
Entnehmen, wahrscheinlich nur Bescheinigungen über das geleistete
Opfer. Eine solche schriftliche Beruhigung des Gewissens hat etwas
überaus practisches; man kann doch niemals in Zweifel über seine
eigene Frömmigkeit gerathen und sich an der Quittung seiner guten
Werke immer wieder freuen.
An der Andacht der Tempelbesucher nehmen die Bonzen
gewöhnlich gar keinen Antheil. Ihre eigenen gottesdienstlichen Verrichtungen
scheinen sich auf das Absingen von Litaneien u. dergl.
zu beschränken, —• wir hatten später in China häufig Gelegenheit
Zeugen solcher Verrichtungen zu sein, die nur in den grösseren
Tempeln und Klöstern zu P e k in g etwas Ehrwürdiges hatten. Meistens
sieht man den plappernden Bonzen die Gleichgültigkeit und Langeweile
am Gesichte an. In einem der Tempel, die wir in Singapore
besuchten, las ein Priester grade seine Gebete; er kniete dabei vor
einem Pult, sang mit näselnder Stimme, und klopfte mit einem Stäbchen
bald links an ein hohles Gefäss, bald, in grösseren Pausen, an
eine Glocke zu seiner Rechten. Eine alte Frau hatte grade ihr
Gebet und Opfer vollendet und befragte nun das Orakel. Sie warf
dabei, allem Anschein nach, die gezogenen Loose so oft auf die
Erde, bis sie in einer gewünschten Lage niederfielen. — In einem
anderen Tempel sassen vier Chinesen schmausend und schwatzend
um einen Tisch; andere rauchten, während mitten unter ihnen ein
ganzes Fass mit Schwärmern abgebrannt wurde. Sie bewillkommten
freundlich die Fremden und luden sie zu ihrem Feste ein: 4. j)er
Eindruck dieser Tempel ist nichts weniger als ernst und heilig; der
Chinese scheint diese Begriffe in unserem Sinne nicht zu kennen,
er geniesst practiseh das Leben und findet sich mit dem Himmel
und seinem Gewissen auf die bequemste Weise ab.
Eines Abends besuchten mehrere der Reisenden das chinesische
Theater. Die dahin führenden Strassen waren gegen zehn Uhr noch
äusserst belebt; grosse farbige Papierlatemen brannten in den Kaufläden
und Colonnaden, und aus vielen Häusern schallte lärmende
Musik. — Das Theater ist ein länglich-viereckiges Gebäude aus
Holz und Bambus; der Eingang liegt in einer der schmalen Seiten,
gegenüber die um einige Fuss erhöhte Bühne. Der Raum dazwischen
ist mit Bänken besetzt, auf denen ein zahlreiches chinesisches Publicum
Platz genommen hatte. Wir zogen es vor, auf die Bühne zu steigen,
um Alles in der Nähe zu sehen; sie nimmt die ganze Breite des
Theaters ein, hat aber wenig Tiefe. Auf den Seiten standen Waldoder
Gartencoulissen; die Mittel-Decoration, einen Festzug darstellend,
hing von der Decke nur bis zur Hälfte der Höhe herab
und liess den Blick in einen halbdunkelen Raum frei, eine Art
Garderobe, wo Toilette gemacht und Rollen überhört wurden. Vor
dieser Oeffnung sass im Grunde der Bühne das Orchester, bestehend
aus einer Clarinette, einer Violine, einem Gong und einer Art Trommel
von Holz. Die Beleuchtung der Bühne wurde durch zahlreiche, an
Gerüsten befestigte Lampen bewirkt, die ein Lampenputzer während
der Vorstellung mit Oel versah; der Zuschauerraum lag im Halbdunkel.
Die in dem Raum hinter der Bühne aufgehängten Costüme
waren sehr prächtig, aus den schwersten Seidenstoffen gefertigt,
strotzend von Gold und Stickerei, besonders reich und kostbar einige
heim- und kronenartige Kopfbedeckungen aus stark vergoldetem
Metall, von schöner Zeichnung und Arbeit; sie schienen zu kostbar,
um für die Bühne gemacht zu sein, und hatten wahrscheinlich einst
der Wirklichkeit gedient. Die Schauspieler machten hier mit grossem
Ernst Toilette; mehrere standen vor kleinen Spiegeln und trans-
formirten sich in grimmige Krieger, d. h. sie malten sich das ganze
Gesicht weiss und zogen dann regelmässige braune und rothe Striche
queerüber von Ohr zu Ohr, wobei ihnen die Reisenden zu ihrer
grossen Satisfaction mit einigen kühnen Pinselstrichen halfen. Ein
Mandarin mit langem Bart und würdiger Miene musste sich hergeben,
um die verschiedenen Kopfbedeckungen aufzuprobiren, und liess es
sich mit grösser Liebenswürdigkeit gefallen. Frauen betreten die
Bühne nicht; um ihre kleinen Füsse nachzuahmen, schnallen sich die
Schauspieler Stelzen an.
Die Darstellungsweise ist durchaus conventionell, affectirt,
künstlich und übertrieben, Vortrag und Gebehrden gradezu fratzenhaft.
Hergebrachte - Bewegungen, hergebrachte Töne bezeichnen
bestimmte Afl'ecte und Stimmungen; nur die Komiker nähern sich
zuweilen einer natürlichen Darstellungsweise. Der Text wird theils
gesungen — im Dialog mit strophenweiser Abwechselung, — theils
recitirt, aber auch dabei kommen alle Register der Stimme vom
höchsten Ealset bis zum tiefsten Gurgelbass, alle Töne und Misstöne,
deren das menschliche Organ fähig ist, in Anwendung. Die
Declamationen werden oft von den Instrumenten begleitet , Kraftstellen
durch wüthendes Pauken auf dem Gong hervorgehoben.
Die Musik zeichnet sich durch den gänzlichsten Mangel an Tact,
Melodie und Harmonie aus und scheint nur den Worten angepasste