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3O2 Sprachproben der Uryölker "von Brasilien
II.
Sprachproben
d e r in diesem Reiseber i c J i l erwähnten
U r v ö l k e r von Brasilien.
D e r Forscher, welcher bemüht ist der Entstehung und früheren Geschichte der
Urvölker des östlichen Brasiliens nachzuspüren, findet, wie schon weiter oben gezeigt
wurde, weder Hieroglyphen noch andere Denkmale, welche seinen Schritten zum
Leitfaden dienen könnten, indem das Geschlecht des Menschen in jenen Urwäldern
sich noch nicht von seinem Urzustände entfernt hat. Es ist also für Untersuchungen
dieser Art kein anderes Hülfsmittel übrig, als die genauere Erforschung imd Vergleichung
der Sprachen, dieser ersten rohen Produkte der menschlichen Vernunft.
Ihre Kenntnifs wird in den unermefslichen Räumen der Vorzeit, mit einem schwachen
Schimmer des Lichtes den schwer zu findenden Pfad erhellen, auf welchem
in neueren Zeiten ausgezeichnete Forscher zu den interessantesten Entdeckungen
fortziischreiten streben. So grofs die Schwierigkeit ist, zu der genauen Kenntnifs
aller der unendlich mannichfaltigen Sprachen und Mundarten zu gelangen , welche
in jenem ausgedehnten Welttheile geredet werden, so belohnend wird dieselbe seyn;
denn allein durch sie wird man auf die- Abstammung und Verwandtschaft der
imgemein mannichfaltig zerästeten und getrennten, zum Theil auf weite Strecken
Landes auseinander verpflanzten Völker schliefsen können. Die völlige Verschiedenheit
oft unmittelbar aneinander gränzender Sprachen ist wirklich ein Gegenstand
des höchsten Interesse für den denkenden Menschen und keiner der übrigen Welttheile
erreicht in dieser Hinsicht Amerika. Man hat in der neuen Welt i5oo bis
2 0 0 0 verschiedene Sprachen und Mundarten gezählt, woriiber SE V E R I N VA T E R
im Mithridates die interessantesten Untersuchungen angestellt hatC"). Nach ihm läfst
sich diese Zahl auf höchstens 5oo festsetzen, von welchen die der nördlichen Hälfte
S i e h e S. VATER im oten Bande 2ter Abiheilung des Miüiriclales S. 5/2 u. f.
Sprachproben der Urvölker von Brasilien 3o3
von Amerika verschieden von den südlichen sind. Nur ein langer Aufenthalt in
diesen Ländern selbst kann zu der genauen Kenntnifs jener Sprachen führen, und
der Pieisende, welcher nur im Durchfluge jene Völkerschaften erblickt, kann höchstens
die Armuth ihrer Mundarten, und ihre gröfsere oder geringere Verwandtschaft
mit einander beobachten. Auch ich kann daher nicht auf das Verdienst Anspruch
machen, bedeutende Beyträge zur Kenntnifs der Grammatik jener Sprachen zu
liefern, sondern mufs mich darauf beschränken einige Wortproben von denselben
mitzutheilen, welche indessen dennoch zu der Beurtheilung ihrer Verwandtschaft
unter einander dienen können.
Die am weitesten verbreitete Sprache in Süd-Amerika scheint die der Tapi-
Stämme zu seyn, oder die Lingoa gerat^ zu welcher auch die der Guaranis
gehört j sie ist schon sehr bekannt und von mehreren Schriftstellern behandelt
worden, auch haben MA R C G R A V E und J E A N DE L E R Y bedeutende Beyträge zu
ihrer Kenntnifs gegeben 5 daher übergehe ich sie hier gänzlich und theile nur Wortproben
der verschiedenen von mir berührten Stämme der Tapuyas mit, in denen
man eine gänzliche Abweichung von den Worten ihrer unmittelbaren Nachbarn und
Feinde finden wird. Der Stamm der Cariri oder Kiriri^ welcher noch heut zu
Tage, aber im civilisirten Zustande, in der Gegend \ox\ ßahia wohnt, zeichnet sich
auch durch eine besondere Sprache aus, von welcher, wie schon gesagt, Pater Luis
V i r r c E N c i o M A M I A N I , ein Jesuit und Missionär in den Dörfern dieses Volks 1699
in Lisboa eine Grammatik herausgegeben hat, deren Wortproben als eine Wiederholung,
dem Leser füglich zu ersparen sind, ob sie gleich auch zu den von mir
besuchten Stämmen gehört. Ungeachtet die Sprachen der Tapuyas unter einander
zum Theil sehr verschieden sind, so findet man dennoch einige Benennimgen und
Worte, welche viele von ihnen mit einander gemein haben, so zum Beyspiel den
Ausdimck für ein höchstes überirdisches Wesen, Tiipdn (die letzte Sylbe lang ausgesprochen)
oder Tupä. —
Um von allen den Stämmen, welche ich besucht habe, einige Wortproben zu
geben, hätte ich dieselben für die Paris, Coroados und Coropos aus Herrn VON
E S C H W E O E Journal von Brasilien Heft I. entlehnen können, da meine Wortverzeichnisse
von diesen drey Stämmen etwas mangelhaft waren 5 jedoch ich halte es für
zweckmäfsiger, meinen Lesern diese Wiederholung zu ersparen.
Die Aussprache der Brasilianer ist sehr verschieden ; zuweilen sprechen sie die
Endungen ihrer Worte auf deutsche, zuweilen auf französische Art, daher habe ich,
um einen richtigen Begrifi' von dem Klange der Wort e zu geben, immer hinzugefügt,
wie sie etvva ausgesprochen werden müssen; aber selbst bey dieser Hülfe wird
man oft den Ton der T^rt/izy^rt^-Kehlen nicht vollkommen nachahmen können. Der
eine Stamm hat Nasentöne, der andere Kehllaute, ein anderer beyde vereint, und