
74 Y e d d o Residenz des S i o g u n . Sturz des F i d e - y o r i .
Herrschersinn dem Jy e y a s vollkommen gewachsen; sie sohuf dem
F id e - y o r i im Stillen eine Partliei unter den Grossen, welche seinem
Gegner gefährlich werden konnte.
J y e y a s hielt in der Stadt S u r u n g a , im südwestlichen Winkel
des K u a n t o , Hof. Für seinen Sohn, den S io g u n F i d e - t a d a , hatte er,
statt K a m a k u r a , der alten Hauptstadt der M in a m o t o , das nördlicher
gelegene Y e d d o zur Residenz erwählt. Hier wurden im Jahre 1606
die Ringmauern aus grossen polygonischen Blöcken aufgeführt, die,
von breiten Wassergräben begleitet, das Schloss in ungeheurer
Ausdehnung mit dreifacher Umwallung einschliessen, ein Werk, das
heute noch das Staunen des Reisenden erregt. 300,000 Menschen
sollen nach den Berichten der Missionare daran gearbeitet haben. —
Y e d d o sollte der Mittelpunkt der Streitmacht und der künftige Sitz
der Herrscher werden: F i d e - t a d a umgab sich hier mit einem
glänzenden kriegerischen Hof und auserwähten Truppen, der materiellen
Basis der künftigen Macht seines Hauses, während J y e y a s von
S u r u n g a aus den M ik a d o und sein Mündel F i d e - y o r i beobachtete.
Eine starke Garnison, die oft gewechselt wurde, stand in F u s im i ,
zwischen M ia k o und O s a k a , um beide in Schach zu halten.
Was die Veranlassung zum Ausbruch der Feindseligkeiten
gegeben habe, ob F i d e - y o r i wirklich Miene gemacht, seinen Vormund
anzugreifen, ist ungewiss; dass aber seine Parthei nicht
unthätig, sondern auf Alles vorbereitet war, beweist der kräftige
Widerstand, den J y e y a s und F i d e - t a d a fanden, als sie 1614 O s a k a
überfielen. Sie mussten sich genügen lassen, Frieden zu scliliessen
und nach Y e d d o heimzuziehen, brachen aber von da alsbald wieder
auf, rückten in Eilmärschen gegen O s a k a und griffen die Festung
von neuem-an. Die Belagerten thun einen- Ausfall, schon will sich
nach blutigem Kampfe der Sieg ihnen zuwenden, da stecken Ver-
räther in ihrem Rücken das Schloss in Brand. F id e - y o r i verschwand
in dem Gemetzel: wahrscheinlich ist er gefallen, doch fand man
seinen Leichnam nicht, und lange war die Meinung verbreitet, er lebe
in K iu s iu in der Verborgenheit. Seine Parthei war vernichtet; seine
Mutter soll gefangen nach Y e d d o geführt und dort hingerichtet
worden sein.
O sa k a fiel 1615. Schon im folgenden Jahre starb J y e y a s ,
wahrscheinlich an einer im Entscheidungskampf erhaltenen Wunde..
Die Stellung des J y e y a s in der japanischen Geschichte ist
sehr merkwürdig. Der altberühmten Familie M in a m o t o entsprossen,
Die Stellung des J y e y a s .
die sich ursprünglich aus dem M ik a d o -Geschlecht herleitet und dem
Reiche schon zwei Herrscherdynastieen gegeben hatte, steht er
mit seiner Jugend77) in der Zeit der blutigsten Fehden und sieht
alle Phasen und Uebergänge der politischen Entwickelung von der
tiefsten Zerrüttung und Anarchie bis zum wohlgeordneten Staate
an sich vorübergehen. Er verbündet sich dem N o b u - n a n g a , der
für den S io g u n Y o s i - a k i eiutritt, unterwirft sich ihm, da er die
Herrschaft an sich reisst, und benutzt dessen Gunst, um seine
eigene Macht, die sich ursprünglich nur auf das kleine Fürstenthum
M ik a w a erstreckte, über einen grossen Theil des K u a n t o auszudehnen.
Ohne sich durch hervorragende Thaten ausgezeichnet zu
haben, steht er unter T a ik o - sam a als der bedeutendste und einflussreichste
Mann des Reiches da. Beim Tode des Letzteren fällt
ihm in seinem sechsundfunfzigsten Jahre die oberste Gewalt zu,
nach der er früher nicht gestrebt zn haben scheint. T a ik o - S am a
wusste, dass er allein fähig war, das Reich zusammen zu halten;
wich aber J y e y a s seinen Mitregenten, so verfiel das Land wieder
der tiefsten Zerrüttung.
. Die dynastischen Verhältnisse dieser Periode sind wieder
sehr merkwürdig. In M ia k o hält ein machtloser Erbkaiser Hof, in
O s a k a der als rechtmässiger Erbe der Herrschaft anerkannte Sohn
des T a ik o - sa m a , in S u r u n g a der wirkliche Machthaber M in a m o t o -
n o - J y e y a s , in Y e d d o dessen Sohn und erklärter Erbe, der S io g u n
F id e - t a d a . Um ihn sammelte sein Vater alle Stützen und Bollwerke
der Herrschermacht: sein Hof wird von den Europäern, die'
ihn besuchten, als überaus glänzend und "viel prächtiger als der
des J y e y a s geschildert. — So allgemein die auf seiner göttlichen
Abstammung beruhende Würde des M ik a d o , eben so allgemein war
das Erbrecht dßs F i d e - y o r i auf den Herrschertitel, aber auch die
thatsächliche Macht des J y e y a s als legal anerkannt. Er regierte
das Land als Minister des F i d e - y o r i , wie die Fosio über ein Jahrhundert
lang Japan als Minister der Nachkommen des Y o r i - tom o
unumschränkt beherrschten. Eine ähnliche Stellung hätten vielleicht
J y e y a s und sein Geschlecht den Nachkommen des T a ik o - sam a
gegenüber eingenommen, wenn sich F id e - y o r i mit dem Herrschertitel
und dem Glanze des Hofes begnügt hätte. Dahin deuten alle
Anzeichen. Man begreift sonst nicht, warum der tief blickende
” ) Sein Geburtsjahr 1542 fallt ungefähr mit der ersten Ankunft der Portugiesen
zusammen.