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cuden nicht wahrscheinlich ist. Man scheint ohnehin diesem Volke am
Hio Doçe mehr Gebräuche anzudichten, als es wirklich hat , theils weil
man es hier nur aus der Ferne mit furchtsamen Auge betrachtet, und
daher nur halb kennt; theils weil man in allen Theilen der Erde geneigt
ist, in fremden auffallenden Erscheinungen mehr Wunderbares und Aufserordentliches
zu suchen, als wirklich darin liegt. Man findet in der Art,
wie die Botocuden ihre Todten zur Erde bestatten, eine grofse Uebereinstimmung
mit der bey den Tupinambas und den verwandten Küstenstämmen
üblichen; auch sie erbauten eine kleine Hütte von Palmblättern
über die Grube, setzten aber den Körper in aufrechter Stellung hinein
und banden ihm Hände imd Füfse zusammen, wie wir bey L e r y ( ' ' 9 lesen.
Herr W A L C K E N A E R sagt sehr richtig in seiner Uebersetzung der
Reisen von Az ARA, dafs alle Völker unserer Erde gewisse religiöse Ideen
haben. A Z A R A hat unstreitig auch in diesem Punkte geirrt, da er den
Charmas alle Spur von Religion, Musik, Tanz u. s. w. absprichtf'"'^,
und von den Guaycurus bestätigt VON E S C H W E G E gewisse religiöse
Ideen Selbst die rohen Botocuden haben eine Menge abenteuerliche
Vorstellungen von bösen Geistern, deren genaue Kenntnifs man nur durch
vollkommene Bekanntschaft mit der Sprache dieses Volkes erlangen wird.
Sie fürchten schwarze böse Geister oder Teufel, die sie Janchon nennen;
viele sind grof s : Janchon gipakeiu^ viele klein: Janchon cudgi. Wenn
der grofse Teufel erscheint und ihre Hütten durcheilt, so müssen alle, die
ihn erblicken, sterben; lange aufhalten soll er sich nicht; jedoch, sagen
s ie, sterben nach seinem Besuche oft mehrere Menschen. E r kommt ,
setzt sich ans Feuer , schläft ein und geht dann wieder fort ; findet er
auf den Gräbern kein Feue r , so gräbt er die Todten aus. Oft ergreift
( * ) LEBY Yoyage à la terre du Brésil etc. pag. 3o2.
( * * ) AZARA Vo y a g e s etc. Vol . II. pa g . \l\.
( * * * ) V. ESCIIWKGE Journal von Brasilien Heft II- S. 265.
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er auch ein Stück Holz und schlägt damit die Hunde todt. Auch die
Kinder, die ausgeschickt werden, um Wa s s e r zu holen, soll er zuweilen
tödten; sie sagen, man finde alsdann das Wa s s e r rund umher verschüttet.
Man kann diese Teufel mit dem Aygnan oder Anhanga der Tupinambas
für gleichbedeutend halten. Aus Furcht vor ihnen, übernachten die Wilden
nicht gern allein im Wa l d e , sondern gehen immer lieber in Gesellschaft.
Der Mond {Tara) scheint unter allen Himmelskörpern bey den
Botocuden im gröfsten Ansehen zu stehen; denn sie leiten von demselben
die meisten Naturerscheinungen her. Seinen Nahmen findet man in vielen
Benennungen der Himmelserscheinungen wieder, so heifst die Sonne Tarudipö^
àevBonxxQT Tarudecumon^^ der Blitz Tarutemeräng, der Wind
Taracuhà, die Nacht Taratatü u. s. w. Der Mond verursacht nach ihrer
Idee Donner und Bl i t z ; er soll zuweilen auf die Erde herabfallen, wodurch
alsdann sehr viele Menschen umkommen. Sie schreiben ihm ebenfalls
das Mifsrathen gewisser Nahrungsmittel, gewisser Früchte u. s. w. zu,
und haben dabey mancherley abergläubische Zeichen und Ideen.
Auch von einer grofsen Ueberschwemmung sollen sie, wie die meisten
Völker der Erde , eine Tradition haben. Wi r finden bey V A S C O N -
c E L LOs ( - ) Nachrichten über die Meinungen, welche die Küsten-Indier
der Lingoa geral ül^er diesen Gegenstand hatten. Nach ihnen wa r die
einzige Familie, die des alten weisen Mannes Tamandaare von Tapd ,
dem höchsten We s en, angewiesen worden, auf Palmbäume zu steigen
und dort die Ueberschwemmung, in welcher das Menschengeschlecht
untergieng, abzuwarten. Nachher stiegen sie herab und bevölkerten die
Erde wieder. Die religiösen Ideen der Botocuden sind indessen nicht viel
abgeschmackter, als die der gemeinen rohen portugiesischen Ansiedler in
Brasilien; denn auch diese, so wie die gezähmten Küsten-Indier, glauben
einen Waldgei s t , den sie Caypora nennen, und von dem sie sagen, dafs
( * ) SIJVIAM DE VASCONCELLOS Noticias curiosas do Brasil, pag. 52.