
Modulation von Tönen zu sein, doch müssen die Tonreihen der
Chinesen ganz andere sein, als die dem europäischen Ohre geläufigen,
denn der Fremde kann nur schreiende Dissonanzen heraushören.
Der erste Held oder Liebhaber spielte seine Rolle ziemlich nüchtern,
aber zwei Greise, denen Bärte aus weissen Ziegenhaaren von der
Oberlippe bis auf die Brust herabhingen, plärrten und heulten ganz
unmässig. Die Frauen zeichneten sich durch gezierte Arm- und
Handbewegungen aus und sprachen consequent durch die Fistel.
Den Glanzpunct der Vorstellung bildete eine Schlacht oder tüchtige
Prügelei, wobei die grimmigen Krieger einander wüthend gegen
die Brust sprangen, sich zur Erde warfen und die halsbrechendsten
Caprioien vollführten — Alles zur grossen Genugthuung des Publicums,
das in lautloser Stille zuhörte und die Anwesenheit der Fremden auf
der Bühne auch dann nicht zu missbilligen schien, als sie den Gon<r-
schläger in seinen Verrichtungen zu unterstützen begannen. Sehr
eigentümlich war das Auf- und Abtreten der Schauspieler: auf-
tretend liefen sie, hintereinander trippelnd, erst einmal im Kreise
auf der Bühne umher, und stellten sich dann in einer Linie auf, bis
an Jeden die Reihe kam seinen Spruch zu sagen; abtretend wiederholten
sie denselben Kreislauf und verschwanden dann hinter
dem Orchester, gewiss eine sehr bequeme Art über das stumme
Spiel und die Verlegenheit des Aus- und Eingehens hinwegzukommen.
p l l Im Ganzen machte das grelle Licht, die schrillenden
Stimmen, das Gequieke der Geige und Clarinette und das dröhnende
Schmettern des Gong einen betäubenden Eindruck, und man war
froh, wieder hinauszukommen.
In dem indischen Stadtviertel, wohin wir. vom Theater aus
fuhren, herrschte Todtenstille; die Strassen wie ausgestorben, alle
Häuser dunkel. Glücklicherweise war noch ein »Klingtheater«2)
offen, so nennt man in Singapore die Häuser, in welchen indische
Tänzerinnen ihre Künste zeigen. Man trat durch eine Vorhalle,
wo Hindus und Malabaren an den Wänden kauerten, in einen matt
erleuchteten Raum. Am Boden hocken einige Musikanten mit Saitenspielen,
vor ihnen stehen zwei Tänzerinnen mit langen engen Kleidern
und so kurzen Taillen, wie man zur Zeit Napoleon des Ersten
zu tragen pflegte; Hals und Brust bedeckt, die Aermel knapp anschliessend,
die Haartracht ganz europäisch. Sie begannen auf
2) Die aus Vorder - Indien eingewanderten Hindus und Malabaren werden in
Singapore »Kling«« genannt.
unsere Bitte ihre Production: Musik und Gesang waren sehr trübselig,
mager und eintönig, und der Tanz bestand in einem abwechselnden
Vorschieben und Beugen des rechten und linken Knies,
wobei die Tänzerinnen langsam vorschritten und bald den rechten,
bald den linken Arm emporhoben, wie ein Schulknabe der ein
Gedicht declamirt. Sie machten alle Bewegungen gleichzeitig und
tanzten dicht neben einander, das Gesicht nach dem Grunde des
Gemaches gewendet, wo einige Stufen zu einem kleineren Raum
hinanführten: dort stand, matt beleuchtet, ein Tisch mit künstlichen
Blumen, Muscheln und allerlei Niedlichkeiten. D,en Reisenden wurde
der Eintritt in dieses Gemach nicht gestattet, und zwar, wie ein
französisch radebrechender Inder erklärte, »parce-que cest mon
dieu«. Offenbar war der Tanz eine gottesdienstliche Handlung, ^
dass er aber erhebend gewesen wäre lässt , sich nicht behaupten,
und .reizend war er gewiss nicht, Welchem Stamme die Tänzerinnen
angehörten konnten die Reisenden nicht herausbringen, wohl aber,
dass sie sich mit dem Tanzen Geld verdienten. Den Malabarinnen,
welche sich durch weiche üppige Formen, durch geschmeidige
Glieder und feurige Augen auszeichnen, glichen sie durchaus nicht;
sie hätten weit eher für Malaiinnen gelten können. Die ganze Scene
war über die Maassen trübselig und langweilig, und von der eben
verlassenen im chinesischen Theater grundverschieden. Für den
Europäer ist es gleich räthselhaft, wie man an den grellen fratzenhaften
Uebertreibungen der Chinesen oder an diesen abgemessenen
eckigen Tänzen, an der mystisch trüben, traumhaften Stimmung
solcher Auftritte Behagen und Erholung finden kann. Was würden
freilich Chinesen und Inder wohl zu unseren Ballfesten sagen?
Wir wollten an demselben Abend noch eine Opiumbude besuchen,
fanden sie aber alle geschlossen. Der Verbrauch des
•Opium ist grade in Singapore, wo es wenig Frauen giebt, ungemein
stark und bringt der Regierung grosse Summen ein. Das Verkaufsrecht
war früher an drei Chinesen verpachtet gewesen, welche
20,000 Dollar monatlich dafür zahlten, aber nach Ablauf ihrer
Pachtzeit an eine Gesellschaft von hundert Personen gekommen,
welche 30,000 Dollar gaben3). Die neuen Pächter machten anfangs
schlechte Geschäfte, und merkten bald, dass die früheren
Händler, welche das Privilegium verloren hatten, im Stillen mit dem
Opiumverkaufe fortfuhren. Die Polizei versuchte die heimlichen
3) Diese Angaben klingen unglaublich, rühren aber von competenter Seite her.
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