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artige hohe Cac/HÄ-Stämme zeigten sich demselben , und gaben der Landschaft
einen steifen todten Charaktei^ So zogen wir dahin durch weite
Wiesen, die fern den Horizont begränzen, wo Pferde und Rindvieh in
glühender Mittagssonne, gepeinigt von unzähligen Stechfliegen (^Mutacas^
weiden , und durch niedrige Wäldchen und Ebenen mit kurzem Grase und
vielen Steinen. In diesen Trifften zeigte sich uns zuerst der Specht des
Campo {Picas campestris , der blos den hohen inneren Püicken von
Brasilien bewohnt, aber beynahe die ganze Breite von Süd-Amerika einnimmt,
wie ihn denn AZARA unter den Vögeln von Paraguay zuerst
beschrieben hat. Er lebt besonders von Termiten und Ameisen, welche
in diesen Ebenen unendlich häufig sind. Man findet hier in Wäldern und
Trifften grofse kegelförmige Hügel von gelbem Letten, welche oft fünf bis
sechs Fufs hoch, und von Termiten erbaut sind; in den offenen Gegenden
oder dem Campo haben sie gewöhnlich eine mehr abgeflächte Gestalt
Aehnliche Nester von rimdlicher Form und schwarzbrauner Farbe hängen an
den dicken Aesten der Bäume, und ein jeder der Cac/ws-Stämme trägt eines
oder mehref-e derselben. Auf diesen pflegt der genannte Specht zu sitzen
und zubacken; er wird dieser Gegend sehr nützlich durch die Vertilgung
dieser schädlichen Insekten, welche in Brasilien die Hauptfeinde des Landbaues
sind. Während diese gefräfsigen Thiere ihre Gänge unter und über
der Erde anlegen, während sie dieselben von Erde selbst an den Wänden
der menschlichen Wohnungen anbringen, werden sie an allen diesen Orten
von zahlreichen Feinden verfolgt. So rächen die Ameisenbären (Myrmecophagci)^
die Spechte, die Arten der Myotheren und viele andere Thiere
den Pflanzer, dessen ganzer Gewinn öfters' von diesen kleinen verheerenden
Feinden verzehrt wird. Hier in den Trifften des Sertam und in den grofsen
Campos Geraes des inneren Brasiliens verursachen sie indessen nicht so
(*) Ticus campestris, le Charpentier des champs, AZABA voyage etc. T. IV. pag. 9.
(**) Hierüber siehe v. ESCHWEGE Journal von Brasilion Heft II. S. 109.
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grofsen Schaden, als in mehr bebauten Gegenden, indem der Hauptgewinn
der Einwohner auf Viehzucht beruht. Mehr zu befürchten sind hier anhaltende
Dürre und Regenmangel, welche jetzt schon während drey auf einander
folgenden Jahren grofsen Schaden verursacht hatten.
Gegen Abend erreichte ich bey einem heftigen Gewitterregen die Fazenda
zu Vareda^ wo die T^acfueiros eben mit dem Melken der in den
Coral eingetriebenen Kühe beschäftigt waren. Ein Theil der Kühe nämlich
wird Abends von der Weide zurück getrieben; dann läfst man die
Kälber trinken, welche während des ganzen Tages angebunden in einem
kleinen Zwinger gelegen haben. Dies ist eine Unvollkommenheit der Viehwirthschaft
im Sertam von Bahia^ welche in Minas nicht statt finden soll ;
da treibt man die Kühe allein aus und die Kälber von ihnen getrennt auf
einen anderen Weideplatz, am Abend aber versammelt man die ganze Heerde
bey dem Coral. Die wilde Viehzucht im Sertam steht noch in anderen
Hinsichten hinter der in Minas zurück. Dort ist zum Beyspiel das Vieh
zahm, und die Fazendas sind mit Gräben und Zäunen umgeben, man
braucht daher nur der Kuh das Laço (Schlinge) um die Hörner zu werfen,
um sie zu fangen ; hier dagegen sprengt man sie zu Pferd durch Wiese
und Wa l d , und mufs sich oft durch eine Stange ( /^ara) vor ihr schützen.
In Minas ist das Vieh gröfser und giebt mehr Milch, daher auch mehr
Käse zum Verkauf; Kälber schlachtet man dort nie, daher setzt man, um
den Käse zu scheiden, nicht Kälberlab sondern das Lab des Anta {Tapiras')
des Talà Canastra (Tatou géant, AZARA), der Rehe oder Schweine hinzu.
Damit die Race des Viehes nicht ausarte, nimmt man in Minas den Stier
stets von einer anderen Fazenda^ dort läfst man die Kuh auch erst im
vierten Jahre tragbar werden. Butter versteht man in Brasilien nicht zu
bereiten; sie würde aber auch wegen der Hitze nicht haltbar seyn, und
das Einsalzen wh-de sie bey den hohen Preisen des Salzes viel zu kostbar
machen. Diese bekannten Regeln der Viehzucht werden hier im SerLani
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