R e i s e von Conquista nach der Hauptstadt Bahia
Ich hatte die Absicht gehabt in der Gegend von Lage auszuruhen, um
die hiesigen Wälder zu durchstreifen; auch bedurften meine angeg^riffenen
Lastthiere gar sehr der Ruhe, allein kaum war der Tag angebrochen, so
rief man uns auf, um uns zur Abreise nach der Küste anzuschicken. Man
gab uns ein ungeniefsbares Frühstück von Salzfisch und trieb alsdann meine
Lastthiere herbey, welche zum Umfallen ermattet waren, da sie, wie ich
nun erfuhr, gänzlich vergessen und während der ganzen Nacht ohne Futter
angebunden gestanden hatten. Die Reise gieng vor sich. Etwa dreysig
bewaffnete Fveiter und Fufsgänger mit geladenen Gewehren und Pistolen
wurden uns zur Bedeckung mitgegeben und beobachteten strenge den Geringsten
meiner Leute. Den Zug eröffnete ein neu gewählter Commandant;
meine Lastthiere beschlossen denselben. So zogen wir durch angenehm
abwechselnde Waldgegenden und bey einer jeden Fazenda^ die in unserem
Wege lag, kamen die Bewohner herbeygeströmt, zeigten mit Fingern auf
die Verbrecher und riefen beständig den Nahmen Inglezes oder Pernambucanos.
Am Abend hielten wir in einer einsamen Fazenda an, wo man
uns strenge beobachtete, wo übrigens kaum Lebensmittel zu finden waren,
und wo besonders meine ohnehin sehr erschöpften Lastthiere den gröfsten
Mangel litten. Eines meiner Pferde ermattete und mufste zurückgelassen
werden.
Am zweyten Morgen unserer abenteuerlichen Reise brachen wir ebenfalls
frühe auf und trafen nach einem Marsche von einigen Legoas unerwartet
auf ein in Parade aufgestelltes Commando von dreyfsig Milizsoldaten
unter den Befehlen des Capitam DA COSTA FARIA. Jetzt nahm die Sache
in den Augen des Volkes eine ernstere Miene an. Während des Marsches
wurden meine Leute auf alle Art von den Soldaten insultirt; man zeigte
ihnen das geladene Gewehr: „dies ist für dich Engländer! Spitzbube I"
man schlug ihre Pferde u. s. w. Am Abend erreichten wir auf grundlosen
Wegen die Povoagäo von Aldea unweit der Seeküste, welche das Ansehen
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einer l^illa hat. Sie sendet kleine Schiffe mit den Produkten der Gegend
nach Bahia. Noch eine Legoa weiter und wir trafen am Ziele unserer
Wanderung zu Nazareth ein. Unter einem unglaublichen Zulauf und
Gedränge des Volks setzte man uns über den hier durchfliefsenden Jagoaripe^
und versah das Gepäcke mit Wachen, um die bunte Menge einigermafsen
in den Schranken der Ordnung zu erhalten. Ich selbst ward
von dem Capitam vor meinen stolzen Richter, den Herrn Capitam Mor
geführt. Es war schon dunkel, als ich in seinem Hause ankam, und der
erhabene Hausherr war noch nicht sogleich sichtbar. Man erleuchtete
die Zimmer, und rief mich dann wie zu der Audienz eines persischen
Satrapen vor. Ein armer Sünder am Hochgericht kann nicht mit mehr
Neugier betrachtet werden, als ich hier vor dem Puchterstuhl des Capitam
Mor^ der mich kaum eines Anblickes würdigte. Kalt hörte er meine
gerechten Klagen über die ungerechte und unwürdige Behandlung an,
welche ich erfahren hatte; dann fertigte er andere mit mir in eine Cathegorie
gesetzte Verbrecher ab, eine Geduldübung, wobey ich meinen
Aerger und Ingrimm nicht zurück zu halten vermogte. Endlich nach langem
Warten erklärte er mir mit kalter hoher Miene: meine Porlaria^
obgleich günstig, sey nicht hinlänglich, und er werde seinen Bericht sogleich
an den Gouverneur nach Bahia abgehen lassen, einstweilen müsse
ich hier gefangen bleiben. Meine fünf Leute wurden aufgerufen, und
von dem stolzen Handhaber der Justiz gnädig nach Nahmen und Geburtsort
befragt, darauf aber mit mir in den oberen Stock eines grofsen leeren
Hauses eingesperrt und hinter uns die Thüre verschlossen. Zum Glück
war es Nacht als man uns in dieses Gefängnifs fährte, denn der versammelte
Pöbel würde uns vielleicht mit Steinen begrüfst haben.
Herr Capitam DA COSTA FARI A suchte unsere unangenehme Lage
zu erleichtern, so viel es ihm seine Instruction erlaubte, wofür ich ihm
meinen Dank noch aus der Ferne gern öffentlich zu erkennen gebe.
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