
über ilire U n te r th a n e n ist anerkannt, aber ü b e r ihnen stellt der
S io g u n , der sie — immer im Namen des M ik a d o .— züchtigt und
absetzt, wenn sie willkührlich oder nicht nach se in em Willen
handeln. Es ist im Grunde die uralte Verfassung: der M ik a d o
ist seinem göttlichen Rechte nach unumschränkter Herr aller
Japaner, die D a im io ’s regieren als erbliche Statthalter in seinem
Namen mit absoluter Gewalt, so lange ,es ihm gefallt; das Recht
des M ik a d o wird in seinem Namen von den S io g u n ’s ausgeübt,
welche ihn unterdrücken. Diese Stellung des M i k a d o ist uralt; die
Beschränkung der G r o s s en hat J y e y a s in ein System gebracht, das
seinen Nachfolgern die absolute Gewalt sicherte. Die japanische
Regierungsform ist also von Grund aus und durch und durch despotisch.
Nur wenn schwache Herrscher auf dem Throne sassen,
haben in früheren Jahrhunderten die Grossen das Joch abgeschüttelt
und die despotische Oberherrschaft der S io g u n ’s oder Regenten
bekämpft, aber jedesmal machte sich die alte Regierungsform einer
absolut herrschenden Centralgewalt nach kurzer Unterbrechung wieder
geltend. Das älteste und anerkannteste Recht ist das des M ik a d o ,
und an dieses haben sich zu allen Zeiten die rebellirenden Grossen
gelehnt, um den Schein der Legalität für sich zu haben. Etwas
Aehnliches scheint heute wieder in Japan vorzugehen.
Der S io g u n regiert also für den M ik a d o ; ihr Verhältniss muss
man sich vorstellen wie das eines ewig kranken und unmündigen
Herrschers zu dem Regenten. Dass dieser Zustand der Unmündigkeit
nie aufhöre, ist Sorge des S io g u n , dessen Stellvertreter, die
Grossrichter von M ia k o , den dortigen Hof beaufsichtigen und bevormunden.
Das Haus des J y e y a s scheint mit den' Erbkaisern recht
glimpflich umgegangen zu sein; von Entthronungen, wie sie unter den
früheren Dynastieen so häufig vorkamen, hört man seit dem siebzehnten
Jahrhundert nichts mehr, im Gegentheil verbanden, sich die
S io g u n ’s von Y e d d o dem M ik a d o -Hause mehrfach durch Iieirathen.
Ueber das Leben und die Hofhaltung des M ik a d o werden
tausend Ungereimtheiten erzählt; es ist schwer, hier das Wahre
vom Ealschen zu scheiden. Gewiss ist, dass von Alters her Kunst
und Wissenschaft am Hofe der Erbkaiser eifrig cultivirt und die
äusserste Verfeinerung der Sitten angestrebt wurde106). Noch heute
106) Caron sagt,, dass zu seiner Zeit alle Bücher am Hofe des M ik a d o gemacht
worden seien: «und thut dasselbe ganze Geschlecht nichts als dass sie die Wollust
der Welt gemessen und .sich in Weisheit und Studiren üben.«
sollen die meisten Bücher in M ia k o gedruckt werden, dort befindet
sich auch die mit guten Instrumenten ausgestattete Sternwarte,
deren Astronomen den Meridian der Hauptstadt mit grösser Genauigkeit
berechnet haben1"7). Man sagt, dass am Hofe von M ia k o
allein sich die alten japanischen Sitten in ihrer Reinheit und Einfachheit
erhalten; dort werden viele Ceremonieen, Gewohnheiten
und Eormen aus früher Zeit bewahrt, welche heute dem gesunden
Menschenverstände lächerlich erscheinen, aber für die Japaner,
welche grosse Ehrfurcht und Anhänglichkeit an die Traditionen
ihrer Vergangenheit haben, gewiss von Werth und Bedeutung sind.
So soll der M ik a d o ausserhalb seines Palastes den Erdboden niemals
mit den Füssen berühren, soll niemals dasselbe Kleidungsstück
zweimal anlegen, noch bei seinen Malzeiten sich zweimal desselben
Geschirres bedienen dürfen; deshalb nimmt man für seine Küche
und seinen Tisch jetzt nur grobe Töpferwaare, denn alles von ihm
benutzte Geschirr muss gleich nach dem Gebrauche zerbrochen
werden; seine Person ist so heilig, dass die Berührung von ihm
benutzter Sachen jedem anderen Sterblichen Krankheit und Tod
bringen würde; deshalb verbrennt man auch seine Kleider. — Der
M ik a d o ’ soll eigentlich neun mal neun, also 8 1 rechtmässige Frauen
haben — dies hält man für die vollkommenste Zahl, — er heirathet
gewöhnlich aber nur neun; ausserdem haben drei Frauen bestimmte
Functionen bei seiner persönlichen Aufwartung, und auch
diese werden zu seinen Gemalinnen gerechnet. Von diesen zwölf
erhebt er e in e zur Kaiserin108). Die Frauen dürfen sich den
Gemächern ihres Herrn nur mit gelöstem Haupthaar und baarfuss
nahen; sie haben die Obliegenheit, ihn zu bedienen und zu kleiden.
Da es gegen die Heiligkeit seiner Person ist, sich Haare, Bart und
Nägel schneiden zu lassen, so werden diese Operationen gleichsam
verstohlener Weise an ihm vorgenommen, während er schläft oder
107) Nämlich 135° 40’ 00" östlich von Greenwich. S. von Siebold N i p p o n ' Bd. I.
108) Gewöhnlich wurde die Mutter des Thronfolgers zur Kaiserin erhoben. Die
Frauen scheinen durch die ganze japanische Geschichte grossen Einfluss am Hofe
des M i k a d o , und in alten Zeiten auch auf die politischen Angelegenheiten gehabt
zu haben. Unter dreizehn M i k a d o ’s , die von 642 bis 7.69 auf dem Throne sassen,
waren sieben weibliche. Dies war ungefähr die Periode, in welcher die Erbkaiser
zuerst ihre Macht an die K u a n b a k ’s verloren. — Yon 769 bis 1630 scheint kein
weiblicher M i k a d o regiert zu haben, aber noch im vorigen Jahrhundert (1763—1770)
bekleidete eine Frau diese Würde.