
160 Golownin’s Gefangenschaft.
zwei Offizieren, vier Matrosen und einem kurilisclien Dolmetscher
gelangen; sie wurden gebunden nach I I a ic o d a d e , dann nach M a t s m a i
geschickt und dort zwei Jahre zurückgehalten. Die Gefangenen
hatten viele endlose Verhöre zu bestehen, wurden aber mit Freundlichkeit
und Humanität behandelt und in gelinder Haft gehalten, wo
man ihnen alle vom Gesetze für Gefangene erlaubten Bequemlichkeiten
und Annehmlichkeiten zu verschallen suchte. Golownin entfloh
mit seinen Begleitern aus dem Hause, wo sie bewacht wurden, in
der Hoffnung, sich eines Bootes bemächtigen und die tartarische
Ivüste erreichen zu können, wurde aber nach einigen Tagen wieder
eingefangen. Weder der Statthalter, dem dieser Fluchtversuch,
wenn er glückte, den Kopf kosten konnte, noch seine Untergebenen
und selbst die Wachen, welche deshalb degradirt wurden, änderten
ihr freundliches Benehmen gegen die Gefangenen. Im Gegentheil
suchten die japanischen Beamten, um den Befehl ihrer Befreiung
in Y e d d o z u erwirken, eifrig nach Beweisen dafür, dass die Diana
nicht in feindlichen Absichten gekommen sei. Lieutenant Rikord,
der das Schiff jetzt befehligte, war gleich nach Golownin’s Ge-
fangennehmung nach Ochotsk gegangen, um Verhaltungsbefehle zu
holen, und erschien im Sommer 1812 wieder vor K u n a s ir . E s
gelang ihm, dort eine japanische Dschunke wegzunekmen, auf
welcher sich ein angesehener Kaufmann, T a k a t a ü - K a f i , befand,
den er mit Höflichkeit behandelte und für den Winter mit nach
Kamtschatka nahm. Den Bemühungen dieses Braven gelang es,
als die Diana im Frühjahr 1813 wieder nach der Küste von Y e s o
kam, die Zusage der Freiheit für die Gefangenen zu erlangen,
wenn eine Erklärung des Gouverneurs von Ostsibirien beigebracht
würde, dass die kaiserlich russische Regierung an den von Chwostow
verübten Feindseligkeiten keinen Antheil habe. Rikord eilte nach
Ochotsk und kehrte noch im September desselben Jahres mit dem
verlangten Document nach H a k o d a d e zurück, worauf die Ausheferung
erfolgte.
Golownin’s Gefangenschaft und Rikord’s Bemühungen. um
seine Befreiung bilden eine der merkwürdigsten und lehrreichsten
Episoden in der Geschichte des Verkehrs mit den Japanern; möchten
Alle, die mit ihnen in Verbindung treten, die Berichte der beiden
russischen Officiere gelesen haben. Golownin lebte zwei Jahre lang
unter den widerwärtigsten Verhältnissen bei den Japanern, von
welchen die Russen nur als Feinde angesehen werden konnten,
Golownin und Rikord. Das Auftreten der Engländer. 161
dennoch weiss er ihre liebevolle Sorgfalt, ihre Gxossmuth und Geduld,
ihr sich immer gleich bleibendes Benehmen nicht genug zu
preisen; er bricht in seiner kunstvollen Schilderung ein über das
andere Mal in Ausrufe der Verwunderung aus, welche die fast ausnahmslose
Humanität des Charakters durch alle Stände, die aufopfernde
Freundschaft des Statthalters von M a t s m a i und einiger
anderen Beamten in vollem Maasse verdienen. Er lässt den japanischen
Institutionen und ihrer Handhabung alle Gerechtigkeit widerfahren
und giebt im Ganzen ein so treues Bild der dortigen Zustände
mit allen ihren Sonderbarkeiten und Widersprüchen, wie kaum ein
anderer Schriftsteller. Rikord’s Bericht ist besonders anziehend
durch die Schilderung seines Umganges mit dem ehrlichen T a k a t a i -
K a f i , der ihn bereitwillig nach Kamtschatka begleitet und sich ihm
auf das innigste anschliesst. Da Rikord bei der Rückkehr nach Y e s o
1813 Miene macht, seinen japanischen Freund mit Gewalt an Bord
zurückzuhalten, fasst dieser den Entschluss ihn und sich selbst umzubringen
— denn das japanische Ehrgefühl duldet keinen Zwang162);
er gesteht aber sofort sein Vorhaben aus freien Stücken, als Rikord
zu seinem freundschaftlichen Benehmen zurückkehrt und ihm die
Freiheit giebt zu landen, — und bietet nun Alles auf, um einen
glücklichen Ausgang herbeizuführen. -¡U Die Russen und die Japaner
schieden damals mit den wohlwollendsten Gesinnungen von einander.
Gegen den englischen Namen herrschte um diese Zeit in
Japan die grösste Erbitterung.
Im October 1808 war ein Schiff unter niederländischer Flagge
in die Bucht von N a n g a s a k i eingelaufen. Da es die gewöhnliche
Jahreszeit der Ankunft der holländischen Schiffe war, so sandte der
Statthalter nach gewohnter Weise seine Beamten in Begleitung zweier
Holländer von der Factorei zur Empfangnahme der Papiere hinaus.
Als sie sich dem einlaufenden Schiffe näherten, kam ihnen ein Boot
desselben entgegen, aus welchem sie holländisch angeredet wurden:
gleich darauf aber sprangen dessen Matrosen in ihr Fahrzeug, packten
die beiden Holländer und schleppten sie an Bord; die erschrockenen
Japaner gewahrten nun, dass sie es mit einem fremden Kriegsschiff
zu thun hatten, und kehrten eilig nach N a n g a s a k i zurück. Der
Statthalter war sehr aufgebracht, und forderte von seinen Beamten,
162) T akatai war bei seiner Gefangennehmung von Rikord sehr höflich behandelt
worden, und hatte sich sogleich bereit erklärt, ihn nach Kamtschatka zu begleiten,
so dass hier wenigstens ans ch e i nend kein Zwang geübt wurde.