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noch ein anderes Beyspiel, wo ein mir wohlbekannter Botocude, MÄCANN
genannt, einen Patachö erschossen hatte, welcher ebenfalls aufgefressen
wurde. Aus der Art, wie diese Wilden den Kopf ihres erschlagenen
Feindes bey ihren cannibalischen Gelagen aufhängen, läfst sich ein Schlufs
auf die Bestimmung des Mumienkopfes machen, welcher sich in der anthropologischen
Sammlung des Herrn Ritter B L UME N B A C H in Göttingen
befindet. Ich habe seiner schon früher, bey Gelegenheit der Federarbeiten
der brasilianischen Wilden erwähnt, und ihn auf der lyten Platte
abbilden lassen. Auch er scheint bey einem solchen Feste an den durch
Mund und Ohren gezogenen Schnüren aufgehängt gewesen zu seyn.
Manche dieser Völkerschaften, die ehedem das Fleisch ihrer erschlagenen
Feinde ohne Scheu verzehrten, mögen wohl diesem barbarischen Gebrauch
schon entsagt haben, vorzüglich da, wo sie mit den Europäern in freundschaftlicher
Berührung leben. Selbst das beharrliche Streben der Botocuden
Belmonte^ diesen Vorwur f von ihrer Horde abzulehnen, beweifst
dafs sie das Herabwürdigende einer solchen Sitte fühlen gelernt haben,
und so läfst sich hoffen, dafs auch diese Urvölker des südlichen Amerika,
die uns den Menschen im Zustande der gröfsten Rohheit und auf der niedrigsten
Stufe der Cultur gezeigt haben, in ihrer Veredlung allmählig vorrücken
werden.
Krankheiten sind unter den Tapuyas im Ganzen selten. Geboren in
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der freyen Natur, nackt dort aufgewachsen, an alle Abwechslungen des
Tropenciimas, an heftige Hitze des Tages, Kühle und Feuchtigkeit der
Wälder und der Nächte gewöhnt, empfindet ihr harter Körper keinen
äufseren Eindruck der Luft, und ihre einfache, beständig gleiche Lebensart,
bewahrt sie vor den Uebeln, welche zu den unvermeidlichen Folgen
der Civilisation gehören. Häufiges Baden und stete Uebung der Kräfte,
geben ihrem Köi^per jene Vollkommenheit, die man bey uns kaum dem
Nahmen nach kennt. Gegen äufsere Verletzungen und selbst gegen einige
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innere Krankheiten hat die Erfahrung sie mancherley Mittel kennen gelehrt,
die in unsern Apotheken vielleicht von Bedeutung seyn würden. Die Wälder
sind angefüllt mit aromatischen, kräftigen Pflanzen: viele Bäume liefern
vortreffliche Balsame, zum Beyspiel den von dem Copaiva-Bexime^^^')
{Copaifera officinalis), den Peruvianischen von Myroxylon peruiferam,
und andere mehr; viele geben einen Milchsaft, welcher mehr oder weniger
als Gift, oder als Heilmittel wirkt. Ganze Familien von Pflanzen liefern heilsame
Rinden, zum Beyspiel die Cinchona^AvMen, von denen vielleicht auch
hier verschiedene wachsen. Die Wilden sollen alle auf ihren Körper wirkende
Pflanzen kennen, und sie auch alle benamt haben. Das Urtheil der
altern Leute gilt wegen ihrer Erfahrung am meisten. Es ist nicht leicht,
ihre Mittel kennen zu lernen, da sie sie selbst geheim halten. Wenn
man sie fragte: ob sie diese oder jene Krankheit heilen könnten? so antworteten
sie:.„kommt mit in unsere Wälder, wir wollen es versuchen."
Als Beyspiel mag folgender Fall dienen, dessen Wahrheit mir wiederholt
betheuert wurde. Ein zu Trancozo lebender Indier hatte einen sehr
starken Leibschaden ; diesen Mann nahmen die Patachos mit sich in den
Wald, und stellten ihn in drey Monaten völlig her. Er wurde, wie er
mir selbst erzählte, von ihnen in ein gabelförmiges Holz auf den Kopf
gestellt, und nachdem sie die Eingeweide in die gehörige Lage gebracht
hatten, hefteten sie auf die kranke Stelle den zu einem dicken Schaume
eingekochten Saft einer gewissen Pflanze , indem sie ihm den einen Fufs
auf die Seite zogen. Nach einer kurzen Zeit, die er in dieser beschwerlichen
Stelhmg zugebracht hatte, legten sie ihn abwechselnd auf den
Rücken und auf den Bauch, und machten ihm lange Zeit Aufschläge von
derselben Pflanze , bis er vollkommen geheilt entlassen werden konnte.
Wenn sie an einem kranken Theile Blut lassen wollen, so peitschen sie
denselben mit der Pflanze Cangan^äo {Jatropha urens), welche sie Gia-
(•*) An der Ostlvüsto von Brasilien nennt man ihn Copaüba.
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