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2 5 8 R e i s e von Conquista nach der Hauptstadt Bahía
Sobald man uns in unserem neuen Gefängnisse mit Wasser und Holz versehen
hatte, ward die Thüre verschlossen. Soldaten bewachten das Haus,
und nur einer meiner Leute wurde unter Bedeckung* ausgesandt, um die
nöthigen Lebensmittel für die Arrestanten einzukaufen. Ich brachte auf
diese Art bewacht, drey Tage in meinem Gefängnisse hin, bis von dem
Gouverneur in Bahía die Entscheidung' eintraf, die meine Erlösung bewirkte.
Durch dieses unangenehme Ereignifs verlor ich meine Zeit und büfste
selbst eine Menge interessanter Gegenstände ein, welche verdarben, weil
man bey der Uebereilung \inseres Marsches nicht die gehörige Zeit gab,
nafs gewordene Sachen wieder zu trocknen. Gern hätte ich die Gegend
von Nazareth^ vi^elche mir durch den erzählten Vorfall höchst zuwider
war, sogleich verlassen, wenn nicht der Mangel an Schiffsgelegenheit
ndioYi Bahía noch ganzer acht Tage mich hier aufgehalten, und gewissermafsen
gezwungen hätte, sie näher kennen zu lernen.
Nazareth mit dem Beynahmen das Farinhas ^ ist eine Povoagäo ^
die vollkommen den Nahmen einer P^illa verdient. Sie hat ziemlich regelmäfsige
Strafsen, einige sich auszeichnende Gebäude, und zählt mit den
einzelnen Wohnungen in der Nähe, welche zu diesem Kirchspiel gehören,
sechs bis sieben tausend Seelen. Es befinden sich hier ein Paar
Kirchen, und die nicht unansehnliche Hauptkirche ist nett gebaut. Der
Ort selbst liegt zu beyden Seiten des Flusses Jagoaripe_^ grüne Hügel,
zum Theil mit Pflanzungen bedeckt, geben den Ufern eine lachende Ansicht,
und überall sieht man die edle Cocospalme und die Z>ent/e-Palme
ihre stolzen Gipfel erheben. Nazareth erhält seine Nahrung durch den
Handel mit der Hauptstadt Bahia^ wohin an jedem Sonntage und Montage
eine gewisse Anzahl von Barcos oder Lanchas^ beladen mit den
Produkten der Pflanzungen absegelt. Sie schiffen mit der Ebbe den Jagoaripe
hinab, übersegeln die Bahía de Todos os Sanios und erreichen
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in 24 Stunden die Hauptstadt. Die Produkte der Pflanzungen, welche
man verschifft, bestehen vorzüglich in Farinha, deren man hier jedoch
bey weitem nicht so viel zieht als zu Caranellas und anderen mehr
südlich gelegenen Orten, in Bananen, Gocosnüssen, Mangos und anderen
Früchten, Speck, Branntwein, Zucker u. s. w. Diese Produkte sind hier
natürlich in weit höheren Preisen als an jenen südlichem mehr von der
Hauptstadt entfernten Orten, denn dort bezahlt man die Alqueire Farinha
mit 1% bis 2 Patacken oder Gulden, und hier in der Nähe von Bahia
mit 6 bis 8 Patacken. Man versendet auch besonders mancherley Früchte
nach der Hauptstadt, versteht sie aber hier nicht so gut zu bauen als dort.
Der Cocos - und der Mangobaum {Mangifera indica^ LINN.) erwachsen
am Jagoaripe üppig und zu bedeutender Höhe, geben aber nur kleinere
schlechtere Früchte, statt dafs man \n Bahia dem Baume die Funde
nahe über der Erde abbrennen, und dadurch weit gröfsere Früchte
von aromatischem Geschmacke erhalten soll. Die Frucht des Dendeseiro,
eines schönen hohen afrikanischen Palmbaums , den man hier
anpflanzt, Cocos Dende genannt, benutzt man häufig um daraus ein
Oel zu ziehen, Avelches eine orangengelbe Farbe hat und auch an
Speisen gebraucht wird. Selbst europäische Früchte gerathen zum Theil
recht gut, besonders die Weintrauben und Feigen; die letzteren finden
aber unter den befiederten Luftbewohnern so viele Liebhaber, dafs man
genöthigt i3t die Früchte einzeln in Papier zu wickeln. Aepfel, Birnen,
Kirschen und Pflaumen gerathen zuweilen, allein ein gewisses Insekt soll
gewöhnlich die Bäume früh zerstören.
Ich trennte mich mit leichtem Herzen von Nazareth^ wo ich die
Osterwoche als Gefangener zugebracht hatte, und sah hoffnungsvoll Bahia
entgegen, w^o ich mich nach Europa einzuschiffen gedachte. Wir begannen
die Fahrt den Jagoaripe hinab am Abend eines schönen heiteren
Tages, als die Sonne sich schon dem Horizonte genähert hatte. Die