
unter den früheren Verhältnissen nur genau für ihren Lebensunterhalt
ausreichte, ein gewisses äusseres Decorum beobachten müssen,
und jetzt gradezu Mangel litten. Dass dieser Zustand nur ein vorübergehender
sein, dass der fremde Handel mit der Zeit dem Lande
sogar Vortheil bringen würde, konnten die Japaner nicht begreifen;
wie hätten sie auch nach der langen Absperrung wohl Einsicht in
die Verhältnisse des internationalen Verkehrs haben sollen! Die
öffentliche Meinung war wirklich der Aufschliessung des Landes
entgegen. Die fremden Gesandten wollten es nicht glauben und
setzten den dahin gehenden Aeusserungen der Regierung immer die
Behauptung entgegen, dass sie selbst überall und von allen Volks-
classen höflich aufgenommen würden. Der persönliche Verkehr
beweist aber nichts; wird sich das Verhältniss unter gesitteten
Menschen nicht auch in Feindesland immer freundlich gestalten?
Dass es auch Uebelwollende gab, mussten sie vielfach auf ihren
Spazierritten in YEDno und der Umgegend erfahren, wo Mitglieder
der Gesandtschaften nicht selten von Trabanten der D a im io ’s - insultirt
und von lärmenden Volkshaufen belästigt wurden.
Die Ankunft des preussischen Geschwaders konnte also der
japanischen Regierung nicht angenehm sein. Die Arkona hatte kaum
auf der Rhede von Y k d do geankert, als mehrere B um y o ’s des Auswärtigen
Amtes in grösser Bestürzung bei dem amerikanischen
Minister-Residenten erschienen und ihm Vorwürfe machten, »dass
er die Ankunft des preussischen Geschwaders nicht verhindert habe«.
Herr Harris entgegnete, dass dies gar nicht in seiner Macht gestanden
hätte, dass er ausserdem von seiner Regierung angewiesen
sei die Zwecke der preussischen Gesandtschaft mit allen ihm zu
Gebote stehenden Mitteln zu fördern, und ihnen nur rathen könne,
den von der Krone Preussen gewünschten Vertrag abzuschliessen.
Der amerikanische Resident glaubte schon damals, dass einem
Handelstractate mit Preussen a lle in keine unüberwindlichen Hindernisse
im Wege ständen; ein Vertrag mit den Zollvereins- Staaten
und den Hanse-Städten aber schien ihm von vom herein unmöglich,
da die Japaner unfähig sein würden, die handelspolitische Einheit
von Nord-Deutschland zu begreifen. Graf Eulenburg äusserte in
seinem Schreiben an das japanische Ministerinm ausdrücklich, dass
er gekommen sei, einen Vertrag für N o rd - Deutschland abzu-
schliessen; in der darauf erfolgten Antwort war aber gleich nur
von P r e u s s e n die Rede.
Am 14. September gegen Mittag setzte sich der Zug des Ge- 14.
sandten nach dem Palaste des Auswärtigen Ministers A n d o - T s u s -
s im a - so - K ami in Bewegung; die Anordnung war die bei den übrigen
fremden Gesandtschaften übliche. Voran ging die Sänfte eines japanischen
Staatsbeamten, dann folgte die preussische Flagge mit einer
Wache von Seesoldaten, dann Graf Eulenburg selbst in dem grossen
N o r im o n des amerikanischen Gesandten, von acht Japanern getragen.
Neben der Sänfte gingen seine beiden Diener, dahinter wurde sein
Pferd geführt; dann folgten einige Herren in kleineren Sänften und die
übrigen zu Pferde. Zehn Y a k u n in c marschirten zu beiden Seiten des
Zuges und hielten die zahlreichen Zuschauer ab, welche die Fremden
heiter und neugierig begafften. > - Zunächst ging es durch einige
von Krämern und Handwerkern bewohnte sehr belebte Gassen,
dann durch ein vornehmes Stadtviertel, dessen breite Strassen öde
und einförmig sind. Bei der ersten Enceinte des T a ik ü n -Palastes
angelangt überschreitet man auf einer Pfahlbrücke den breiten
Festungsgraben; drüben flankirt ein massiges Thorhaus, wie die
Ringmauer aus grossen polygonischen Blöcken gebaut, das einfache
hölzerne Portal. Innerhalb setzt sich das aristokratische Stadtviertel
fort, man passirt lange einsame Strassen, dann ein zweites dem
ersten ganz ähnliches Festungsthor. Eine dritte Ringmauer um-
schliesst die kaiserliche Burg. Der Wohn-Palast des Anno-Tsus-
s im a - n o - K am i hegt innerhalb der zweiten Enceinte; der Weg dahin
hatte bei schnellem Schritt fast eine Stunde in Anspruch genommen.
Das breite Thor, vor welchem der Zug hielt, öffnet sich auf
einen kleinen Hof; gegenüber liegt der Eingang zum Wohngebäude
des Ministers, wo der Dolmetscher M o r iy am a den Gesandten
erwartete. Im Vorzimmer fand er die beiden ihm bekannten B u n y o ’s
S a r a i - O r i - so - K am i und H o r i - O r ib e - s o - K am i ; alle trugen das
K a m is im o , ein fiügelartig die Schultern bedeckendes Festkleid. Der
Minister und ein ihm assistirender Reichsrath aus der Versammlung
der »Jungen alten Männer« hegrüssten den Grafen stehend und
liessen sich das Gefolge präsentiren, welches dann einer Verabredung
gemäss in die Nebenzimmer verschwand. Nur Herr Heusken
und der Attaché du jour von Bunsen blieben zurück. Sie nahmen
mit Graf Eulenburg auf der einen Seite des Gemaches Platz, ihnen
gegenüber A is d o - T s u s - s im A - tto- K atvii und der assistirende Rath,
ein Mann von etwa dreissig Jahren und feinem, einnehmenden