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Flügen in die Lüfte sich aufschwingenden, und von einer JLagoa der andern
zueilenden Löffelreiber (P/aiaZea Ajaia^ LINN.). Alle diese scheuen wilden
Vogelarten erheben sich sogleich bey dem Anblicke der Menschen, fallen
aber bald wieder zwischen dem grasenden Plindviehe und den Pferden ein,
da der hier häufig umher reitende T^aqueiro sie wohl oft stört, aber nicht
mit der Flinte beunruhigt. Pferde und Ochsen scheuen diese zahlreichen
Bewohner der Sümpfe und Trifften nicht, sie grasen in brüderlicher Eintracht
mit ihnen, und fliehen nur den Menschen, der überall in der Natur
als der ärgste Tyrann erscheint, um ihren Frieden und ihre Harmonie zu
stören.
Abwechselnd durch Wiesen und Streifen von Gebüschen hinziehend,
findet man nun die Gegend immer offener und ebener. Die weiten ebenen
Trifften des erhöhten Rückens, auf dem wir uns jetzt befanden, waren
von der Mittagssonne erhitzt, deren Strahlen von vielen Steinen zurückgeworfen
um so heftiger brannten. Gegen Abend erreichten wir ein
altes verfallenes Haus, Anjicos genannt, welches im Gebüsche unweit
einer Lagoa erbaut war. Hier hatte ehemals CA/?ZIA/N F E R R E I R A , der
Eigenthümer dieser Viehtriiften gewohnt. Diese Gegend ist bekannt als
muthmafslich die letzte oder östliche nach der Küste hinab, in welcher die
Klapperschlange, Cobra Cdscaoella der Portugiesen [Crotalas hórridas
LINN.) vorzukommen pflegt. Von dem Geschlecht der Klapperschlangen,
weiches Amerika, und ganz besonders der nördlichen Hälfte dieses Continents
angehört, kannte man in Süd-Amerika nur einen Repräsentanten,
bis Herr VON H U M B O L D T uns noch zwey neue Arten desselben(=•=) kennen
lehrte. Von hier nach Minas Geraés und in das innere Brasilien wird der
Schauerklapperer immer häufiger; man findet ihn oft von beträchtlicher
Gröfse, und am häufigsten in den Catingas oder niederen Gebüschen und
(*) Crotalus Loeßingii und Crotalus cumancnsis ; siehe v. HUMBOLDT Abhandlungen aus
der Zoologie und vergleichenden Anatomie T. II, pag. 1.
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in den steinigen Gesträuchen der Trifften. Hier verläfst dieses träge Thier
Tage lang sein Lager nicht, und sucht gern den einmal gewählten Standort
wieder auf. So hat man gesehen, dafs bey einer gewissen Stelle täglich
einige Stücke Vieh von einer Heerde gebissen wurden , und an den
Folgen des Bisses starben; man vNOirde aufmerksam und untersuchte den
W e g , Avelchen die Heerde genommen hatte, fand gewöhnlich die Schlange
in ruhig aufgerollter Stellung liegen, und tödtete sie mit leichter Mühe.
Die Klapperschlange und der Qurucucü dürften sich in Ansehung ihres
Giftes wohl wenig nachgeben; beyde leben hier, so wie auch die Jihoya
{Boa constrictor^ ^ allein die Sucuriiiba kennt man hier nicht, diese
kommt dagegen in Minas desto häufiger vor, wovon ich mich an sehr
grofsen Häuten überzeugte, welche von dort her gebracht worden waren ('•').
Die Gebüsche von Anjicos ernähren eine Menge verschiedenartiger
Vögel, besonders Perikitten und schwarze Pirole. Das verfallene Haus,
worin wir unser Nachtquartier nahmen, war voll unansehnlicher Abendfalter
{Hesperid)^ die in so grofser Anzahl umherflogen, dafs man sich
vor ihrer Zudringlichkeit nicht retten konnte ; grofse Flederm'äuse waren
ihre Verfolger, und schwirrten ebenfalls um die Köpfe der Menschen
herum.
Von Anjicos erreichte ich nach einem Wege von vier Legoas eine
YiQh-Fazenda des Capitam FERREIRA, welche den Nahmen :treda trägt.
Man findet auf diesem We g e anfangs weite Trifften oder Ebenen mit hohem
jetzt dürrem Grase und kleinen Gesträuchen dazwischen. Hier suchte das
Auge vergebens einen angenehmen erheiternden Ruhepunkt, denn nur grau
und dunkelgrün gefärbte Gebüsche und überall einzeln vertheilte girandol-
(*) Die Boa, deren Herr v. ESCHWEGE im aLeii Heft Seite 276 seines Journals Ton
Brasilien unter dem Nahmen Sacwiü erwähnt, ist ohne Zweifel nicht Boa consirictor, sondern
Boa ^Inacondo, DAOD. — Uebrigens bezeugt auch der Verfasser, dafs man die Gefahr der
Klapperschlange weit übertrieben habe, am a. O. Heft I. Seite i5.
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