Iii " 1 6 4 A u f e n t h a l t zu Vareda und Reise bis Minas Geraes
Es befinden sich zu Barra da T^areda auch immer einige Familien von
Camacan-lndievn ^ welche gegen Bezahlung arbeiten, besonders nach Holz
oder der Jagd wegen in die Wälder gesandt und auch zum Niederhauen
der Waldungen benutzt werden. Aus den Pflanzungen des Grundherrn
pflegen sie zu benutzen was ihnen beliebt, und Herr CapUam FERREIRA
war zu gutherzig, um es ihnen zu verbieten. Sie gehen mit einigen Kleidungsstücken,
besonders mit Hemden bedeckt, und einige Weiber trugen
Schürzen von baumwollenen Schnüren. Die meisten von ihnen waren
getauft, und einige hatten auf die Stirne ein rothes Kreuz mit Uruca gemahlt,
die Weiber zwischen den Brüsten schwarze Linien in Halbkreisen,
so wie andei^e ähnliche Striche am Körper und im Gesichte. Die rothe
Farbe bereiten sie in länglichen Stücken, gleich den Tafeln der chinesischen
Tusche, indem sie die rothe Haut von den Kernen des Uracä in
diese Form zusammendrücken. Ich fand unter diesen Indiern einen alten
Mann, der zwar etwas graue Haare, aber einen starken robusten Körper
hatte, die Sprache der Portugiesen verstand und mit denselben lebte. Er
hatte vor Zeiten einen seiner Landsleute erschossen, der bey Aufsuchung
der Camacans in den Wäldern den Portugiesen gedient hatte, als diese
von dem unseligen Eifer, die Wilden mit Feuer und Schwert zur Annahme
des Christenthums und zur Taufe zu zwingen, getrieben, bewaffnete Partheyen
in das innere der Wälder eindringen liefsen. Ein solcher bewaffneter
Haufe nahm damals, geführt von einem zu ihnen übergegangenen
Wilden den Weg in diese Gegend. Die Camacans entflohen nach allen
Richtungen, der erwähnte alte Mann aber, der sich unter ihnen befand,
folgte den zurückkehrenden Portugiesen unbemerkt in einiger Entfernung
mehrere Tagereisen weit nach, bis es ihm gelang seinem verrätherischen
Landsmann einen Pfeil durch die Brust zu schiefsen. Der brasilianische
T E L I . spieste alsdann den Todten mit mehreren Pfeilen an die Erde an,
und ist noch jetzt stolz auf diese Heldenthat.
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Herr Capitam FERREIRA CAMPOS hatte mich mit meiner zahlreichen
Tropa auf die gastfreundschaftlichste Weise aufgenommen, und auf das
uneigennützigste mit Lebensmitteln, mit vortrefflicher Milch, einem für uns
bis jetzt seltenen Labsale, und mit einer grofsen Quantität Mais für unsere
Thiere versorgt. Es gewährte ihm ein besonderes Vergnügen mir seine
schönen ausgedehnten Pflanzungen zu zeigen, in welchen ich indessen den
Reis und Mais durch Mangel an Regen etwas zurückgeblieben fand. Uebrigens
waren die hier aufgehäuften Vor räthe von Mais und Baumwolle sehr
beträchthch; es lagen unter andern 91 Arroben Baumwolle in grofsen viereckigen
Säcken von roher Ochsenhaut eingenäht, schon zur Versendung nach
ßahia bereit. Ochsenhäute, welche im Sertam so gemein sind, gehören
hier zu den nöthigsten Bedürfnissen; man schneidet sie in Riemen, macht
Stricke und Halftern daraus, und braucht sie auch um die Ladung der
Lastthiere damit zu bedecken. Das Vieh giebt hier sehr grofse Häute, da
es selbst grofs und fleischig ist; man kauft eine vorzügliche Haut etwa für
3 bis k Gulden. Nur selten und blos zur eigenen Consumtion schlachtet
man das Rindvieh, man sendet vielmehr zahlreiche (Ochsenheerden)
unter der Leitung einiger berittenen J^aqaeiros zum Verkauf nach
Bahia. Ein starker Ochse wird hier zu 7 0 0 0 Reis (1/3 Carolin) verkauft,
in Bahia aber besser bezahlt. Benachbarte Gutsbesitzer pflegen ihr Vieh
gemeinschaftlich zu versenden.
Theils um mich über die Viehzucht dieser Gegenden näher zu unterrichten,
theils um die naturhistorischen Merkwürdigkeiten in diesen höheren
Gegenden, die mit der inneren Capitania von Minas Geraes vieles gemein
haben, kennen zu lernen, verw^eilte ich hier einige Zeit. Unter den Säugthieren
fand ich eine noch nicht beschriebene Art von Cavia, MocoQ'^
genannt, ein kleines Thier von der Gröfse eines Kaninchens, w^elches in
(*) Cavia rupestris, eine Thierart, von der ich in der Isis, Jahrgang 1820 Heft I. eine
kurze Nachricht gegeben habe.
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