
zu schlafen vorgiebt. Die Frauen wohnen jede in einem besonderen
Hause, die Abendmalzeit wird bei allen aufgetragen; bei welcher
dann der M i k a d o erscheint, vereinigen sich auch die übrigen zum
Schmause, zu Gesang, Tanz und Saitenspiel. Nach dem Volksglauben
stirbt kein M i k a d o kinderlos; hat er selbst keinen Sohn,
so schenkt ihm der Himmel einen, d. h. er findet unter einem
Baume am Eingang des Palastes ein mit seiner Bewilligung aus
den Agnaten gewähltes Kind. Dies scheint die übliche Form der
Adoption im Hause des M i k a d o z u sein. — Im Palaste sollen viele
Götzenbilder stehen; die Missionare erzählen, dass, wenn ein
Unglück das Land betrifft, die Erbkaiser einen dieser Götzen
beschuldigen und auspeitschen lassen, ihn nachher aber, um von
seinem Zorne nicht Schaden zu leiden, wieder zu Gnaden aufnehmen
und besänftigen. Nach uralter ostasiatischer Anschauung ist der
Herrscher selbst für jedes das Land betreffende Unglück verantwortlich,
wie auch der Urheber allen Segens. Sturm und Sonnenschein,
Fruchtbarkeit und Misswachs, Erdbeben und Feuersbrünste
kommen eben so gut auf seine Rechnung, als Kriegsruhm und Niederlagen,
schlechte und gute Verwaltung. Kämpfer erzählt, dass
in früherer Zeit der M i k a d o mit der Krone auf dem Haupte zum
Wohle des Reiches täglich einige Stunden regungslos auf dem
Throne habe sitzen müssen; rührte er sich nach der einen oder
anderen Seite, so war in dieser Richtung das grösste Unglück zu
befürchten. Später fand man, dass der Zweck viel leichter erreicht
würde, wenn man die Krone allein auf den Thron setzte, bei der
eine unwillkührliche Bewegung nicht leicht zu besorgen war. | j Der
Namen des regierenden M i k a d o wird geheim gehalten so lange er
leht, und es ist bei Todesstrafe verboten ihn auszusprechen; man
bezeichnet seine Person gewöhnlich mit dem Ausdruck D aIr i,
d. h. Palast1 os).
109) Nach seinem Tode erhält jeder Mikado einen Ehrennamen, mit welchem
er in der Geschichte bezeichnet wird. Nach Klaproth (Note zu den Kaiserannalen)
hatten diese Namen in der frühesten Zeit Beziehung auf die Eigenschaften der verstorbenen
Erbkaiser; seit dem sechsundfunfzigsten Mikado aber gab man ihnen .die
Namen der Paläste, welche sie bewohnt hatten. Beim Tode des Mikado wurde
dessen Wohnpalast zerstört und für seinen Nachfolger ein neuer gebaut. Alle
Erbkaiser bis zum einundseehszigsten fuhren den Titel » T e n r o.«, d. h. der E rhabene
vom Himmel. Der einundsechszigste nahm den Titel »In« an, d. h.
Palast; sein Name ist D s u -d s ia k -n o - in , d. h. der Palast des rothen Vogels. Der
Verlässt der M ik a d o sein Schloss, was nur unter dem Verwände
eines Tempelbesuches geschehen darf, so wird er in reich verzierter
Sänfte auf den Schultern getragen, oder in einem mit Ochsen
bespannten Staatswagen gefahren; der Auszug geschieht dann mit
vielem Gepränge. Sein gesammter Hofstaat soll sich von Sprösslingen
seines eigenen Geschlechtes herleiten und mit ihm gleichsam
eine Familie bilden, deren Glieder sich über alle anderen Erdenbewohner
erhaben dünken11”). Die geringsten Beamten dieses
Hofes fordern selbst von den Lehnsfürsten ehrerbietige Begegnung
und haben den Vortritt vor ihnen. Der S io g u n empfängt die Gesandtschaften
des M ik a d o unter Prostationen und lässt sich erst
nachher von ihnen die gleiche Ehre erweisen. Er selbst kommt
nur selten und bei aussergewöhnlichen Gelegenheiten nach M ia k o ,
lässt den M ik a d o aber häufig durch Gesandtschaften begrüssen. Er
bezahlt die Kosten der erbkaiserlichen Hofhaltung, aber die Besoldung
der niederen Beamten soll so gering sein, dass viele sich
durch Korbflechten und andere Handarbeiten ernähren müssen. —
Der M ik a d o ist der Ausfluss aller Ehren und Würden; die Geschenke,
welche besonders bei aussergewöhnlichen Rangverleihungen gegeben
werden müssen, sind so bedeutend, dass die Sioaun’s sich oft dieses
Mittels bedienen, um allzureiche Fürsten einzuschränken.
Während der Blüthezeit ihrer Macht haben also die S io g u n ’s
ganz unumschränkt geherrscht und wahrscheinlich auch die wichtigsten
Staatsangelegenheiten ohne Zuziehung des M ik a d o entschieden.
So ist das Verhältniss in allen älteren Werken über Japan dargestellt.
Höchstens eine formelle Mittheilung der Beschlüsse mag
üblich gewesen sein. Neuere Schriftsteller behaupten, wahrscheinlich
mit Unrecht, die Sanction des M ik a d o sei zu jedem Gesetze, zu
jeder folgereichen Entscheidung erforderlich. Dass er de ju r e ,
zweiundsechszigste M i k a d o wurde wieder T e n - o genannt, weil er der alten S i n t o -
Religion anhing; auch der einundachtzigste führte diesen Titel, weil e r als Kind vor
der Einweihung in die huddistischen Lehren starb.
u0) Caron sagt von ihnen: »— und finden sich mehr als hundert Personen unter
ihnen, die für edler als der Kaiser selbst gehalten werden, und deshalb mit viel
höheren und herrlichem Tituln begabt sind. « E - Nach den Angaben der neuesten
Schriftsteller soll der S i o g u n die vierte Rangstufe im japanischen Staatskalender einnehmen.
— Nach,,Kämpfer und anderen Autoren vermieden die D a im io ’s bei ihren
Hofreisen geflissentlich M i a k o , weil sie bei der Begegnung mit den K u g e -jpiden
Hofleuten des M ik a d o — aus der Sänfte steigen und sich bei der geringsten Verletzung
der hergebrachten Formen oft arge Demüthigungen gefallen lassen müssten.