e d d o eintrafen. Die japanischen Behörden
empfingen sie mit grösser Artigkeit und stellten die Nebengebäude
mehrerer Tempel zur Verfügung, unter denen sie selbst ihre Wohnungen
wählen konnten. Die ratificirten Verträge wurden nach
Beseitigung einiger formellen Schwierigkeiten feierlich ausgewechselt,
und die Sachen gingen so glatt als man kaum erwartet hatte. Bei
alle dem fanden die Fremden, dass sie von den Japanern hintergangen
und gewissermaassen wie Feinde behandelt wurden. Man
begegnete ihnen höflich und zuvorkommend, aber nicht offen, und
suchte namentlich jede freie Bewegung und den Verkehr mit den
Eingeborenen zu hemmen. Alle Maassregeln der Regierung schienen
berechnet, die Wirksamkeit der Verträge aufzuheben ohne ihre
äussere Form zu brechen. Der freie Verkehr mit den Landesbewohnern
ohne Dazwischenkunft der Beamten war die Wurzel, aus
welcher allein der Handel der westlichen Völker erwachsen konnte,
der Cardinalpunct aller Verträge von 1858, und grade dieses wichtigste
Zugeständniss sollte ihnen verkümmert werden. Der Gedanke,
dass der imbeschränkte Fremdenverkehr jetzt wie vor zweihundert
Jahren leicht zu einer politischen Umwälzung führen könne, lag
für die Japaner sehr nah, und man suchte nach Mitteln dieses
Unglück abzuwenden. An offenen Bruch der Verträge war nicht
zu denken; man musste sie zu umgehen suchen, und das führte zu
der zweideutigen Politik, aus welcher so viel Unheil Ö ’ entstanden ist.
Die Doppelzüngigkeit der Beamten, — die gewiss nur zuweilen aus
I