
10. S e p tb r .
niedliche und nützliche Sachen auspackten. Der Hausflur und die
Gänge glichen dann während einiger Stunden einem bunten Bazar,
und die ausgebotenen Gegenstände waren so mannichfaltig, so
lockend und wohlfeil, dass jede Neigung Nahrung fand, und die
Kauflust Aller beständig rege blieb. Der Verkehr mit diesen Krämern
war sehr ergötzlich. Viele wurden unsere besonderen Freunde und
schafften, wo sie eine ausgesprochene Liebhaberei merkten, immer
neue und schönere Sachen herbei. Man verständigte sich leicht,
theils durch Zeichen, tlieils durch japanische Worte, die wir bald
lernten, denn die Sprache ist volltönend und wohlklingend, für
das europäische Ohr leicht fasslich, — und auch die Japaner
eigneten sich schnell manch deutsches Wort an. Um zehn Uhr
wurde ■ gemeinschaftlich gefrühstückt und um sechs zu Mittag
gegessen, in der Zwischenzeit ging man seinen Beschäftigungen
nach. Durch die Papierwände war jedes laut gesprochene Wort
hörbar, wir lebten wie in einer Familie; dazu standen die nach der
Veranda führenden Schiebethüren bei schönem Wetter meist offen,
Jeder wusste was bei dem Anderen vorging und die Unterhaltung
wurde leicht allgemein. Dann und wann kamen Gäste von den
anderen Legationen und brachten politische Neuigkeiten und Gerüchte,
oder Zeitungen aus Kuropa -Miian erlebte täglich Neues
und hatte sich viel zu erzählen. Nachmittags wurden gewöhnlich
Exeursionen gemacht,: und war das Wetter zu weiteren Ritten zu
schlecht, so besuchte man die Buch- und Kramläden, die Waffen-,
Bronze- und Lack-Handlungen in der Nähe, um kleine Einkäufe
zu machen, die Landeserzeugnisse kennen zu lernen und Unterhaltungen
mit den Eingeborenen anzuknüpfen. Wenige Europäer
haben Y e d d o so gründlich gesehen; denn da unser Aufenthalt von
vorn herein begrenzt und nur auf kurze Zeit berechnet war, so
suchte Jeder möglichst viel daraus zu machen und die Stadt wurde
nach allen Richtungen durchstöbert. Der persönliche Verkehr mit
den Japanern gestaltete sich, so unbefriedigend auch die geschäftlichen
Beziehungen anfangs zu werden drohten, von Tage zu Tage
erfreulicher und hat gewiss bei Allen die angenehmste Erinnerung
hinterlassen.
Montag den 10. September hatte sich das Wetter ganz
aufgeklärt, und der Gesandte konnte den Herren Harris und
von Bellecourt seine Besuche machen. Ersterer wohnte in den
Nebengebäuden eines etwa zehn Minuten von 4 KAnANE gelegenen
Tempels: man tritt aus der Strasse durch ein stattliches Portal, von
wo eine breite Steinbahn wohl dreihundert. Schritt weit nach
dem etwas höher gelegenen Heiligthum hinanführt. Links von
diesem Aufgange liegt ein kleines Gebäude mit niedlichem Gärtchen,
die Wohnung Heusken’s; rechts neben dem Tempeleingange
das geräumige Flaus des Minister - Residenten. Der von Herrn
von Bellecourt bewohnte Tempel S a k a id z i beherrscht, auf der
Höhe gelegen, eine weite Aussicht über d e n /io lf, ist aber kleiner
als der amerikanische. Die schönste Umgebung hat die englische
Gesandtschaft, deren Bewohner sich zur Zeit auf einem Ausfluge
nach dem F ü s iy am a befanden; sie hegt etwas weiter südöstlich
unter derselben Anhöhe, nah dem Meeresstrande in einer
weiten parkartigen Anlage, welche die Erb - Begräbnisse mehrerer
D a im io - Familien umschliesst. Der Name dieses Tempels ist
T o d z e n d z i .
Nachmittags an demselben Tage erschienen m A k a b a n e
wieder die beiden B u n y o ’s S a k a i und H o r i - O r ib e mit ihrem Aufpasser
und dem Dolmetscher M o r iy a m a . Sie brachten die Nachricht,
dass der Minister des Auswärtigen den Gesandten erst am
15. September empfangen könne, und baten diesen nochmals, doch
sogleich mit ihnen die Verhandlungen zu beginnen, was Graf
Eulenburg aus guten Gründen ablehnte. Er hatte erfahren, dass
die Stellung dieser Herren sie zu gar keiner selbstständigen Entscheidung
befähige, dass sie nur die Werkzeuge des Ministeriums
und ohne allen Einfluss, -dass ihre Ansichten für die Regierung
ohne jede Bedeutung und Wichtigkeit seien. Man wusste genau,
was sie mitzutheilen hatten: eine positive Weigerung,« jetzt mit
Preussen abzuschliessen. Unter diesen Umständen musste es wünschenswert
erscheinen, die ganze Sache bis zur Besprechung
„ mit .dem Minister intact zu lassen, um dann ihm selbst mit Nachdruck
antworten zu können. Graf Eulenburg liess den B u n y o ’s
eine Collation vorsetzen und führte, alles Politische geflissentlich
vermeidend, die Unterhaltung auf unverfängliche Gegenstände; der
corpulente S a k a i , ein munterer Lebemann, thaute bald auf und
that viele neugierige Fragen. Vor Allem interessirten ihn unsere
Aerzte: »die japanischen behandelten ihre Kranken jetzt auch auf
europäische .Weise, und richteten sich dabei vorzüglich nach einem
deutschen Werke«. Nach einigen Fragen kam heraus, dass es