a8o R ü c k r e i s e nach Europa
Mittag zerbrach der Wind das Esciitel am zweyten Seg^el des grofsen
Mastes, welches aber sogleich ersetzt wurde; am Mittage trieb er ein im
Meere schvyimmendes grofses Segel an seiner Stange {Vard) bey uns
vorbey, welches auf den Verlust irgend eines Schiffes schliefsen liefs. Am
aSten Juny hatten wir die Azörischen Inseln zurückgelegt und ein sehr
starker Wind blies uns nach der portugiesischen Küste hin, der aber oft
umsprang und den Seeleuten viel zu thun ga]3 5 er zerrifs ein Escutel-Tau
und brachte die See in heftige Bewegung. Unsere YV^ache auf dem grofsen
Mäste zeigte mehrere Schiffe an, welchen wir auswichen, da wir keine
Kanonen an Bord führten. Der Raum, welchen wir bis zu den europäischen
Küsten noch zu durchlaufen hatten, war nicht sehr bedeutend mehr,
allein wegen der Corsaren gefährlicher für uns als die ganze übrige Reise.
Man beobachtete ein jedes Schiff, deren wir jetzt täglich mehrere sahen,
und nahm sogleich einen anderen Lauf. Dies war uns auch immer vollkommen
geglückt bis zum 28ten, wo man am Morgen ein Schiff am
Horizonte bemerkte, welches unsere Richtung zu halten schien. Der
Pilote der Carlota^ welcher sich schon in der Gefangenschaft der Corsaren
befunden hatte, so wie der Capitain und alle Seeleute beobachteten
dieses Schiff mit einer besonderen Aufmerksamkeit, indem sie einige ungünstige
Zeichen daran zu erkennen vorgaben. Man sah nun, dafs es
seinen Lauf gerade auf uns zu richtete und alle Segel beysetzte um uns
einzuholen. Gegen 12 Uhr erkannte man zu allgemeiner Bestürzung, dafs
dieses Schiff ein amerikanischer Schooner {Escuna der Portugiesen), also
höchst wahrscheinlich ein Corsar sey; auch gab es in diesem Augenblick
einen Kanonenschufs zum Zeichen, dafs wi r es erwarten sollten und zog
die portugiesische Flagge auf. Jetzt entstand eine allgemeine Bestürzung!
ein jeder rannte in den Raum hinab, um seine Habseligkeiten zu verbergen
so gut es möglich war. Man meisselte Oeffnungen in die innere Verkleidung
des Schiffes und verbarg die wichtigsten Effecten: Papiere, Geld,
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Zeuge und dergleichen mehr, wiewohl man kaum erwarten durfte , dafs
vor den geübten Blicken gieriger, der Plünderung gewohnter Piraten,
irgend etwas von Werth verborgen bleiben könne. Das Mittagessen wurde
aufgetragen, allein Niemand hielt lange dabey aus, denn der Pvuf: der
Schooner ist schon nahe heran! versammelte schnell die ganze Mannschaft
auf dem Verdecke. Erwartungsvoll und stille ohne einen Laut standen Alle
und blickten mit gespannter Aufmerksamkeit nach dem schönen Kriegsschiffe
hin, welches mit allen Segeln, nett und schlank wie ein Vogel auf
uns zustrich, und die Mündungen der Kanonen entblöfst hatte; auf dem
Verdecke standen eine Menge Menschen Kopf an Kopf gedrängt, unter
welchen man als Bestätigung unseres Verdachtes verschiedene Neger und
andere farbige Leute erkannte. In dem Augenblick, als wir unser Urtheil
erwarteten, ergriff der Offizier auf dem Schooner das Sprachrohr und befragte
uns, woher wir kämen und wer wir seyen. Die Antwort erfolgte
in dieser furchtbaren Spannung sogleich, aber in diesem Augenblick, welche
überraschende Freude! erkannten einige unserer Matrosen von der
Höhe des Mastkorbes, dafs unser vermeinter Corsar ein portugiesisches
Kriegsschiff sey. Allgemeiner Jubel verbreitete sich jetzt auf unserem
Schiffe, und wir Alle wünschten einander Glück! Der commandirende
Offizier des Kriegs-Schooners Constantia (so hiefs das Schiff) galj uns den
Befehl ihn zu erwarten, indem er ims zui^ief: dafs er ein Boot an unseren
Bord senden werde. Der Schooner gieng nun um uns herum, legte bey,
und setzte ein Boot in See, worin sogleich ein Lieutenant an uns abgesandt
wurde, welcher unsere Besorgnisse wegen Unsicherheit dieser Meere bestätigte.
Die Escuna Constantia war wirklich ein sehr schöner amerikanischer
Schooner, welchen die portugiesische Regierung gekauft und ausgerüstet
hatte; sie führte 18 Kanonen und hatte vor 16 Tagen Lisboa verlassen
, um in diesen Gewässern gegen die zahlreichen Corsaren zu kreuzen.
Erst vör wenigen Monaten hatte eine portugiesische Fregatte einen solchen
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