
wurde zwar mit allen Lebensbedürfnissen versehen, aber auf das
strengste beaufsichtigt. Der holländische Handelsvorsteher Doeff,
welcher die japanischen Beamten hei ihren ersten Besuchen an Bord
begleitet hatte, durfte seitdem nur schriftlich mit ihm verkehren;
alle seine Briefe und Sendungen gingen durch die Hände der japanischen
Dolmetscher und wurden genau controllirt. — Endlich kam die
Antwort aus Y e b d o ; Resanoff wurde in der Sänfte des holländischen
Handelsvorstehers zur Audienz bei dem Statthalter geführt. In den
Strassen, welche der Zug passirte, waren alle Häuser geschlossen
und verhängt, die Seitenstrassen ahgesperrt, keine Menschenseele
zu sehen. In dieser ersten Zusammenkunft hatte der Gesandte nur
einige Fragen in Betreff des überbrachten Schreibens zu beantworten:
in der zweiten, Tages darauf, erhielt er eine schriftliche
Entgegnung in holländischer Sprache, die mit weitläufiger Auseinandersetzung
der Gründe jeden Verkehr ablehnte159). Die kaiserlichen
Geschenke mussten wieder eingeschifft werden160), auch wiesen
gesteigerte Verstimmung des Statthalters, denn Anfangs war die Rede davon, einen
Tempel für ihn einzurichten oder ihn nach dem Wunsche des Factoreivorstehers auf
Desima uuterzubringen. S. Doeff Herinneringen uit Japan. Amsterdam 1833.
I69) In dieser Entgegnung ist gesagt, dass in fi-üheren Jahren Japan viel mit
anderen Nationen verkehrt, die Regierung aber nach den gemachten Erfahrungen
den Verkehr streng verboten habe. Nur die Bewohner von Liu-kiu, Korea und
China, imd von Europäern die Holländer würden noch zugelassen, und auch diese
jetzt nicht mehr des Gewinnes halber, sondern weil man es ihnen in alter Zeit aus
besonderen Gründen zugestanden habe. Dies sei mit den Rüssen'nicht der Fall.
Ihre wiederholten Versuche, denVerkehr anzuknüpfen, zeigten vvohl, wie sehr ihnen
darum zu thun sei. So gern nun auch Japan mit seinen itachbam Freundschaft
halten wolle, so sei doch der gewünschte Handelsverkehr nicht zulässig, weil die
Sitten und Gewohnheiten beider Völker zu verschieden seien, weil die Japaner die
Erzeugnisse fremder Länder nicht brauchten, weil durch die Ausfuhr der japanischen
Producte Mangel im Lande entstehen würde, weil der Handel eine Menge Fremde
geringen Standes nach Japan bringen würde, welche nur aus Gewinnsucht kämen.
Diese würden die japanischen Gesetze übertreten, Unordnung und Unfrieden in das
Land bringen und die Verwaltung erschweren. Der Verkehr sei mit den alten Landesgesetzen
unvereinbar, und diese könnten nicht geändert werden. — Das Document
wurde den Russen in wörtlicher holländischer Uebersetzung mitgetheilt. Doeff, dessen
Hülfe der Statthalter in Anspruch nahm, durfte kein sinnerklärendes Wort, keine Inter-
punctation hinzufügen, um die Satzverbindung deutlich zu machen. Die Uebersetzung
ging in Abschrift nach Yebdo und musste wörtlich sein, wenn es die Dolmetscher nicht
den Kopf kosten sollte — da es ein kaiserliches Decret war. S. Doeff Herinneringen.
ieo) Nui. ¿er Ober-Aufpasser nahm einige Kleinigkeiten fiir sich an, um Resanoff
zur Entgegennahme der Geschenke zu bewegen, welche die Gommissare aus Yeddo
die Behörden jede Bezahlung für die während des langen Aufenthaltes
gelieferten Lebensbedürfnisse zurück, und versahen die Fregatte
bei der Abfahrt noch reichlich mit allen Vorräthen, welche
ihr Land zu bieten vermochte.
Der Aufenthalt der Nadejda in Japan hatte über sechs Monate
gedauert, sie segelte zunächst nach Kamtschatka. Von da reiste Resanoff
auf einem von dem Flottenlieutenant Chwostow befehligten
Schiffe der russischen Pelzcompagnie nach Amerika und wieder
zurück nach Ochotsk, dann nach dem Inneren von Sibirien, wo er
auf der Heimreise starb. Chwostow aber überfiel mit zwei Schiffen
der Pelzcompagnie die japanischen Dörfer auf den südlichen K u r i l e n ,
liess sie plündern und niederbrennen und schleppte einige Einwohner
mit fort. Er hinterliess mehrere Schreiben in französischer und
russischer Sprache161), welche, in sehr hochfahrendem Ton verfasst,
den japanischen Handel im Norden so lange zu stören drohten,
bis die Regierung des S io g u n sich zum Handelsverkehr mit Russland
bereit zeigen würde. Diese gelinde Maassregel solle ihnen
zeigen, dass die nördlichen Theile des japanischen Reiches ganz
der Willkühr ihres mächtigen Nachbarn Preis gegeben seien, und
dass diese Länder ihnen leicht einmal verloren gehen könnten,
wenn die Regierung auf ihrer eigensinnigen Weigerung beharre. —
Es unterliegt selbst nach den russischen Berichten keinem Zweifel,
dass dieser Raubzug von Resanoff veranlasst worden ist, die kaiserlich
russische Regierung aber missbilligte das Verfahren Chwostow’s,
welchen ein früher Tod der Verantwortung entzog.
Der russische Ueberfall geschah 1807. Im Frühjahr 1808
sandte die Regierung von Y e b d o den Fürsten von Y e t s i s e n mit
etwa tausend Mann nach Cap S o g a , der Nordspitze von Y e s o , und
liess den Befehl an die Küstenbehörden ergehen, alle russischen
Schiffe feindselig zu behandeln. Als daher die von der Regierung
des Czaren zur näheren Erforschung jener Meere, abgeschickte
Corvette Diana im Sommer 1811 bei den K u r i l e n erschien und, um
Lebensmittel zu erlangen, in Verkehr mit den dortigen Japanern
zu treten suchte, lockte der Commandant einer Festung auf K u n a s ir
den Befehlshaber Capitän Golownin an das Land und nahm ihn nebst
von Seiten des S iogun zu überreichen hatten. Die Zurückweisung dieser Geschenke
durch die Russen hätte die japanischen Beamten nach Doeffs Darstellung das Leben
gekostet.
161) Man brachte sie den Holländern auf Desima zum Uebersetzen.