6: A u f e n t h a l t zu Vareda und Reise bis Minas Geraes
haft an die noch öderen Wildnisse in Afrika und Indien erinnert wird, die
an grofsen Waldungen nicht so reich sind als Süd-Amerika. Um diese
rauhen Triiften urbar zu machen, gebraucht der Besitzer fortwährend eine
bedeutende Anzahl von Negern. Der Reichthum eines brasilianischen Pflanzers
besteht in seinen Sclaven, und die Summen, welche man aus dem
Ertrage der Pflanzungen löset, werden sogleich zum Ankauf von Negern
verwendet. Man behandelt sie meistens leidlich, und hier zu Barra da
l^areda erhielten sie sehr gute Nahrung. In der Hitze des Mittags trug
man ihnen grofse Gefäfse mit der besten Milch in die Pflanzungen, wo sie
arbeiteten, auch erhielten sie kühlende vortreffliche Wassermelonen (Ti^elancias)
in Menge. Leute, welche 120 und mehrere Sclaven besitzen,
pflegen hier zu Lande in einem schlechten Hause von Letten zu wohnen,
und gleich armen Leuten von Mandiocca-Mehl, schwarzen Bohnen und
Salzfleisch zu leben. Auf Verbesserung ihrer Lebensart denken sie selten,
und ein bedeutendes Vermögen macht ihr Leben nicht froher. Hier im
Sertam indessen wird der Gewinn, welchen man aus den Pflanzungen
zieht, diirch den Erlös aus der Viehzucht meistens bey weitem übertroffen.
So hielt auch mein gastfreundschaftlicher Hauswirth auf den neu angebauten
Campos seines Gutes bedeutende Heerden von schönem Rindvieh und
viele Pferde; die erstem werden von Negerknaben gehütet und kehren
Abends nach der Fazenda zurück, wo man sie in einen grofsen Coral
eintreibt, um die Kühe zu melken. Ich sah hier zum ersten Mal die Viehzucht
des Sertam^ wovon ich indessen weiterhin weitläuftiger reden werde;
auch fand ich hier schon die zur Wartung des Viehes bestimmten Leute,
die f^aqueiros oder Campistas ^ wie man sie in Minas nennt, vom Kopfe
bis zum Fufs in Rehleder gekleidet. Dieser Anzug erscheint bey dem
ersten Anblicke sonderbar, ist aber dennoch sehr zweckmäfsig, weil
diese Leute oft dem wild aufwachsenden Vieh durch dornige Gebüsche
und Catingas nachjagen, und dasselbe einfangen oder zusammentreiben
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müssen. Ihr Anzug wird aus sieben R e h f e l l e n g ema c h t , und besteht in
dem Chapeo, einem kleinen runden Hute, welcher einen schmalen Rand und
hinten einen herabhängenden Flügel hat, um den Nacken zu schützen;
ferner in dem Gibäo oder der Jacke , welche vorne offen ist und unter
welcher vor der Brust der Guarda Peito getragen wii-d, ein breites Stück
Leder, welches bis über den Unterleib hei^ab hängt; alsdann in den Beinkleidern
oder Perneiras^ woran unten sogleich die mit Spornen versehenen
Stiefeln befestigt sind. Eine solche Bekleidung hält lange, ist kühl,
leicht, und schützt gegen die Dornen und spitzigen Zweige. Der acjueiro,
auf einem guten mit einem grofsen Bauschensattel belegten Pferde reitend,
führt eine lange am Ende mit einem stumpfen Dorn von Eisen versehene
Stange in der Hand, mit der er die oft wilden Ochsen von sich abhält
oder niederwii'ft, und gewöhnlich auch eine Schlinge {Lago), um damit
die schüchternen Thiere einzufangen. Auf der hier beygefügten Vignette
Nr. 17 habe ich ein Paai^ dieser Leute in ihrem originellen Costüme abbilden
lassen, und zwar in dem Moment, wie sie im Begriff sind auf
einen Ochsen einzusprengen, um ihn niederzuwerfen. Eine jede Vieh-
Fazenda besitzt eine hinlängliche Anzahl solcher Leute, und man wählt
dazu Neger, Mulatten, Weifse und selbst zuweilen Indier. Sie sind öfters
zugleich gute Jäger, und geübt mit starken, besonders dazu abgerichteten
Hunden, die Unzen oder die grofsen Katzen zu jagen, welche in
der Nähe der Viehheerden ihren Stand zu wählen pflegen. Der Eigenthümer
der Fazenda versendet seine J^acjaeiros nach Bedürfnifs in die verschiedene!
»." Distrikte seines Viehstandes, und pflegt zu dem Ende naehrere
Woh-Fazendas anzulegen, wo immer einige dieser Leute wohnen,
und von aller Welt abgeschieden , ein wahres Einsiedlei-leben führen.
(*) Das Leder des ^earfo MafdiVö ^Gaazupita, des Ä ZARA) ist am stärksten, man gebraucht
es gJwöhnlich zu der Jacke; leichtere Anzüge hingegen giebt das f^eado Catingeira {Gaazabira
des A z A i\ A ) .
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