i 6 E i n i g e Worte über die Botocuden
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ten, und als dieser es verweigerte, suchte er ihm dasselbe mit Gewalt zu
nehmen. Der Soldat machte eine drohende Bewegung , als ob er den
Wilden stechen wolle, und sogleich schofs dieser ihn nieder. Als eines
Tages mehrere Botocuden axii dem Qn^rte\ Dos ^rcos durch einen Unterofficier
in der Abwesenheit des Oberofficiers beleidigt ^vurden, machten
sie sogleich gemeine Sache und zogen sämmtlich fort, und nur mit vieler
Mühe und vielen guten Worten brachte man sie, um den Frieden mit
ihnen zu erhalten, endlich wieder zurück Um sich bey solchen allgemeinen
Angelegenheiten im Walde zusammen zu rufen, bedienen sie sich eines
kurzen, aus der abgestreiften Schwanzhaut des grofsen Gürtelthiers
sypas Gigas, Cuv.) verfertigten Sprachrohrs, welches sie Kantschung-
Cocann nennen; Figur i auf Tafel i/, habe ich es abbilden lassen.
Behandelt man sie mit Offenheit und Wohlwollen, so zeigen sie sich
öfters ebenfalls sehr gutherzig, ja selbst treu und anhänglich. Eine gute
Behandlung pflegen sie nicht leicht zu vergessen, wie man dies bey unverdorbenen
Naturmenschen gewöhnlich findet. In der Nähe von Cruz
am kleinen Flüfschen 5. Antonio, 7 bis 8 Meilen von Belmonte, lebte eine
Familie, bey welcher ein junger Botocude Zutritt hatte, und stets gut
und freundlich behandelt worden war. Seine Landsleute streiften zuweilen
in feindlicher Absicht in jener Gegend. Eines Tages kam der Wilde in
das Haus gerannt und gab durch ängätliche Zeichen zu verstehen, man
möchte sich retten, denn seine Landsleute seyen im Anzüge. Man achtete
nicht auf diese Warnung ; allein bald erschien in der That ein wilder
Schwärm von Botocuden und ermordete beynahe alle Bewohner des Hauses.
Dennoch ist der Umgang, selbst mit den besten jener Menschen, in
ihren Urwäldern immer gefährlich; denn da weder ein inneres noch ein
äufseres Gesetz sie bindet, so kann oft ein unbedeutender Vorfall sie feindselig
stimmen, und es bleibt daher immer sicherer, ihren Zusammenkünften
auszuweichen. Am Rio Grande de Belmonie sind sie jetzt von den
E i n i g e Worte über die Botocuden
guten Absichten der Portugiesen gegen sie überzeugt; man wagt es dort
mit ihnen in den Wald und selbst auf die Jagd zu gehen, aber doch
findet man dabey noch immer eine gewisse Vorsicht und Behutsamkeit
nöthig.
Trägheit ist ebenfalls ein Hauptzug im Charakter dieser Wilden. Voll
natürlicher Indolenz ruht der Botocude unthätig in seiner Hütte, bis das
Bedürfnifs der Nahrung ihn mahnt, und selbst dann macht er Gebrauch
vom Rechte des Stärkeren, indem er seine Weiber und Kinder die meisten
Arbeiten verrichten läfst. Indessen ist doch ihre Trägheit nicht so
grofs, als die der Gaaranis, wie AZAKA^'O sie uns schildert; denn sie
sind lustig, aufgeräumt und reden gern. Wenn man ihnen etwas Mehl
und einen Schluck Branntwein verspricht, so gehen sie einen ganzen Tag
mit auf die Jagd. Die Frau mufs dem Manne knechtisch gehorchen, und
von seinem rasch aufwallenden Zorne zeugen die häufigen Narben an
dem Körper des Weibes. Was nicht zur Jagd und zum Kriege gehört,
ist alles ihr Geschäft. Sie müssen die Hütten erbauen, Früchte aller Art
zur Nahrung aufsuchen, und auf Reisen sind sie beladen wie Lastthiere.
Diese mannigfaltigen und mühsamen Arbeiten erlauben ihnen nicht, sich
viel um ihre Kinder zu bekümmern. Sind diese noch klein, so tragen
sie sie beständig auf dem Rücken mit sich umher; sind sie schon etwas
gröfser, so bleiben sie sich selbst überlassen, wo sie schnell ihre Kräfte
gebrauchen lernen. Der junge Botocude kriecht im Sande umher, bis er
den kleinen Bogen spannen kann, alsdann fängt er an sich zu üben, und
nun bedarf er zu seiner Ausbildung nichts weiter als die Lehren der
Mutter Natur. Die Liebe zu einem freyen, rohen und ungebundenen
Leben, drückt sich ihm von früher Jugend an tief ein, und dauert sein
ganzes Leben hindurch. Alle jene Wilde, welche man aus ihren mütterlichen
Urwäldern entfernt, und in die Gesellschaft der Europäer gezogen
( * ) AZARA Voyages etc. Vol. II. pag. 60.
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