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8 2 Reise vom Rio Grande de Belmonte zum Rio dos Ilheos
P^üla Nova de Olivenca hat eine angenehme Lage auf einem etwas
erhöhten Rücken xmd ist von dichten Gebüschen umgeben. Der Convenl
(Kloster) der Jesuiten tritt üJ^er diesen grünen Wall empor. An dem
höchst mahlerischen Felsen, der hier in die See hinein tritt, brechen
sich brausend die Wogen, und erfüllen den ganzen Busen mit weifsem
Schaume. Am Ufer sahen wir die dunkelbraunen Indier in ihren weifsen
Hemden, beschäftigt mit der Angel Fische zu fangen ; die ganze Scene
würde dem Landschaftmahler einen interessanten Gegenstand darbieten.
Unter diesen Leuten waren viele recht schön gebildet 5 ihr Anblick erinnerte
an eine Stelle in LERY' S Reise , wo der Verfasser auch ihre
Vorfahren , die Tupinamhas wohl und schön gebildet nennt, auch hat er
wirklich recht 5 sie sind wohlgewachsen, schlank, dabey breit von Schultern
und haben die mittlere Gröfse der europäischen Völker. Leider haben
sie ihre Originalität verloren, auch bedauerte ich nur, daTs nicht ein
7¿i;?zViam¿ía-Krieger uns hier entgegen trat, die Federkrone um den Kopf,
mit Armbinden von bunten Federn geschmückt, den Federschild Enduap
auf dem Rücken, und den kräftigen Bogen und Pfeil in der Hand; statt
dessen ward man von den Abkömmlingen jener Anthropophagen mit dem
portugiesischen Grufse á Deosl bewillkommt, und fühlte mit Kummer
den Wechsel alles Irdischen, der diesen Völkern mit dem Abfalle von ihren
rohen barbarischen Gebräuchen, auch ihre Originalität raubte, und sie
zu einem jetzt kläglichen Mittelding herunter setzte. Ich habe auf der
Vignette dieses 2 ten Abschnittes eine an der Küste reisende indische
Familie abbilden lassen , wodurch man eine richtige Vorstellung von
ihnen erhält.
(*) Ich habe mich bey den citirten Stellen des LERY gewöhnlich auf die fi'anzösische
Ausgabe bezogen; die deutsche hat den Nachtheil, dafs die brasilianischen Worte oft unrichtig
geschrieben sind, indem der Verfasser die fran;:ösische Aussprache durch deutsche Schreibart
wieder geben wollte, welches nicht immer möglich ist.
P i e i s e vom Piio Grande de Belmonte zum Piio dos nh6os 83
f^illa Nova de Olivenga ist eine Indier-/^//Za, welche von den Jesuiten
vor etwa hundert Jahren angelegt wurde. Man hatte damals die Indier
vom Flusse Rheos oder 5. Jorge versammelt und herbeygeführt. Jetzt
befinden sich hier etwa i8o Feuerstellen; der ganze Distrikt aber, mit den
eingepfarrten Bewohnern, zählt etwa tausend Seelen, Portugiesische Einwohner
hat f^illa Nova aufser dem Geistlichen, dem Escrivam und ein
Paar Krämern, nur wenige; alle übrigen sind Indier, die ihre ursprüngliche
Bildung noch recht rein und charakteristisch beybehalten haben. Ich
sah unter ihnen mehrere sehr alte Leute, deren Aeufseres für die gesunde
Luft der Gegend zeugte, unter andern einen Mann, welcher sich des
Baues der vor 107 Jahren angelegten Kirche noch erinnerte. Sein Haar war
noch kohlschwarz, eine bey den alten Indiern gewöhnliche Erscheinung.
Es giebt zwar auch einzelne unter ihnen, deren Haar das Alter etwas
bleicht, doch kommt dies nicht oft vor, wenigstens wenn sie ganz rein
indischen Ui'sprungs, und nicht mit Negerblut gemischt sind. Die Indier
zu P^illa Nova sind arm, haben aber auch wenig Bedürfnisse; Indolenz
ist, wie in ganz Bi^asilien, ein Hauptzug ihres Charakters. In ihren Pflanzungen
bauen sie die zu ihrem Unterhalte nöthigen Lebensmittel, und die
zu ihrer leichten Bekleidung nöthigen Baumwollenzeuge weben sie selbst.
Mit der Jagd, welche an andern Orten eine Hauptbeschäftigung der Indier
ist, geben sie sich hier gar nicht ab; denn sie haben weder Pulver noch
Bley, Artikel, die man selbst in der P^illa zu llheos nur selten kaufen
kann, und dann sehr theuer bezahlen mufs. Ein Hauptnahrungszweig der
Bewohner von Olivenga besteht in der Verfertigung der Rosenkränze aus
den Früchtcn der Piagaba-Vs\vae und aus den Panzern der Gai'ett-Schildkrote
{Tartaniga de Penteni). Das Geschlecht der Palmen ist für die
tropischen Regionen unserer Erde ein Natui'geschenk von grofser Wichtigkeit:
der P/a^-a&a-Baum giebt nutzbares Holz, dem Seemanne geben seine
Fasern dauerhafte Taue, welche den Stürmen und der Nässe trotzen, und