
Anschauungen in das Land, die mit den einheimischen Zuständen unvereinbar
waren. Gewann damals das christliche Element die Oberhand,
so war es um die Eigenthümlichkeit und politische Selbstständigkeit
Japans geschehen. Eines musste weichen. Aber grade zu dieser Zeit
kam nach langen Umwälzungen und inneren Kriegen das Regiment
des Landes wieder in eine kräftige Hand. Der Machthaber hemmte
den Fortschritt der Fremden, und seine Nachfolger verbannten sie
gänzlich aus dem Reiche. Nur durch ein System der vollständigen
Abschliessung nach aussen und der durchgreifenden Beaufsichtigung
aller Verhältnisse und Personen im Inneren konnte sich die Dynastie
des J y e y a s halten; sie gab aber dem Reiche Einheit und Frieden
und sicherte sein Fortbestehen in der angestammten Eigenthümlichkeit.
Ein wesentlicher Bestandtheil dieses merkwürdigen auf der
ungemessenen Scheu und Ehrfurcht des Volkes vor den herrschenden
Ständen gegründeten Systemes besteht in der principiellen Verhüllung
aller Angelegenheiten, Zustände und Ereignisse, welche den Herrscher
und seine Regierung betreffen. Diese Gewohnheit der Verheimlichung
ist den Japanern völlig zur Natur geworden und erstreckt sich nicht
bloss auf wichtige Staatsangelegenheiten, sondern auch auf die unverfänglichsten
geringfügigsten Dinge. Auch jetzt, da Japan sich der
Fremden nicht mehr erwehren kann, lassen sie nicht davon, so
dass es noch heute fast unmöglich ist, sei es von bestehenden Einrichtungen
und den Ereignissen des Tages, sei es von der Vergangenheit
des Reiches, zuverlässige Kunde zu erlangen Das Volk wird
in Unwissenheit erhalten und fürchtet sich auch das mitzutheilen
was ihm bekannt ist, und selbst die niederen Beamten scheinen mit
dem Organismus der Staatsverwaltung nicht vertraut zu sein.
Aus dem Gesagten geht hervor, dass die folgenden Blätter
nicht den Anspruch machen, ein Bild der japanischen Zustände zu
zeichnen. Es soll nur versucht werden eine Uebersiclit der geschichtlichen
Entwickelung des Volkes nach den vorhandenen Quellen zu
geben, den Leser mit dem Terrain bekannt zu machen, auf dem
sich die nachfolgenden Berichte bewegen. Die Litteratur ist ausgedehnt,
zum Theil schwer zugänglich, und für denjenigen, der
nicht durch eigene Anschauung des Landes befähigt ist, eine gewisse
Kritik zu üben, kaum nutzbar.
GEOGRAPHISCHE LAGE UND BESCHAFFENHEIT; MYTHOLOGIE,
GESCHICHTE.
A u f der Karte erscheint Japan wie der stehen gebliebene Ostrand
eines mächtigen in das Meer gesunkenen Kraters; Korea und die
mandschurische Küste bilden die gegenüberliegende Seite; nördlich
schliessen Y e s o und K k a f io den Umkreis. Von der vulcanischen
Beschaffenheit des Landes zeugen thätige und erloschene Krater,
Solfateren, heisse Quellen und häufige Erdbeben.
Die drei grossen Insehr N i p p o n , K iu s iü und S ik o k bilden das
eigentliche Japan. N i p p o n ist die grösste: die Eingeborenen bezeichnen
mit diesem Namen auch das ganze Reich W Der Ausdruck Japan
ist im Lande selbst unbekannt, die Portugiesen haben ihn aus der
chinesischen Benennung T s ip a n g -2) corriimpirt.
Die drei grossen Inseln umschliessen, d u r c h schmale Meeresarme
getrennt, eine Binnensee; darin und rings um die buchtenreichen
Küsten liegen viele kleinere Eilande. Die meisten sind bewohnt und
angebaut, sie stehen in regem Verkehr untereinander und mit dem
Hauptlande, denn ein häufiger Austausch der Erzeugnisse ist Lebensbedingung
für ein volkreiches Land, das alle seine Bedürfnisse selbst
1) N i p p o n bedeutet Aufgang der Sonne. Diese Benennung ist nicht rein japanisch,
sondern die in ältester Zeit mit den chinesischen Schriftzeichen eingeführte Aussprache
der beiden Schriftbilder, durch welche Japan bezeichnet wird. — In der rein
japanischen und in der Dichtersprache heisst das Land H i n o - m o t o , wovon das
Wort N i p p o n die chinesische Uebersetzung in japanischer Aussprache ist. S. v. Siebold
Nippon. I.
2) Marco Polo, der auf seinen Reisen in China von Japan hörte, brachte die erste
Kunde von diesem Lande nach Europa. Er nennt es Zipangu, Simpagu und erzählt
von den unglücklichen Expeditionen des K u b l a i - K h a n , an dessen Hofe er sich aufhielt,
nach Japan. Auf die Berichte des Venetianers fusseud hielt Columbus »Zipaugu«
für das östlichste Land der Erde und glaubte es gefunden zu haben, als er zuerst
die Küste von Cuba erblickte.