1 1 0 Reise von Villa dos Ilheos nach S. Pedro d'Alcanlara
mich daher lieber hier zu übernachten, um meinen Leuten zur Hinüberschaffiing
der Tropa Zeit zu geben. Unweit der Piuinen der Brücke fanden
wir einen alten Rancho ^ dessen Dach von Cocosblättern zwar zum Theil
schon verfault war, doch aber noch einen leidlichen Schutz gegen die
Feuchtigkeit der Nacht gewährte. Einige Roste von kurzen Prügeln hatte
man ebenfalls hier bey der Hütte vorgefunden und mein Vortrab von Jägern
hatte wirklich schon für unsere Mahlzeit gesorgt. Sie führten uns zu
ihrem Lagerplatz, wo wir ein wildes Schwein, drey grofse Miriqai-K^^w
und eine Jacutinga auf dem Roste liegen sahen; ein Anblick der die hungrigen
Reisenden ungemein erfreute, die sich nun um das freundliche, hoch
auflodernde Feuer herum lagerten, und bey der Erzählung der erlebten
Abenteuer ausruheten. HiLApao, einer der Jäger, hatte das Schwein geschossen,
und bey einer gewissen Stelle im Walde mit Zweigen bedeckt liegen
lassen, um es am folgenden Morgen abzuholen; als er aber wieder dort
hin kam, fand er, dafs eine grofse Unze {Tagaarete) den besten Theil
desselben zu sich genommen hatte. Der Reisende in jenen weiten Wäldern
mufs oft froh seyn, wenn er nur seinen Unterhalt findet, daher waren
wir erfreuet, dafs die gütige Unze auch für uns noch etwas übrig gelassen
hatte. Ich liefs nun meine Leute das Gepäcke über den Bach schaffen, wobey
die Eingebornen viel Gewandtheit und Geschicklichkeit zeigten. Auf
einem einzigen Balken giengen sie von einem Ufer zum andern mit einer
schweren Kiste auf dem Kopf, und setzten auf diese Art ohne den geringsten
Zufall alles ans jenseitige Ufer; mehr Schwierigkeit verursachten uns
die Maullhiere. Die Ufer des Baches waren hoch, steil und glatt, unten
befand sich ein tiefer sumpfiger Grund, daher war es den ermüdeten
Thieren äufserst schwer, das jenseitige Ufer zu ersteigen; sie sanken in
dem Grunde des Baches tief ein, und nur, indem man ihnen Balken und
Breter der eingefallenen Brücke unterschob, gelang es, sie sämmtlich ohne
Verlust am jenseitigen Ufer zu vereinigen. Kaum war dieses Geschäft
R e i s e von Villa dos Ilheos nach S. Pedro d'Alcantara III
vollbracht, so trat die IVacht ein. Da wir uns jetzt in der Regenperiode
befanden, so war der Himmel mit Wolken dicht bedeckt; es herrschte
daher in dem hohen Walde eine unglaubliche Finsternifs, die bey dem
hellen Schein unserer Feuer noch auffallender erschien; eine unzählige
Menge von Fröschen liefs ihre verschiedenartigen Stimmen von den Kronen
der hohen Waldbäume, aus den dort oben wachsenden Bromelia-
Stauden herab erschallen: einige waren rauh und kurz, andere klangen
wie ein klopfendes Instrument, noch andere glichen einem kurzen hellen
Pfiff, einem klappernden Laut u. s. w.; leuchtende Insekten flogen gleich
Feuerfunken in allen Puchtungen umher, besonders der Elater nociilacus
mit seinen beyden Feuerfunken, welche ein grünliches Licht von sich strahlen;
allein keines dieser Lichtchen ist viel bedeutender, als das unserer
Lainpyris nocliluca^ denn von dem wahrscheinlich fabelhaften des Laternträgers
{Falgard) haben wir nie eine Spur gefunden, ob wir gleich dieses
sonderbare Insekt häufig an Baumstämmen, besonders am Gaschetholze
fiengen , auch haben mir^ die Landesbewohner nie eine Bestätigung für
das Leuchten dieses Thieres geben können. Herr VON H UMB O L D T sagt,
dafs er in jenen dunkeln Tropennächten des Orinoco selbst die Stimmen
der Affen, der Faulthiere und der Tagvögel gehört habe , wovon mir
indessen kein Beyspiel vorgekommen ist; denn im östlichen Brasilien vernimmt
man alsdann nur Unzen, Eulen, Nachtschwalben, den Jaö {Tinamas
noctivagus)^ die Frösche, Kröten, einige Insekten und vielleicht
Eidechsenarten.
Am dritten Tage meiner Waldreise fand ich eine Picade (Waldpfad),
welche von den Bewohnern von S. Pedro gebraucht -wird, und die mir
das Durchreiten des Waldes sehr erleichterte. Sie führte indessen nur bis
zu der Höhe einer Stelle im Flusse, welche man Banco do Cachorro
(*) Siehe TOW HUMBOLDT Voyage aux regions equiuoctiales du Nouyeau Continent,
Tom. II. Chap. 18. pag. 221.