
den ihrer Aufsicht befohlenen D a im io auf Schritt und Tritt zu begleiten
und jede seiner Handlungen nach Hofe zu berichten. Ausser
diesen officiellen Aufpassern unterhält die Regierung im ganzen Lande
viele geheime Spione, die Niemand als solche kennt; sie werden aus
den angesehenstenFamilien des Hofes genommen, und müssen sich
oft dazu hergeben, in geringer Verkleidung — als Handwerker,
Tagelöhner u. s. w. — viele Jahre unter den schwierigsten und unbequemsten
Verhältnissen zuzubringen116). Diese Stellungen sind
sehr gefährlich, aber in Japan darf sich Niemand unterstehen, ein
übertragenes Amt auszuschlagen, seine Ehre wäre verloren und
damit sein Lehen. Grade das Amt des geheimen Spions fordert die
grösste Zuverlässigkeit und Geschicklichkeit und © © wird meist nur vor-
züglichen Männern vertraut. Damit nun aber auch die geheimen
Aufpasser controllirt werden können, sind überall im Lande öffentliche
Briefkasten für die Beschwerden des Volkes aufgestellt; die
Klagsehriften werden in Y e d d o geöffnet und müssen, um berücksichtigt
zu werden, mit dem Namen des Klägers unterzeichnet sein,
der in schwere Strafen fällt, wenn seine Angaben sich als unrichtig
erweisen.
Die ganze Existenz der DAiiwfo’s ist so zugeschnitten, dass
selbst die reichsten niemals über grosse Geldmittel verfügen können.
Ihre Hofhaltung und Kriegsmacht verschlingen den grössten Theil
ihrer Einkünfte — zudem ist es hergebracht, dass vornehme Leute
ihrem Stande gemäss Alles weit über dem Werth bezahlen, und bei
ihren Hofreisen müssen sie dem'S io g u n jedesmal werthvolle Geschenke
überreichen. Sammelt trotzdem ein D a im io viel baares Geld, so ladet
sich der S io g u n bei ihm zum Frühstück ein, oder lässt ihm von dem
M ik a d o einen ausserordentlichen Titel verleihen; beides sind so
kostbare Ehren, dass die Kassen der davon betroffenen auf lange
Zeit hinaus erschöpft werden.
Dies war ungefähr die Stellung des Lehnsadels in den
Jahrhunderten der Abschliessung. Natürlich gab es darin vielfache
Modificationen, wie sie locale Umstände, die Stellung der
einzelnen Fürsten zu ihren Unterthanen, die Lage und eigehthüm-
liche Verfassung und die Entfernung ihrer Herrschaften von der
u6) Ein Gouverneur von H akodade wurde plötzlich seines Postens enthoben.
Als Nachfolger trat in sein Amt ein Mann, welchen man -mehrere Jahre lang als
Arbeiter eines Tabakshändlers dort gekannt hatte. Er gehörte einer vornehmen Hof-
Familie an, und war als geheimer Spion' nach H akodade gesandt worden.
Hauptstadt, vielleicht auch besondere Verträge bedingten, die einzelne
Familien mit dem S io o u n - Hause in alter Zeit geschlossen
hatten. Einer der reichsten und der mächtigste D a im io war immer
der Fürst von S a t s u m a , aus dessen Gebiet seit zwei Jahrhunderten
nur ein geheimer Spion lebendig zurückgekehrt sein soll. Diese und
andere angesehene Familien, wie K a n g a , M u t s , Y e t s I s e n , O s io ,
N a n g a t o haben die S io g u n ’s von je her mit grösser Rücksicht
behandelt und durch Verschwägerung an ihr Haus zu fesseln gesucht.
Das System beäurfte, so ausgebildet, so vollkommen es war, doch
immer der geschicktesten Handhabung. — In neuester Zeit, seit
Zulassung der Fremden, scheint die Centralregierung den grössten
Theil ihrer Macht über die D a im io ’s eingebüsst zu haben.
Die übrigen S a m r a i sind die Vasallen und Trabanten des
S io g u n und der D a im io ’s . Der Adel ist wie gesagt eine Art Kriegerkaste,
zu der alle Beamten — die kaiserlichen wie die fürstlichen, —
die Gelehrten, ein Theil der Aerzte und die Priester mehrerer Secten
gehören. Es giebt in dieser Classe unendlich viele Abstufungen,
Familien, die Ländereien zu Lehen haben, und andere, die ihre
Einkünfte direct .aus der herrschaftlichen Kasse beziehen; aus letzteren
scheinen die meisten Aemter und Stellen besetzt zu werden. Alle
diese Familien haben einen angestammten m ilitä r is c h e n Rang, der
sich durch das dem Einzelnen übertragene Amt nicht ändert. Nur
dieser militärische Geburtsrang hat Geltung, das Amt ist etwas
Zufälliges und scheint weder zu erhöhen noch zu erniedrigen1,T).
Natürlich werden die höheren und wichtigeren Stellungen gewöhnlich
aus den vornehmeren Familien besetzt, doch kommt es häufig
vor, dass begabte Männer von niederem Adel die einflussreichsten
Aemter bekleiden. Ein gemeinsames Band umschlingt alle S a m r a i
und sondert sie vom Volke ah,, aus welchem nur selten und für
o-anz ungewöhnliches Verdienst Einzelne, sei es vom S io g u n oder
von den Fürsten, in den Adelstand erhoben werden. Die Scheidung
vom Volke ist uralt und die Kluft so gross, dass der wohlhabendste
Kaufmann nur auf den Knieen hegend mit dem geringsten S a m r a i
redet. Die S a m r a i können niemals unter das Volk hinahsteigen und
sich durch Handwerk oder gar durch den Handel ihren Unterhalt
erwerben; ihre Geburt legt ihnen die bestimmtesten Verpflichtungen
117) So hatte der Adoptivsohn des kaiserlichen Leibarztes, welcher sich im
Herbst 1861 in N angasaki befand, als Mitglied der kaiserlichen Leibwache höheren
Rang, als der zu derselben Zeit dort fnngirende kaiserliche Statthalter.