
würde sich solcher Hergang unter gleichen Umständen ganz ähnlich
gestalten; der japanische Bürger aber ist sehr friedliebend und
wird sich n iem a ls in die Händel von Bewaffneten mischen. Ob
diese That ein Racheact für bestimmte persönliche Beleidigungen,
ob ein Ausbruch der Erbitterung gegen die Fremden überhaupt ge>-
wesen sei, Hess sich nicht ermitteln12).. Die japanische Regierung
schickte auf Verlangen des Grafen Murawieff zwei hohe Beamte an
Bord des Flaggschiffes um sich wegen des Vorfalls zu entschuldigen,
degradirte den Gouverneur von K a n a g a v a , und verpflichtete sich
den Ermordeten ein Grabdenkmal zu setzen. Eine Geldentschädigung
forderte der russische Bevollmächtigte nicht.
Im November desselben Jahres wurde ein chinesischer Diener
des ii-flfizösischrn Viceconsuls in K a n a g a v a ermordet, und im Januar
1860 ein japanischer Dolmetscher der englischen Gesandtschaft in
Y e d d o , der, früher durch Schiffbruch nach Amerika verschlagen,
dort englisch gelernt hatte, und Herrn Alcock sehr nützhch und
ergeben war. Eines Abends im Februar überfiel eine bewaffnete
Rotte zwei holländische Schiffscapitäne in der Hauptstrasse von
Y o k o h am a , und hieb sie gradezu in Stücke. — So folgte Mord auf
Mord ohne dass man die Thäter ergriffen hätte; die japanische
Regierung betheuerte consequent alle Anstalten zu ihrer Vcrhaftun«-
getroffen zu haben, doch wurde keiner, soviel zur Kenntniss der
Fremden kam, jemals zur Strafe gezogen. Man konnte nicht annehmen,
dass d ie s e Verbrechen Acte persönlicher Rache wären,
denn schon damals kamen mehrfach Drohungen zur Kenntniss der
Gesandten in Y e d d o , dass a l l e Fremden in einer Nacht ermordet
werden sollten. Ob aber die FeindseHgkeiten aus der
allgemeinen Verstimmung gegen die Ausländer entsprängen oder
von einer bestimmten poUtischen Parthei ausgingen, war damals
nicht zu ermitteln. Letztere Ansicht gewann erst Wahrscheinlichkeit
durch die Ermordung des Regenten I k a m o - n o - k am i am '
24. März 1860.
In dem einleitenden Abschnitt13) ist schon berichtet worden,
dass die Ausländer in Japan den Fürsten von Miro, einen
der Titularbrüdex des T a 'ik ü n , für das Haupt der' fremdenfeiud-
Hchen Parthei ansahen, dass dieser bürst in dem Rufe stand, in
ia) Jedp Beleidigung eines S a m r a i mu ss nach japanischen Begriffen mit Blut
gesühnt werden. S. S. 129.
ls) S. 183 u. ff. Anin, 180.
thronräuberischer Absicht den Tod des kinderlosen T a i k ü n J y e - s a d o
( 1 8 5 8 ) veranlasst zu haben, dass der e r b l i c h e Regent I k a m o - n o -K a m i ihn
überflügelt und dem unmündigen Sohne eines anderen Titularbruders,
des Fürsten von Kn, die Succession verschafft, den Fürsten von M i t o
aber zur Abdankung gezwungen und auf seine Güter verbannt habe.
Die Gegenparthei soll ihm diese Handlungsweise niemals verziehen,
ihn in den Augen des Volkes zum Verräther gestempelt haben,
weil er den mächtigen Fürsten von M i t o nur durch die falsche
Vorspiegelung baldiger Restitution zum augenbficklichen Weichen
vermocht, dann aber auf Schleichwegen die Erwählung des u n mündig
en Kn bewirkt hätte, durch welche er selbst, als erblicher
Vormund, wenigstens für jetzt thatsächlich im Vollbesitz der Herrschaft
blieb. So erzählt das Gerücht14).
Am Vormittage des 24. März nun wollte sich der Regent
seiner Gewohnheit gemäss nach dem Schlosse des T a ik ü h begeben.
Sein eigenes Haus liegt innerhalb der zweiten Enceinte nur wenige
hundert Schritte vom Eingangsthor der dritten, welche den kaiser-
Hchen Palast umschhesst. Die Strasse führt etwas bergab auf die
Thorbrücke los, über welche sich grade das Cortege des Fürsten
von Kii, des Vaters des unmündigen T a ik ü n , bewegte. I kamo
sass in seiner Sänfte, umgeben von einem zahlreichen bewaffneten
Gefolge; ;4e- es regnete heftig, und die Strasse war öde bis auf
einige Gruppen tief verhüllter Gestalten in Regenmänteln, die sich
in schuldiger Ehrerbietung vor dem vornehmen Herrn an den
Häusern entlang zu drücken" schienen. Plötzlich wirft sich einer
von diesen mitten in den geordneten Zug, unmittelbar vor der
Sänfte des Regenten, — nach japanischer Anschauung die tödtfichste
Beleidigung; die folgenden Trabanten springen zu um ihn nieder-
zustossen, dadurch entsteht um den N o r im o n eine Lücke in welche
sich die übrigen Verhüllten stürzen, |J. sie haben ihre Regenmäntel
abgeworfen und erscheinen in funkelnder Waffenrüstung. Es folgt
ein kurzes Gemetzel, — plötzlich flieht einer der Angreifenden, ein
blutiges Haupt in den Lüften schwingend; er passirt unangefochten
die Wache des nächsten Strassenthores, wird dann von den Verfolgenden
ereilt und zusammengehauen, — das abgeschlagene Haupt ist
aber ein fremdes. Um den N o r im o n des Regenten lag es voll zerfleischter
Leichname, darunter mehrere der Angreifenden; zwei
1 Ueber die Erbfolge im Hause des T aIkön s.- S. 113, über das Amt des Re-
genten S. 121.