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1 1 2 Reise von Villa dos Ilheos nach S. Pedro d'Alcantara
(die Hundebank oder den Hiindefelsen) nennt; von hier aus pflegen die
Bewohner eine andere Picade längs des Flufsufers einzuschlagen; da diese
aber für beladene Thiere ungangbar ist, so sah ich mich genöthigt der
Strafse zu folgen, die von hier aus ganz besonders unwegsam war. Man
hat ihr etwas mehr Breite gegeben, als der zu Macuri^ allein umgesunkene,
zersplitterte Stämme, Dornen, Gesträuch und junge Bäume, alle
vom häufigen Regen durchnäfst, versperrten uns unaufliörlich den Weg.
An einer einsamen, von Dickung umgebenen wildverwachsenen Stelle,
fanden wir das völlig frische Lager einer grofsen Unze, welche kurz zuvor
hier geruhet und das Laub und Gras nach ihrer eigenthümlichen Art, vorher
hinweggescharrt hatte. In dem dichten Geflechte und dem dunkeln
Schatten dieses Waldes blüheten schöne Gewächse, und die majestätischen
Stämme breiteten ihre Riesenkronen aus; unter ihnen fand man auf dem
Boden die abgefallenen grofsen Blumen einer prachtvoll scharlachrothen
Passionsblume {Passißorct), welche die Erde an vielen Stellen völlig überdeckten
und rötheten. Der Stamm dieses schönen Gewächses verflocht in
dem höchsten Gipfel jener Waldcolosse die dicht belaubte Krone zu einem
Knäuel. Schöne Arten der prachtvollen Familie der Bignonien schmückten
den W e g unserer Waldreise; rosenroth, weifs, lila, violet, von allen
Abstufungen lagen sie unter ihren Stämmen auf dem Boden, und wie
völlig in die reinste hochgelbe Farbe getaucht prangten die Stämme des
zähen festen Pao d!Arco^ von welchen, wie früher gesagt worden, die
nördlicher wohnenden Stämme der Urbewohner ihre Bogen verfertigen.
M A K C G R A V hat unter dem Nahmen des Gairapariha oder Urupariba
(p. 118) walirscheinlich diese Art beschrieben und abgebildet. Noch hatte
dieser Baum hier seine Blätter nicht entfaltet, sondern seine Zweige waren
nur mit Blumen überschüttet. Häufig wuchs hier an den Stämmen das
Dracontiam pertasam mit seinen weifsen Blumen, so wie mancherley
Arten von Caladium, welche sämmtlich zur Verschönerung der Pflanzen-
P t e i s e von Villa dos Tlhéos nach S. Pedro d'Alcantara ll3'
weit um uns her nicht wenig beytrugen, während eine leise Bewegung
der Luft sogleich den herrlichen Geruch der Vanille uns herbeyführte.
Dieses angenehme Gewächs ist überall häufig, wird aber höchst selten
aufgesucht und benutzt; mehrere Thierarten, besonders die Mäuse und
Ratten vei^zehren die unreife noch grüne Schoote besonders gierig. Die
zahlreichen Arten der Farrenkräuter überzogen besonders in der alten
Strafse den Boden, und da sie oft 8 bis 10 Fufs hoch waren, so mufsten
wir uns durch ihre dichten Wedel mühsam hindurcharbeiten. Viele sind
klein und suchen den Schatten, andere hingegen sind so stark, dafs sie
einem Reiter zu Pferd Schatten geben könnten; ich mufs deshalb hier
bemerken, dafs in dieser Gegend schon ein Paar starke dornige Arten
dieser Familie gefunden werden, welche man allenfalls zu den baumartigen
Farren rechnen könnte. Von Dornen zerkratzt und zerrissen,
vom Regen durchweicht, und am ganzen Körper durch die von der Hitze
bewirkte beständige Transpiration ermattet, fühlt man sich dennoch zur
Bewunderung jener erhabenen Pflanzenwelt hingerissen! Während ein
lästiger Regen auf uns herabfiel, überraschte uns der laute sonderbare Ruf
eines Raubvogels, welcher uns bis jetzt noch nicht zu Gesicht gekommen
war. Seine Stimme war äufserst durchdringend und schallend, ein kläglicher,
lauter, allmählig herabsinkender Schrey, vor dem einige kurz ausgestofsene
Töne vorher giengen, welche der Stimme einer Eyer legenden
Henne gleichen. Der Vogel selbst war ein schwarzer Wespen-Bussard mit
weifsem Unterleibe , welchen die Landesbewohner Gaviâo do Sertam nennen,
und der von B U F F O N unter dem Nahmen des petit Aigle d'Amérique
{Falco nudicollis, DAUDIN) beschrieben worden ist. Er safs auf den
hohen Gipfeln der Waldbäume und rief beständig seine klagenden Töne
herab. Ich hefs sogleich die Tropa halten; ein Paar Jäger schlichen hinzu,
allein der Regen hatte ihre Gewehre unbrauchbar gemacht, und wir bekamen
diesmal keinen der Vögel , welche übrigens erst abflogen, nachdem
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