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2<i4- Reise von Minas Geraës nach Arrayal da Conquista
ist, und die von den Camacans mit der Benennung- Hyranayka belegt
wird. Das Haar der Augenbraunen und des Körpers rupfen sie aus, oder
schneiden es ab und durchbohren zuweilen das Ohr mit einer Oeffnung
von der Gröfse einer Erbse. Ihre Hautfarbe pflegen sie zuweilen durch
aufgetragene Pflanzensäfte zu verändern, besonders durch Urucü und Genipaba^
auch noch durch eine andere rothbraune Farbe, welche sie Catuä
nennen und aus der Rinde eines mir unbekannten Baumes ziehen. Am
Rio Grande de Belrnonte habe ich des Ueberrestes eines indischen Stammes
erwähnt5 welcher sich selbst gegenwärtig- noch Camacan nennt,
aber von den Portugiesen den Nahmen Meniän, nach deutscher Aussprache
Meniäng ^ erhalten hat. Wie ich aus den erhaltenen Nachrichten
schliefse, so sind diese Yl/enzarts wirklich ein versprengter, völligausgearteter
Zweig der Camacans^ die aber heut zu Tage nicht mehr
rein sind, da die meisten von ihnen schon krauses Negerhaar und eine
schwärzliche Farbe hciben, auch, ein Paar alte Leute ausgenommen, nichts
mehr von ihrer Sprache wissen. Die Sprachproben, welche ich später
von ihnen geben werde, sind aus der angegebenen Ursache auch nicht
mehr als ächt anzunehmen, und die Abweichungen, welche man von der
Sprache der wahren Camacans finden wird, dürfen den Sprachforscher in
diesem Punkte nicht irre führen, da es eine anerkannte Erfahrung- ist,
dafs unter den amerikanischen Urvölkern Trennungen einzelner Stämme,
Familien und Horden oft Einflufs auf die Sprache gehabt haben, so dafs
man mancherley Mundarten und Abweichungen bey verschiedenen Zweigen
einer und derselben übrigens völlig übereinstimmenden Nation findet. Man
wird auch unter diesen Worten der Meniäns verschiedene Ausdrücke finden,
welche sie von anderen sie umgebenden Nationen angenommen haben.
Die Camacans waren ehemals ein unruhiges, freiheitliebendes, kriegerisches
Volk, welches den portugiesischen Eroberern jeden Schritt streitig
machte, und nur nach bedeutenden Niederlagen genöthigt ward, sich tiefer
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in die Waldungen zurück zu ziehen, bis die Zeit auch bey ihnen nach und
nach ihren Einflufs äufserte. Dennoch blieben ihnen die ursprünglich angebornen
Charakterzüge treu, denn Freiheit und Vaterlandsliebe äufsern sich
noch jetzt lebhaft bey ihnen; ja es hält schwer sie von ihrem Geburtsorte
hinweg zubringen, und nur ungern kommen sie zu den Europäern m die
bebauten Gegenden, auch kehren sie, wie alle jene Wilden, lieber in ihre
finsteren Wälder wieder zurück. Durch häufige Beyspiele von den tyrannischen
Mafsregeln der Weifsen vorsichtig gemacht, versteckten sie selbst
ihre Knaben und jungen Leute im Walde , als wir ihre Wohnungen besuchten.
Sie haben sich nach und nach an feste Wohnsitze gewöhnt, an Hütten
von Holz, selbst mit Letten erbaut, und mit Tafeln von Baumrinden gedeckt.
Zum Schlafen bedienen sie sich nicht der Netze, wie die Stämme der Lingoa
geral, welche die Küste bewohnten, sondern sie bereiten in ihren Hütten
Schlafstellen (Cama^) von Stangen auf vier Pfählen, welche sie mit Bast
{Estopa) bedecken. Die Kinder pflegen mit den Hunden auf der Erde zu
liegen. In manchen Zügen scheinen diese Leute mit den alten Goaytacases
etwas übereinzustimmen. Sie bereiten Kochgeschirre von grauem Thone,
so wie überhaupt unter ihnen weit mehr Kunstfertigkeiten gefunden werden,
als unter den Stämmen der Ostküste. Das Bedürfnifs animalischer Nahrung
wissen sie, da sie keine Hausthiere b e s i t z e n d u r c h ihre Geschicklichkeit
im Jagen zu befriedigen, aber sie kennen auch sehr gut die Vortheile, welche
ihnen aus der Cultur gewisser nützlicher Gewächse hervorgehen. Sie pflanzen
um ihre Hütten herum eine Menge Bananenstämme, Mays, Mandiocca,
deren Wurzeln sie gebraten essen, und Bataten. Die Baumwolle cultiviren
sie ebenfalls in kleinen Quantitäten und verarbeiten sie geschickt zu Schnü-
( * ) Die Camacans besitzen keine andere Hausthiere als Hunde, welche sie von den
E u r o p ä e r n erhalten haben; ein Beweis, daCs in Amerika ursprünglich keine Hirten- oder
NomadenvölUer exisùrten. Hierüber siehe vos HUHBOLDT in der Besehreibung seiner Reise
V o l . II. pag. 160.