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9 4 Reise vom Rio Grande de Belmonte zum Rio dos Ilheos
sehen. Auch Capybaras ernähren die Ufer aller dieser Flüsse, allein bey
weitem nicht in der Anzahl, als in den mehr nördlich unter dem Aequalor
g^elegenen Geg-enden;, denn v. H UMB O L D T fand am Apure und Orinoco
diese Thiere unendlich häufig, ja sogar in Gesellschaften von 80 bis
100 Individuen. Nach dem Zeugnifs dieses ausgezeichneten Reisenden sollen
diese Thiere selbst Fische fressen, welches ich indessen bezweifeln
mufs(-). Man hat in dieser Gegend einen kleinen Seitencanal durch den
Wald eröffnet, der eine grofse Biegung des Flusses abschneidet und dadurch
für leichte Canoes den We g etwas abkiü-zt; er ist bey der Ebbe,
die man bis hierhin noch stark verspürt, sehr seicht und oft nicht zu
passiren, allein bey der Fluth desto brauchbarer. Weiter hinauf sendet
der Flufs einen Arm nordwärts aus, nach einer grofsen La^oa die sich
dort zwischen schönen Gebürgen ein Paar Meilen weit ausdehnt.
Diese Lagoa^ schlechtweg so genannt, ist in der ganzen Gegend
berühmt; da sie fischreich ist, so haben hier ofl grofse Fischereyen statt,
auch besitzen mehrere Einwohner von Ilheos Pflanzungen an ihren Ufern.
Ihre Ausdehnung in der Länge soll etwa zwey deutsche Meilen, in der
Breite aber nur die Hälfte betragen. Sie ist von mahlerischen grünen
Waldgebürgen eingeschlossen, an denen man an einigen von Holz entblöfsten
Stellen Pflanzungen erblickt. Am Tage erhebt sich auf dem ansehnlichen
Wasserspiegel gewöhnlich ein kleiner Seewind [l^iragäo)^ der
aber die Wellen mit solcher Gewalt bewegt, dafs Canoes leicht in Gefahr
kommen. Dieser schöne See soll, was auch aus. mancherley Gründen
wahrscheinlich ist, vor Zeiten mit dem Meere in Verbindung gestanden
haben. Eine niedrige Stelle zwischen zwey sanften Höhen an dem, dem
Ocean zugewandten Ufer, scheint die am spätesten versandete Stelle des
Zusammenhanges, oder die Barra gewesen zu seyn. Seemuscheln sollen
häufig in der Lagoa vorkommen, und in einer gewissen Gegend ihrer
(*) S. V. HUMBOLDT yoyage au nouyeau continent. T. II. Chap. XVIU. pag. 217.
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R e i s e vom Rio Grande de Belmonte zum Rio dos ^ll¿os q5
Ufer befinden sich Felsen, welche mit runden, kesselartigen Löchern durchbohrt
sind, wie sie die Brandung des Meeres an der Küste zu bilden
pflegt; diese Felslöcher hat man mit dem Nahmen der Caldeiras (Kessel)
belegt. Da, wo der Flufs Tdipe in die Lagoa hineintritt, sind ihre Ufer
mit weiten Gehägen oder Gebüschen der Aninga eingefafst, auf welchen
eine Menge von kleinen Reihern, von Sabacuen {Cancroma cochlearia,
L I N N . ) und Qocohois {Ardea mrescens, LINN.) auf Zweigen sitzen, die
auf den Wasserspiegel niederhängen, und nach Fischen oder Insekten und
ihren Larven Jagd machen. Unmittelbar am Eingange befindet sich jetzt
eine feststehende Insel, die ehedem schwimmend in dem See umhergetrieben;
sie ist von Wassergewächsen gebildet, auf welchen sich ein Rasen^
filz und auf diesem wieder andere Gewächse erzeugten. Man findet diese
Erscheinung auch bey uns in Europa auf verschiedenen der gröfseren
Landseen. Die eben genannte Insel hat sich jetzt nahe am Eingange des
Sees angelehnt und festgesetzt. An Fischen soll diese Lagoa einen besonderen
Reichthum besitzen, weshalb die Bewohner der P^illa dos Ilheos
sie öfters besuchen, und nach mehreren Tagen mit reichem Vorrathe zurückkehren.
Schönheit und Nutzbarkeit haben ihr in den Augen der
Landesbewohner einen so hohen Wer t h gegeben, dafs man den Reisenden
sogleich davon unterhält, wenn er die Gegend von Ilheos betritt. Man
erzählt mancherley Fabeln von dem See und seiner Umgebung, oder dichtet
ihm wimderbare Entstehung und Naturerscheinungen an, wobey denn
auch seine Gröfse und seine vorzüglichen Eigenschaften nicht selten übertrieben
werden. Die ihn umgebenden Gebürge sollen reich an Gold und
Edelsteinen seyn, und man hat sogar von einem Dorado in den innern
Wildnissen dieser Gebürge gefabelt, oder von einer Gegend, wo es nur
wenig Arbeit koste zu den gröfsten Reichthümern zu gelangen. Aehnliche
erfolglose Träume haben die goldgierigen europäischen Abenteurer in allen
Theilen der neuen Welt vermocht, sich zur Aufsuchung dieses so geprie