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i 5 o R e i s e von S. Pedr o d'Alcantara durch die Urwälder
Die Noth wurde immer drückender, aber das alte Sprüchwort „wenn die
Noth am gröfsten, ist die Hülfe am nächsten" wurde auch jetzt bewährt
gefunden, Guaribas {Mycetes ursinus) hatten sich unserm Aufenthalte
genähert, und brüllten plötzlich aus vollen Kräften. Wir alle sprangen von
unsern Sitzen auf, ergriffen die Gewehre und schon nach einer halben
Stunde hatten wir einige grofse Affen erlegt, welche Fleisch für mehrere
Mahlzeiten lieferten 5 zugleich hatte man auch am Flusse einen glücklichen
Fischfang gethan. So vergieng unter naturhistorischer Beschäftigung schnell
die Zeit in dieser Einöde, bis wir endlich am sechsten Tage dieses Aufenthalts
gegen Abend das Rufen und Schlefsen unserer von Beruga zurückkehrenden
Leute frohlockend vernahmen. Sie brachten eine Menge Mays
mit, wovon man den hungrigen Thieren sogleich ein Futter vorzuschütten
eilte, und sich an dem Anblicke labte, den uns die Befriedigung ihres Heifshungers
gewährte.
Ueber den Flufs Catole ^ welcher dem Rio Pardo zufliefst, lagen an
der Stelle wo wir uns gelagert hatten, glücklicher Weise umgefallene
Baumstämme, so dafs sie fast eine Brücke von einem Ufer bis zu dem andern
bildeten. Diese boten uns die einzige Möglichkeit dar, denselben zu
überschreiten, da zweyCanoes, welche der Capitam Mor für die Reisenden
hierhin gestiftet hatte, von den Finthen fortgerissen zu seyn schienen.
Wir entdeckten endlich nach langem Suchen das eine derselben unter den
Stämmen im Sande halb vergraben, aber alle angewandte Mühe meiner
Leute, dasselbe hervorzuziehen, wobey sie bis an die Brust im Wasser
arbeiteten, war vergeblich. Man trug nun unser Gepäck, welches in vielen
schweren Kisten bestand, auf dem Kopfe über die gefährliche schwankende,
von den dünnen umgefallenen Stämmen gebildete Brücke, wobey wir, dieser
Art von Uebergängen ungewohnte Europäer unbeladen uns kaum des
Schwindels enthalten konnten, um so mehr als die von Wasser bespülten
glatten runden Stämme unaufhörlich unter unsern Füfsen schaukelten.
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R e i s e von S. P e d r o d'Alcantara durch die Urwälder 14I
Nach etwa Stunden erreichten wir einen starken hübschen Corrego^
jenseits dessen die Strafse sehr bewachsen und unwegsam ist. Zu einiger
Entschädigung fanden wir aber mancherley naturhistorische Unterhaltung.
Oft sahen wir in der Mitte der Strafse von einem überhängenden Aste an
dem-Faden einer dünnen Schlingpflanze einen Bündel Moos oder fadenartige
Gewächse zu einem etwas pyramidenförmigen Knaul vereinigt herabhängen
, dessen breitere Grundfläche den unteren Theil ausmachte. Diese Bündel
hiengen sehr häufig ganz frey da, und schwankten nahe über unseren
Köpfen, so dafs wir sie mit unseren Hüten zuweilen berührten. Schon war
ich auf diese sonderbaren schwebenden Gegenstände aufmerksam geworden,
als ich aus dem einen derselben einen kleinen Vogel fliegen sah, und
nun erkannte, dafs dies die luftigen Nestchen einer Art von Fliegenfänger
{Muscicapd) waren ('O. Dieser Vogel baut ein sehr merkwürdiges Nest
von Tillandsia und anderen Faden-gebenden Gewächsen mit Moos vermischt,
und hängt dasselbe frey in der Mitte einer offenen Stelle an einem Aste
vermittelst einer zufällig daselbst herabhängenden Schlingpflanze auf; der
kleine Eingang in diese schwebende Burg ist unten an der Basis der Pyramide,
aber es befindet sich vor der Oeffnung ein herabhängender Schirm,
welcher dieselbe beschützt. Die jungen Vögel sitzen in diesen sonderbaren
Wohnungen vortrefflich gegen die Hitze, Nässe und andere Feinde geschützt.
Als wir noch ungefähr eine halbe Legoa von dem Orte entfernt waren,
wo wir unser Nachtquartier zu nehmen gedachten, trafen wir auf
einen alten ^V O^S QW Rancho, eine Hütte mit Baumrinden gedeckt, welche
noch seit jener Zeit hier existirt, wo die Strafse angelegt wurde. Wir
(*) Der kleine Vogel, welchen ich für den Erbauer dieses Nestes halte, ist ein Fliegenfänger,
-welchen ich Muscicapa mastacalis nannte j seine Farbe ist olivengrünlich, und das
Uropygium blafsliraonengelb; die Scheitel federn sind an der Wurzel gelb, an den Spitzen aber
graugrünlich gefärbt, so dafs man bey rulliger Lage derselben erstere Farbe nicht bemerkt^
Schwanz und Flügel sind schwärzlichbraun; die ganze I.änge des Vogels beträgL etwa 4 X 2oll.