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R e i s e von S. Pedr o d'Alcantara durch die Urwälder
Nachdem wir hier am Flusse vier Tage zugebracht hatten, vernahmen
wir am iGten Januar gegen Mittag einen Schufs, und waren sogleich neu
belebt von der Hoffnung, in kurzer Zeit unsere ausgesandten Leute zurückkehren
zu sehen. Bald hörten wir mehrere Schüsse, deren Wiederhall
durch die tiefen Waldungen tönte, und sahen M A N O E L mit zwey Camacan-
Indiern an dem jenseitigen Flufsufer erscheinen ; in der Hand trug er einen
noch lebenden vorzüglich schönen weifsen Falken, von einer mir noch unbekannten
Art. JOSÉ GAETANO und sein Camacan waren nicht mit zurück
gekehrt, sondern hatten der Verabredung gemäfs von AQV idea der Camacans
aus den Pvückweg nach <S. Pedro d''Alcantara angetreten. MANOEI.
berichtete nun, er habe ein sehr kleines, ärmliches Dörfchen jener Wilden,
welche in einem noch sehr rohen Zustande sich befanden, getroffen. Nur
fünf Männer fand er dort, von denen der eine an einer schweren Fufswunde
krank lag. Jene Camacans lebten beynahe einzig und allein von
der Jagd, und pflanzten nur einige wenige Gewächse zu ihrem eigenen
spärlichen Bedarf; daher erhielten wir für unsere Maukhiere leider keinen
Mays. In einigen dieser Rancharias (Dörfer) der Camacans hat man noch
nie einenW^eifsen gesehen. Andere, mehr nach dem Sertam hin gelegene
Aldeas^ pflanzen so viel Baumwolle, Mandiocca und Mays, dafs man bey
ihnen diese Produkte erhalten kann. Die Mongoyós^ wie die Portugiesen
sie nennen, oder die Camacans stehen gröfstentheils auf einer etwas höheren
Stufe der Cultur als ihre Nachbarn, Botocudos wnà Patachos^ sie
pflanzen meistens einige nützliche Gewächse, und haben seit einer langen
Reihe von Jahren mit den europäischen Colonieen in Frieden gelebt. Die
jetzt hier eingetroffenen Männer dieses Stammes waren wohlgebildel, stark
und musculös 5 und giengen völlig nackt, mit Ausnahme der Tacanhoba
(Tacanioba) oder des Futterals von 755ara-Blättern, welches die Männer
nach Art der Botocudos tragen. Ohren und Lippen waren bey ihnen nicht
verunstaltet, ihre Haare lassen einige so lang wachsen, dafs sie bis zu
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den Hüften herabhängen, und ihnen ein wildes Ansehen geben; andere hingegen
schneiden sie im Genicke rund ab, welches man jedoch nur selten
sieht. Ihre Bogen und Pfeile waren ganz besonders nett gearbeitet. Weiter
unten wird mehr von diesem Volke geredet werden. Ich habe die Zusammenkunft
mit diesen Wilden auf der diesem Abschnitt vorangehenden Vignette
abbilden lassen: einer von ihnen hatte mit einem Pfeile einen weifsenFalken
von seinem Neste auf einem der höchsten Bäume hera]>geschossen, in einer
Entfernung, in welcher unsere besten europäischen Flinten nicht immer das
Ziel treffen. Meine Freude, diesen schönen Vogel zu erhalten, war um
so gröfser, als wir denselben zwar früher einigemal in der Luft schwebend
erblickt, seiner aber nie habhaft hatten werden können; er ist uns auch
auf der ganzen Reise nachher nie wieder zu Gesicht gekommen (=•=). Unsere
beyden Wilden gafften die Fremdlinge an ohne ein Wort zu reden, und
setzten sich ans Feuer nieder. Nach einer kurzen Pvuhe sandte ich sie auf
die Jagd aus. Ihre Gewandheit in dieser ihnen gleichsam angebornen Beschäftigung
ist aufserordentlich. Sie kehrten am Abend mit zwey grofsen
schönen Affen [Cebus ccanthosiernos luid einer Jacupemba zurück,
welchen der kräftige Pfeil sämmtlich die Mitte der Brust durchbohrt hatte.
An demselben Tage erlebten -svir gegen Abend noch eine der unterhaltendsten
Jagdscenen, die man sich denken kann. Wir befanden uns sämmtlich
in unsern Hütten auf verschiedene Weise beschäftigt, als nahe vor uns in
dem seichten Flusse eine zahlreiche Bande von Fischottern erschien, welche
unserer Gegenwart unbewufst bis zu dieser Stelle heraufgekommen war.
Da diese sonst scheuen Thiere sich hier in dem seichten Wasser nicht verbei'gen
konnten, so griff alles zu den Waffen. Leider aber waren die
(*) Dies ist ohne Zweifel MAÜDÜYT' S petit Aigle de la Guiane {Falco guianensis^ DADDÌ
N traité clém. et comp, d'ovnitb. T. II. pag. 78).
{**) Dieser Äffe, dessen ich im iten Bande dieses Reiseberichts ei-wahnte. ist nachher in
dem Säugthicr>Ycrkc des lleirn GEOFFROY und Fn. CUVIER unter dem Nahmen dos Sa'i à
grosse téte abgebildet warden.