
172 Das Schreiben König Willem’s II.
Der Handel verband alle Länder der Welt, die Abschliessung Japans
und die Stellung der Holländer daselbst war eine Anomalie, ein
Anachronismus geworden. In diesem Gefühl richtete König Willem H
von Holland ein Schreiben an den S io g u n , welches bezweckte, nicht
zunächst eine vortheilhaftere Stellung für die Niederländer zu erringen,
sondern die japanische Regierung mit den in der Welt vorgehenden
Veränderungen vertraut und auf das Gefährliche und
Unhaltbare ihrer Stellung aufmerksam zu machen. Es heisst darin
unter Anderen: »Wir haben dem Laufe der Zeiten eine ernste Aufmerksamkeit
gewidmet: der Verkehr der Völker auf Erden nimmt
mit raschen Schritten zu, eine unwiderstehliche Kraft zieht dieselben
gegenseitig an. Durch die Erfindung von Dampfschiffen werden die
Entfernungen immer geringer; das Volk, das bei dieser allgemeinen
Annäherung sich ausschliessen will, wird mit vielen in Feindschaft
gerathen. Es ist uns bekannt, dass die Gesetze, welche die durchlauchtigen
Vorfahren Ew. Majestät gegeben, den Verkehr mit fremden
Völkern eng beschränken. Doch der Weise sagt: »wenn die Weisheit
auf dem Throne sitzt, dann thut sie sich hervor durch Erhaltung
des Friedens.« Wenn alte Gesetze durch strenge Handhabung
Anlass zu Friedensstörung geben, dann gebietet es die Vernunft,
dieselben zu mildern. Dies, Grossmächtiger Kaiser, ist denn auch
unser freundschaftlicher Rath: mildert die Strenge des Gesetzes gegen
den Verkehr mit Fremden, damit das glückliche Japan nicht durch
Kriege verwüstet werde. Wir geben Ew. Majestät diesen Rath in
der besten Absicht, ganz frei von eigenem Staatsinteresse. Wir
hoffen, dass die Weisheit der japanischen Regierung zur Einsicht
gelangt, dass der Frieden nur durch freundschaftliche Beziehungen
erhalten werden kann, und diese nur allein durch den Handelsverkehr
entstehen können.« — Dann'folgt eine treffende Schilderung
von der Entwickelung des Welthandels und von der Lage der Dinge
in China, »dessen mächtiger Kaiser nach langem fruchtlosen Widerstande
endlich der Uebermacht der europäischen Kriegskunst nachgeben
und in dem darauf erfolgten Friedensvertrage Bedingungen
eingehen musste, durch welche die. alte chinesische Politik eine
bedeutende Abänderung erlitt, und vermöge deren fünf Seehäfen
von China für den Handel der Europäer eröffnet wurden«1’8). —
Die ernste eindringliche Sprache dieses Schreibens; welches die
175) Mitgetheilt von Siebold: Urkundliche Darstellung u. s. w., Wo hoch andere.
Stellen aus dem königlichen Schreiben abgedruckt sind.
Schwache Versuche der westlichen Völker. 1-73
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holländische Fregatte Palembang im Sommer 1844 nach Na n g a s a k i
brachte, scheint das Vertrauen der japanischen Regierung erweckt
zu haben: »Die Schriftzüge des Königs«, heisst es in der Antwort
des S i o g u n , »enthalten treue und aufrichtige Mittheilungen, Worte
tiefen Ernstes und eines Wohlwollens ohne Gleichen. Der Oberherr
von N i p p o n ist innig ergriffen durch die Beweggründe einer solchen
Sprache. Doch was tief in seinem Herzen geschrieben steht, das
wagt er selbst nicht an den Tag zu legen.«
Die niederländische Regierung liess es leider bei diesem einen
Versuch bewenden und that seit 1844 keine weiteren Schritte, um
den S io g u n für Freigebung des Verkehrs zu stimmen. Die Holländer
waren unter allen Nationen die einzigen, welche hinreichende Kennt-
niss und Verständniss der japanischen Zustände hatten, um die
Eröffnung des Landes auf haltbaren Grundlagen anzubahnen, wenn
das überhaupt möglich war; denn ob die Regierung des S io g u n sich
jemals ohne Zwang zu Concessionen entschlossen hätte oder ent-
schliessen gekonnt hätte, ist sehr fraglich. Das gleichzeitige Auftreten
der übrigen Nationen war nur geeignet, den Argwohn der
Japaner zu wecken. Im Jahre 1844 hatte die französische Fregatte
Alcmene den Missionar Pater Fourcade und bald nachher die
Engländer den Prediger Bettelheim auf Gross-LiuKiu ausgesetzt;
man drängte also einem Lande unter japanischer Botmässigkeit
christliche Priester auf, deren Zulassung die Gesetze bei Todesstrafe
untersagten. 1846 erschienen vor U r a g a zwei amerikanische Kriegsschiffe
.unter Befehl des Commodor Biddle, welcher den Auftrag
hatte, Unterhandlungen mit der japanischen Regierung anzuknüpfen,
und mit einem Briefe des Präsidenten an den S io g u n versehen
war. Man liess Niemand von den Schiffen landen, nahm aber das
Schreiben in Empfang, das in Kurzem dahin beantwortet wurde, es
könne kein Handel mit fremden Völkern ausser den Niederländern
gestattet werden. Die Schiffe segelten nach zehntägigem Aufenthalt
unverrichteter Sache ab. Auf ähnliche Weise wurde in demselben
Jahre die dänische Fregatte Galathea abgefertigt. Auch ein französisches
Geschwader erschien 1846 vor der Bucht von N a n g a s a k i : der
Befehlshaber übergab eine Klageschrift wegen vorgeblich schlechter
Behandlung eines französischen Schiffes, stach aber schon nach
zwei Tagen wieder in See, nachdem er Wasser und Lebensmittel
erhalten hatte. Die japanische Antwort ist nicht bekannt geworden. —
Drei Jahre darauf, 1849, lief das amerikanische Kriegsschiff Preble