i6 E i n i g e Worte über die Botocuden
Das Thierreich gewährt in diesen weiten Strichen aneinander hängender
Urwaldungen dem Wilden eine reiche Quelle von Nahrungsmitteln,
und die Natur schuf auch im Reiche der Gewächse eine Menge der leckersten
Speisen für ihre rohen Gaumen. Für alle ihre Bedürfnisse ist dadurch
gesorgt, um so mehr, da sie die Sorge für den kommenden Tag nicht
kennen. Sie können im Nothfalle lange hungern, aber auch dann wieder
unmäfsig essen. Bringt ihnen der Zufall ein grofses Thier in die Hände,
so haben alle gleichen Antheil daran, und in kurzer Zeit ist der ansehnliche
Vorrath aufgezehrt. Man hat oft gesehen, dafs sie bey unmäfsiger
Ueberladung des Magens sich wechselsweise den Bauch traten (-). Mäfsigkeit
ist ihnen ganz fremd, daher sind ihnen Branntwein und alle starke
Getränke so gefährlich. Da sie selbst im nüchternen Zustande ihre Leidenschaften
nicht zu zügeln \vissen, so entstehen im Rausche nur zu leicht
blutige Händel unter ihnen. In ihi^er Hauptbeschäftigung, der Jagd, sind
sie sehr gewandt und geübt, sie beschleichen die Thiere mit einer erstaunlichen
Sicherheit, wobey ihnen ihre äufserst feinen Sinne vortrefflich zu
statten kommen. Sie kennen alle Fährten, und wissen ihnen sicher zu
folgen, selbst da wo imsere Augen nichts mehr sahen; dabey verstehen
sie alle Lockstimmen täuschend nachzuahmen. Ihr abgehärteter Körper
hilft ihnen jedes Ungemach, die Hitze des Tages, wie die kühle Feuchtigkeit
der Nacht leicht ertragen. Müssen sie im Walde ohne Hütten schlafen
, welches sehr oft vorkommt, so unterhalten sie ein starkes Feuer:
sie lassen dasselbe indessen selbst in ihren Hütten während der Nacht nie
ausgehen. Wenn Moskiten ihre nackten Körper quälen, welches oft der
Fall ist, so schlagen sie dieselben mit lautem Geräusche todt. Es ist,
nebenher gesagt, auffallend, dafs die Fremden von jenen blutdürstigen
Insekten weit mehr geplagt werden, als die Eingebornen. Manche Schrift-
(*) Dieses Mittel pilegen mehrere rohe Völker anzuwenden, zum Beyspiel die Arowacken
in Guiana, wie Qu AH DT erzählt p. 198.
E i n i g e Worte über die Botocuden 2 7
steller haben behauptet, dafs das Anstreichen des Körpers mit gewissen
Oelen und färbenden Substanzen ein Mittel sey, die Haut vor den Angriffen
der Stechfliegen zu sichern, auch ist es einleuchtend, dafs es manche,
den Insekten unangenehme Stoffe in jenen Ländern geben müsse, dennoch
aber scheinen die Botocuden diese Erfahrung nicht gemacht zu haben, da
sie gewöhnlich mit unbemahltem Körper einhergehen.
An Wasser fehlt es den Wilden auf ihren Jagdzügen nicht leicht;
denn aufser den überall in jenen felsigen und bergigen Wäldern rauschenden
kleinen Bächen, giebt es hier eine Menge Pflanzen mit erfrischendem
Safte , zum Beyspiel das Taquarussa. Wenn man von diesem die jüngeren
Stämme abhaut, so findet man in den Gliedern eine grofse Menge
kühles, etwas fade süfslich schmeckendes Wasser, wie schon weiter oben
gesagt worden ist; eben so zwischen den steifen Blättern der Bromelia-
Stauden.
Die W^ilden schwimmen mit grofser Gewandtheit, selbst schon kleine
Kinder beyderley Geschlechts. Auf Bäume, selbst die höchsten, klettern
sie mit Leichtigkeit; die Paris binden zu diesem Endzwecke die beyden
Füfse mit einer Qipö zusammen, die Botocuden aber nicht. Zur Jagd
ziehen sie theils einzeln, theils truppweise aus; ihre Anführer sind auch
gewöhnlich die besten Bogenschützen und Jäger, weswegen sie in Ansehen
stehen. Um mit dem Bogen schiefsen zu können, trägt der Botocude beständig
das linke Handgelenk mit einer Schnur umwickelt, damit er von
der Bogensehne beym Losschnellen nicht verwundet werde; die Puris
haben diesen Gebrauch nicht. An der Stelle der ehemals am Handgelenke
getragenen EmbiraSc\\imv ^ sieht man jetzt bey den Botocuden gewöhnlich
eine Angelschnur, welche ihnen also zu doppeltem Gebrauche, zur
Jagd und zur Fischerey dient. Die Angelhaken erhalten sie durch Tausch
von den Portugiesen.
Grofse Jagdlhiere, etwa ein Rudel wilder Schweine {Dicotyles labia