
Minute dauert uud als die höchste Gnade angesehen wird, deren
ein Unterthan theilhaft werden kann. Alle, die sie genossen hahen,
sind berechtigt das Wappen des Kaiserhauses auf ihren Kleidern
z u trasen.IS- In früheren Zeiten scheinen die S O io g u n ’s nicht so einsam
gelebt und namentlich die Jagd, welche noch heute ihr Regal
im weiten Umkreise von Y e d d o ist, eifrig geübt zu hahen. Jetzt
verlassen sie selten und nur mit grossem Gefolge den Palast;
Herolde verkünden dann in den Strassen die Näherung des kaiserlichen
Zuges, alle Häuser werden geschlossen, Niemand darf sich
sehen lassen; lautlose Stille herrscht auch im Gefolge des S io g u n .
Schweigen gilt überhaupt in Japan als Zeichen der Ehrerbietung,
jeder Zuruf, jedes laute Wort vor einem Höheren ist Beleidigung — die
japanischen Grossen verlangen eben nur Ehrfurcht, keine Zustimmung.
Die Sitte, vor dem S io g u n die Häuser zu schliessen, ist schon alt:
Caron erzählt, dass, wer den kaiserlichen Zug sehen wollte, in
seiner Hausthüre auf einer Matte niederknieen musste. E Im Laufe
des siebzehnten Jahrhunderts und besonders unter T s u n a - y o s i versank
der Hof von Y e d d o in Verweichlichung und tiefe Sittenlosigkeit.
Y o s i - m u n e stellte die gute Zucht her und brachte die längst versessenen
ritterlichen Uebungen wieder zu Anselm, man übte sich O 0
in der Jagd, im Bogenschiessen, Carousselreiten, Eechten und
Schwimmen; der S io g u n selbst gab das' Beispiel und theilte die
Prämien aus. Seine Zeit wird als die glänzendste und glücklichste
des modernen Japan gerühmt.
Der M ik a d o steht als Göttersprössling mit seinem gesammten
Hofstaat über allen Sterblichen; die gemeinsame Benennung dieser
Bevorzugten ist K u g e , alle anderen Japaner heissen G e g e . Die
G e g e zerfallen in den Adel und das Volk, welche wieder durch
unübersteigliche Schranken von einander geschieden sind. Die
Adligen heissen S a m k a i , Krieger; sie führen ihren Ursprung etwas
mythologisch auf die Leibwache des D s in -M u zurück und vindi-
ciren damit ihren Antheil an der göttlichen Abstammung, auf welche
sie die Rechte ihrer Stellung gründen. Die Spitze dieses Adels
sind der S io g u n und die D aümio’s als Grundherren des ganzen
Landes; der S io g u n ist nur der reichste und mächtigste D a im io ,
welcher im Namen des M ik a d o alle übrigen beherrscht. Von den
68 Landschaften, in welche das. eigentliche Japan (mit Einschluss
von I k i und T s u s - s im a ) zerfallt, gehören ihm fünf, alle übrigen
dem Lehnsadel. Es soll über 600 grössere und kleinere Herrschaften
gehen, von denen einige mehrere Provinzen umfassen. Ob unter
diesen 600 die kaiserlichen Lehen mitbegriffen sind — denn auch
die Provinzen des S io g u n scheinen an Adelsfamilien ausgethan zu
sein — oh die kleineren Besitzer Vasallen, der reicheren D a im io ’s
oder ob sie reichsunmittelhar sind, ist ungewiss. Die Verhältnisse
scheinen sich in den verschiedenen Landestheilen sehr vielgestaltig
entwickelt zu haben113); im Allgemeinen lässt sich aber annehmen,
dass nur die grösseren Besitzer reichsunmittelbare Fürsten sind und
keine Steuern zahlen, die kleineren aber theils ihre, theils kaiserliche
Vasallen, welche einen Zehnten vom Ertrage der Ländereien an
ihre Herren, den S io g u n und die Lehnsfürsten abliefem müssen.
Auch die Reichsunmittelbaren scheinen nicht durchgängig dieselbe
Stellung zu hahen, das Verhältniss einiger Familien zum S io g u n
soll sogar auf besonderen Verträgen beruhen. Specielles weiss man
darüber fast gar nicht.
Alle D a im io ’s sind verpflichtet, nach dem Maasse ihrer Einkünfte
Soldaten zu unterhalten. Caron giebt die Heeresmacht,
welche der Adel zu seiner Zeit stellen musste, auf 868,000 Mann
Fussvolk und 36,800 Reiter an. Ausserdem giebt es ein zahlreiches
kaiserliches Heer. In der That ist jedes Mitglied der Adelsclasse,
jeder Zweischwertige, Soldat, wird mit einem bestimmten Range
in der Armee geboren, muss das Wafienhandwerk lernen und seinem
Lehnsherrn im Jünglingsalter den Eid der Treue leisten, und erhält
von dem Augenblick an seinen bestimmten Sold aus dessen Kasse.
113) Um ein Beispiel von den Besitzverhältnissen zu geben, mögen hier die Angaben
des Herrn von Siebold über einige von ihm bereiste Landschaften stehen.
Die Provinz F id s e n ist unter mehrere Fürsten und »Reichsvasallen« vertheilt.
Der reichste unter den vier Fürsten, — welche sämmtlich der Familie. N a b e - s im a
angehören, ist der Fürst von F id s e n , welcher 357,000 K ok Einkünfte hat und in
S a n g a residirt. Die sechs Reichsvasallen sind aus verschiedenen Familien und haben
10,000 bis 70,000 K ok Einkünfte, alle führen den K a m i - Titel.— In T s ik ü d s e n giebt
es einen regierenden und einen apanagirten, Fürsten. | f | In B u d s e n hat der in
K o k ü r a residirende Fürst 150,000 K ok Einkünfte; ein anderer Prinz aus demselben
Hause ist mit dem Ertrage einer neu angebauten Landstrecke, etwa 10,000 K o k
belehnt. Mehrere Ortschaften an der Grenze von B u n g o sind Domänen des S io g u n .
— In N a k a t s u , im östlichen B u d s e n , hielt damals ein Fürst aus der Familie
S a t s u m a mit 100,000 K ok Einkünften Hof. — Aehnlich mögen die Verhältnisse in
anderen Landestheilen Sein.
Alle Einkünfte werden nach K o k d. i. Säcken Reis berechnet. Ein K o k hält
etwa 100 Pfund Gewicht, und kann nach den jetzigen Preisen zu 4 bis 5 Thaler
Geldwerth gerechnet werden.