
und befördern auf See das Singen und im Hafen die theatralischen
Vorstellungen. Wo ein Musikcorps an Bord ist singt die Mannschaft
weniger, da ihrem Bedürfniss von aussen abgeholfen wird; auf der
Thetis aber schallte alle Abend lauter Chorgesang aus der Batterie,
und vier Unterofficiere mit schönen Stimmen übten sich fleissig im
Gesänge vierstimmiger Lieder. Sie brachten es darin zu grösser
Vollkommenheit, und haben sich später häufig am Lande vor dem
Gesandten und seinen Gästen hören lassen müssen.
Der Dienst der Officiere und Cadetten ist sehr anstrengend,
auch s ie haben wenig freie Zeit. Bei schlechtem Wetter und
in der Nähe der Küsten haben der Capitän und der Observations-
officier weder bei Tage noch bei Nacht Ruhe; der erste Officier ist
unablässig mit dem Detail beschäftigt und eigentlich niemals dienstfrei,
und die übrigen Officiere müssen neben dem Wachtdienst
für ihre Divisionen sorgen, exerciren, observiren und rechnen —
zur Controlle des Observatdonsofficiers, — und ihr Journal schreiben.
Die Cadetten haben ebenfalls viel Dienst und bereiten sich
nebenbei unter Leitung der Officiere zum Fähnrich-Examen vor;
die Fähnriche sind am schlimmsten daran: sie gemessen den Rang
aber nicht die Vortheile der Officiere, essen in der Cadettenmesse
und haben keine Kammern für sich. Sie avanciren zu Lieutenants
zur See erst nach einer Anzahl von Jahren Fahrzeit und thun theils
Cadetten-, theils Officiersdienst.
So ist denn am Bord eines Kriegsschiffes Alles in fortwährender
Thätigkeit bis auf die unseligen »Badegäste«; die Beamten
und Aerzte haben wenig zu thun und die Passagiere noch weniger.
Zu geistigen Arbeiten ernster Art sind auf dem Meere nur Wenige
fähig, die Seeluft und die Bewegung des Schiffes scheinen der
Gehirnthätigkeit nicht günstig zu sein; dazu kommt die Unruhe im
Schiffe, die keine Sammlung zulässt, und die Unmöglichkeit sich
zu isoliren. Leichte Lectüre ist ein Haupterfordemiss auf langen
Seereisen; man verschlingt mit Lust die tollsten Romane, die
unglaublichsten Reisebeschreibungen, und freut sich die Zeit zu
betrügen. Die Schiffsbibliotheken liefern — neben wissenschaftlichen
Werken 4^1 reichen Vorrath an derartigen Büchern, denn auch die
Seeleute, vom Admiral bis zum Schiffsjungen, sind arge Bücherwürmer,
und ihre Einbildungskraft vielfach in den Thaten und Schicksalen
merkwürdiger Romanhelden und in wunderbaren Jagd- und
Reiseabentlieuern absorbirt. Diese Erscheinung erklärt sich leicht aus
dem Einerlei des Seelebens; je ärmer die Gegenwart, desto gieriger
ist die Phantasie des Menschen; was ihm in der Wirklichkeit abgeh ,
will seine Einbildungskraft erleben. Der Seemann liest fast unausgesetzt
in seinen wenigen Freistunden; - der Passagier liest, bis
ihm der Kopf schwirrt und jede bequeme Körperstellung erschopl
ist, dann treibt er sich im Schiffe herum, guckt in die See, m die
Ferne, nach den Masten und Segeln, oder sieht den Arbeiten der
Mannschaft zu, und ist dabei überall im Wege; und indem er
sich träumend alle die wunderbaren Einrichtungen an Geschützen,
Masten und Takelwerk, alle die blank geputzten Messingknopfe, . che
niedlich »aufgeschossenen Enden« besieht und ihren Bestimmungen
nachgrübelt, - bedeutet ihn plötzlich.ein höflicher Matrose, dass
hier das Log geworfen oder ein Segel zugeschmtten werden soll.
Oft geht es schlimmer, und wer bei den Segelmanövem nicht aufpasst,
wird von täppischen Schiffsjungen angerannt und in die Taue -
verwickelt, oder sitzt plötzlich im Gedränge eines mächtig arbeitenden*
Menschenknäuels fest, aus dem er nicht wieder heraus kann,— Jedes
und das kleinste äussere Ereigniss weckt das lebhafteste Interesse,
ein Segel in der Ferne, eine Schaar Fische im Wasser, ein Vogel,
der sich auf die Raae setzt. Am besten ist die Stimmung bei
oünstigem Winde; man freut sich vorwärts zu kommen, die Bewegung
des Schiffes ist gleichmässig, der beständige Luftzug erfrischend.
Bei heftigen und widrigen Winden ist die Existenz etwas geräuschvoll
und unruhig, aber es giebt doch immer etwas zu thun und zu sehen:
bald werden Segel gesetzt, bald gekürzt und eingenommen, bald
alle Mann aufgepfiffen um das Schiff über den anderen Bug zu
legen. Diese Manöver sind auf grossen Schiffen sehr interessant,
und erregen jedes Mal die neue Bewunderung des Laien der den
1 Organismus nicht kennt. Aber selbst schlechtes Wetter und Sturm,—
wenn alle Pforten der Batterie geschlossen werden, wenn das
Wasser sich stromweise über das Verdeck und in die unteren Räume
ergiesst, wenn man, ohne sich festzuhalten, keinen sicheren Schritt
gehen kann und das Schiff in allen Fugen kracht, - sind nicht so
schlimm als anhaltende Windstille zwischen den Wendekreisen
Die Segel klappen ermüdend an die Masten, die Taue hangen schlaff
herab ,&auf der weiten Fluth herrscht lautlose Stille' und man hört
im Schiffe jedes kleinste Geräusch. Der wachthabende Officier verwünscht
sein langweiliges Schicksal und die Leute am Ruder starren
gähnend in die blaue Luft. Abspannung und Lethargie bemächtigen