
dein Leichtsinn und der Haltungslosigkeit Einzelner, meistens aber
wohl aus der Ansicht der Regierung entsprang, dass im diplomatischen
Verkehr alle Vortheile gelten, — war die Hauptquelle der ersten
Verstimmung und der späteren traurigen Verwickelungen. Man
konnte den feierlichsten Versicherungen namentlich der niederen
Beamten nicht trauen: sie scheuten sich oft nicht, ihre positiven
Aussagen im nächsten Augenblick, wo es ihnen Vortheil brachte,
zu widerrufen. Die japanische Regierung hat in vielen Fällen auch
offen und redlich gegen die Fremden gehandelt, aber die Gesandten
wurden durch so vielfache Hintergehungen zu einem c o n s eq u en t en
Misstrauen gradezu gezwungen.
Gleich nach Installirung der Legationen erhielt j e d i eine
Abtheilung zweischwertiger Trabanten, Y a k o ^ in b , welche alle Zugänge
bewachten, die Fremden bei ihren Spaziergängen auf Schritt
und Tritt begleiteten und ihren Verkehr mit den einheimischen Bewohnern
beaufsichtigten. Die Gesandten sahen dies w-ohl nicht
ganz mit Recht nur als eine beleidigende Spionage und Einschränkung
an, obgleich es die Wirkung davon gehabt haben mag. Sie
wehrten sich umsonst dagegen: die japanischen Behörden urgirten
mit gutem Grund, dass eine solche Wache für die Würde und
Sicherheit der Legationen und zur Beaufsichtigung ihrer eigenen
Unterthanen unumgänglich nothwendig sei. Ohne allen Zweifel
trafen sie die s e Einrichtung in guter Absicht, und mit dem aufrichtigen
Wunsche, den Verkehr der Fremden in Y e d d o sich so
friedlich als möglich gestalten zu sehen und jeder Gewaltthat vorzubeugen.
Die Gesandten und ihr Gefolge hatten anfangs keinen
Begriff von dem Terrain auf dem sie sich bewegten und setzten
sich aus Unkenntniss der Verhältnisse vielfach den grössten Gefahren
aus: und wenn auch, wie schon gesagt, die Begleitung der Y a k u n in b
sich bei e rns t l ichen Angriffen unwirksam erwies, so wären doch
ohne s ie die Zusammenstösse mit den fürstlichen Trabanten und
anderen Fanatikern sicherlich viel häufiger und bedenklicher gewesen,
die Stellung der Gesandten in Y e d o o aber nach kurzer Zeit ganz
unhaltbar geworden. Zu g e g rü n d e t en Klagen gab zu Ze i ten
das Benehmen dieser Beamten Anlass, welche — vielleicht auf
Befehl der Regierung, um den Fremden durch Tracasserieen, ohne
Gewaltsamkeit, den Aufenthalt in Japan zu verleiden, f-A mitunter
hindernd zwischen sie und die Landesbewohner traten, die
Preise .vertheuerten, und auf den Strassen den Unarten lärmender
Volkshaufen, denen sie mit einem Wink steuern konnten, zu - ■
we i l en ruhig zusahen.
Bald fanden sich ernstere Ursachen der Unzufriedenheit.
Den Verträgen gemäss sollte vom 1. Juli 1859 an der Hafen von
K a n a g a v a geöffnet sein. Diese Stadt liegt an der Nordseite und
im innersten Winkel einer tiefen Ausbuchtung des Golfes von Y e d d o ,
am T o k a id o , der grossen Heerstrasse welche vom Süden und Osten
des Reiches nach der Hauptstadt führt,. Sei es nun aus Besorgniss
vor Conflicten der Fremden mit dem Gefolge der nach Y e d d o reisenden
Grossen, sei es um sie besser beaufsichtigen zu können —
genug, die Regierung hatte den zu ihrer Ansiedelung designirten
Bezirk nicht in K a n a g a v a , sondern bei dem Fischerdorfe Y o k u h a m a ,
eine halbe Meile weiter östlich am Südufer der Bucht abstecken
und mit einem aus dem Meere gespeisten breiten Canal umgeben
lassen. Eine Hügelreihe und sumpfiges Terrain scheiden diesen
Ort von K a n a g a v a : um die Entfernung abzukürzen baute die Regierung
mit grossen Kosten einen langen Steindamm durch die
Sümpfe. In Y o k u h am a waren am Meeresufer stattliche Bollwerke
und Landungstreppen aus Granit, ein Zollhaus und umfangreiche
Gebäude für die Beamten aufgeführt, weiterhin wuchsen schon
mehrere Strassen empor, wo japanische Kaufleute ihre Waarenlager
eröffheten. Offenbar hatten diese ausgedehnten und kostbaren
Bauten den Zweck, die Niederlassung in Y o k u h am a zur vollendeten
Thatsache zu machen, und die Japaner hatten ganz richtig gerech-
net die fremden Kaufleute kamen ihnen zu Hülfe. Die Vertreter
von Grossbritannien und Amerika, welche hier die Absicht einer
ähnlichen Einsperrung zu sehen glaubten wie die frühere der Holländer
auf D e s im a , erhoben lebhaften Einspruch gegen diese Vertragsverletzung:
jede Person und jeder Waarenballen, der aus oder
nach Y o k u h am a kommt, muss die Wachthäuser auf dem schmalen
Steindamm und die Brücke des einschliessenden Grabens passiren;
die Japaner konnt en den Ab- und Zugang der Personen und die
Ein- und Ausfuhr der Waaren hier nach Belieben controlliren, besteuern
oder gar abschneiden; die im Vertrage stipulirte Freiheit
des Verkehrs wurde illusorisch. K a n a g a v a dagegen ist von der
grössten Verkehrsader des Reiches, dem T o k a id o durchschnitten,
und hier hätte die japanische Behörde die Berührung der Fremden
mit allen Classen der Bevölkerung aus den verschiedensten Theilen des
Reiches niemals hindern können; die westländischen Producte hätten
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