l o 8 Reise von Villa dos Ilheos nach S. Pedr o d'Alcantara
Aufgabe war; dennoch wurden die Maullhiere zusammen getrieben, beladen
und in Bewegung gesetzt.
Wir fanden an diesem zweyten Tage unserer Waldreise schöne kühle,
über Gestein herabrauschende Corregos^ an denen einige neue Arten von
Salbey IScdvid) mit herrlichen hochrothen Blumen angetroffen wurden.
Eine merkwürdige Pflanze, die ich weder vorher noch nachher wieder
2-esehen habe, fesselte besonders unsere Aufmerksamkeit.o Sie hat beynahe ^
gegen einander über stehende, stark fleischige, eyförmig zugespitzte Blätter
an holzigtem Stamme von etwa zwey Fufs Höhe. Zwischen ihnen entspringen
die langen, dünnen, beynahe haarförmigen biegsamen Blumenstiele
[pedancLili]^ welche gerade herabhängen und beynahe 8 bis lo Zoll
lang sind. Sie tragen an ihrem Ende einen fünftheiligen dunkelviolettbräunlichen
Kelch, dessen Blättchen schmal lanzettförmig zugespitzt sind,
und in diesem die grofse prachtvoll scharlachrothe, weite, vorne an der
Mündung ein wenig eingezogene, etwa zwey Zoll lange Blumenkrone oder
Röhre, die so wie der Kelch und pedunculas mit kleinen^weifslichen Härchen
dünne besetzt ist. Im Innern der Blume, vorne nahe an der Mündung,
liegen die Antheren vereint auf ihren getrennten Trägern. Ich habe
dieses schöne Gewächs aus der Didynamia angiospermia nur an dieser
einzigen Stelle gefunden, und leider keinen Saamen davon einsammeln
können, da ich die Frucht nicht gesehen habe. Auf unserem heutigen
Wege fanden wir weniger Berge, dagegen aber andere Hindernisse, die
wir bisher noch nicht in ihrer ganzen Stärke kennen gelernt hatten. Ich
ritt wie gewöhnlich meiner Tropa voran, und folgte den Männern, welche
mit dem Facäo und der Axt das Gebüsche hinweg räumten, als ich plötzlich
meine mir nachfolgenden Leute rufen, und die beladenen Thiere alle
hinter mir herrennen hörte. Es blieb mir bey der Unbändigkeit der Maulthiere
nichts übrig, als so schnell wie möglich Platz zu machen, um nicht
von den Kisten beschädigt zu werden; alle rannten davon, und nur durch
R e i s e von Villa dos Ilheos nach S. Pedr o d'Alcantara 1 0 9
ihr beständiges heftiges Ausschlagen, errieth ich die Ursache ihrer Flucht.
Sie hatten an den Blättern der Gewächse am W^ege ein Nest grimmiger
Wespen {^Marimhondos') berührt, deren Stachel einen sehr heftigen
Schmerz verursacht, und waren von diesen Thieren in Menge angefallen
worden. Sie scheuen diesen Schmerz so sehr, dafs sie sogleich die Flucht
ergreifen, und sich besinnungslos gerade in das verworrene Dickicht der
stachlichsten Gebüsche werfen. Selbst meine Leute waren nicht leer ausgegangen,
denn der eine von ihnen klagte über seinen Kopf, ein anderer
über das Gesicht u. s. w., und nur nach geraumer Zeit war die Tropa wieder
gesammelt und zur vorigen Ordnung zurückgekehrt. Diese Marimhondos
hat man von verschiedenen Arten; sie sind kleine schlanke Wespen, wovon
die schlimmste gröfsere Art bräunlich-schwarz, eine andere bräunlich-gelb
gefärbt ist. Sie befestigen ihr nach Art unserer europäischen W^espen gebautes
Nest an einem Baume oder an einer Pflanze nicht hoch über der
Erde; es besteht ebenfalls aus einer weifsgrauen, dem Papier ähnlichen
Masse und hat meistentheils eine elliptische an beyden Enden zugespitzte
Form; an seinem obern Theile ist es befestigt, und am untern hat es einen
kleinen runden Eingang , auch ist es zuweilen mehr rundlich gebildet.
Gewöhnlich sind diese gefährlichen Wohnungen an der Unterseite eines
jener grofsen Blätter der Heliconia befestigt, wo sie von den Preisenden
zufällig leicht berührt werden, und alsdann sogleich einen Schwärm
ihrer rachsüchtigen Bewohner ausschütten. Die Brasilianer weichen diesen
Nestern gewöhnlich ehrfurchtsvoll aus, wenn sie dieselben nicht schnell
zerstören können.
Am Mittage erreichte ich eine Stelle im dichten Walde, wo der Ribeiräo
dos Qairicos^ ein tief eingeschnittener Waldbach, mit einer Brücke
v'^ersehen gewesen war, die wir aber jetzt völlig verfault und in das Bette
des Flusses hinabgestürzt fanden. Schon sahen ^vir im Geiste den Aufenthalt
voraus, welchen uns dieser ungünstige Anblick drohete; ich entschlofs