
den Vorschriften der Geistlichen im schärfsten Widerspruch stehende
Zügellosigkeit trug viel dazu bei, die Religion der Fremden hei den
Besseren der Nation in Missachtung zu bringen. Dann die Ueber-
hebung der Europäer, die, je geringeren Standes und Bildungsgrades,
desto erhabener über jeden nicht ganz Weisshäutigen sich
dünken. Das hoffährtige Auftreten der portugiesischen und spanischen
Kaufleute machte den allerschlimmsten Eindruck; ihre
Gespreiztheit, ihre Waffen und prächtige Kleidung waren den Edelen
verhasst und gaben in deren Augen dem Volke ein schlechtes Beispiel.
Der Handelstand gilt einmal in Japan für einen der niedrigsten;
Kaufleute dürfen keine Waffen tragen, müssen sich einfach und
nach vorgeschriebenem Schnitt kleiden, und bescheiden, ja demüthig
gegen den Geringsten aus der Adelsclasse betragen. Die Etiquette
ist für alle Stände streng geregelt. Die Formen der Ehrerbietung
gegen Höherstehende, wie sie sich von uralter Zeit her in Japan
eingelebt haben, sind nach europäischen Begriffen erniedrigend,
wegwerfend, aber dort entzieht sich ihnen Niemand; die vornehmsten
Lehnsfürsten erweisen sie ohne Bedenken dem M ik a d o , dem S io g u n ,
es sind eben alte Formen, die in der That die Bedeutung nicht
haben, welche wir ihnen beilegen. Die gänzliche Missachtung dieser
Gebräuche von Seiten der Europäer „und vorzüglich der Kaufleute
hat die Japaner zu allen Zeiten gereizt und erbittert. Dass sie
selbst Fremden von Rang und Stellung gern die gebührenden Ehren
erweisen, dass sie sich sogar, wenn auch nach, einigem Kampfe,
meistens bequemen, von den landesüblichen Formen abzuweichen
und Manches nach ihren Begriffen Unanständige dulden, um den
Gewohnheiten der Fremden Rechnung zu tragen und sie zufrieden zu
stellen, hat sich bei vielen Gelegenheiten gezeigt. Ein B rü sq u ir en
ihrer eigenen Sitten kann die stolze Nation aber auch heute noch
nicht ertragen.
Die g ä n z lic h e Ausrottung des Christenthumes und die g ä n z lic
h e Ausschliessung der Fremden wurden theils. durch die Erfahrung
veranlasst, dass man sich ihres Einflusses nur durch
d ie s e s Mittel ganz erwehren konnte, theils durch die japanische
Anschauung überhaupt, die keine Ausnahme duldet und jedes
einmal anerkannte Princip mit der grössten Strenge bis zum Extrem
durchführt. Dass trotzdem eine Ausnahme zu Gunsten der Holländer
gemacht wurde, hatte seinen Grund lediglich darin, dass
diese sich fast unbedingt in Alles fügten und die gewissermaassen
rechtlose Stellung gefallen Hessen, in welche die Japaner sie schliesslich
verwiesen.
Seit lange ist es Gewohnheit geworden, die Niederländer
wegen ihrer SteUung in Japan zu schmähen, zu beschimpfen. Dass
das Auftreten der holländischen Kaufleute ein würdiges, ihre Stellung
ehrenvoll gewesen sei, wird Niemand behaupten; sie haben sich,
um Geld zu gewinnen, die grössten Demüthigungen gefallen lassen
und sind dadurch immer tiefer in der Achtung der Japaner gesunken.
Aber die Nation für das verantwortlich zu machen, was eine Gesellschaft
von Kaufleuten gethan hat, ist gewiss unbilhg; man kann
ohne Anstand behaupten, dass die Kaufleute anderer Länder unter
gleichen Umständen ähnHch gehandelt hätten, dass andere Völker
Schlimmeres gethan und geduldet haben. Wer die überseeischen
Niederlassungen der Europäer und ihre Geschichte kennt, der weiss,
dass in den vergangenen Jahrhunderten.;’^? denn in dem gegenwärtigen
hat sich Vieles geändert — die überwiegende Mehrheit der
Ansiedler in dem Auswurf der europäischen Gesellschaft bestand,
in Glücksrittern, die in kürzester Zeit und auf jede Weise Schätze zu
erwerben trachteten, und dass ihr Auftreten gegen aussereuropäische
Völker mit den heutigen Begriffen von Recht, Ehre und Sittlichkeit
nicht bestehen kann. Wie sollte man diesen Maassstab an das
Betragen der Holländer in Japan legen! Um die Verhältnisse richtig
zu würdigen, ist zunächst in Betrachtung zu ziehen, dass die Niederländer
in Japan Emissäre einer Handelsgesellschaft waren, deren
materieller Nutzen ihr nächstes Augenmerk sein musste. Die höchsten
Beamten der Compagnie hatten von, Anfang an den Grundsatz aufgestellt
, »dass man sich mit grösser Bescheidenheit und Untertänigkeit
der Japaner Freundschaft auf jede Weise zu erhalten habe«' ”2).
Diese Worte bheben die Richtschnur der Handelsvorsteher für alle
Zeiten. Ihre Stellung war schwierig, ihre Verantworthchkeit gross;
Rath und Verhaltungsbefehle konnten sie, der Entfernung wegen,
niemals, auch in den allerwichtigsten Fällen nicht einholen, und
selbst zur Ueberlegung Hessen ihnen die immer peremtorischer auftretenden
Japaner selten Zeit. Sie mussten in Eile entscheiden,
was lange Ueberlegung forderte, und machten deshalb viele Fehler.
Dass ihre Nachgiebigkeit, selbst in Betrachtung der zu erreichenden
Zwecke, zu weit ging und viel verdarb, gestehen auch die holländischen
Schriftsteller; mit gleicher Sicherheit aber lässt sich
ioa) Worte des General - Gouverneurs Van Diemen.