i io6 R e i s e von Minas Geraes nach Arrayal da Conquista
als für die Erhaltung ihres Lebens durch ärztliche Hülfe gesorgt. Daher
bleibt für diese weiten, schwach bevölkerten Länder noch unendlich viel zu
wünschen und zu thun, worauf eine thätige, für das Wohl ihrer Unterthanen
besorgte Regierung gewifs mit der Zeit ihr Auge richten wird.
Das Wet ter , welches zu P^areda bisher windig und kühl gewesen
war, erlitt jetzt eine bedeutende Veränderung, Es trat eine beträchtliche
aber doch noch durch Wind etwas gemilderte Hitze ein. Am 5ten März,
einem der heifsesten Tage, stand am Mittage der Thermometer von REAUMUR
auf 28/2°, Abends in der Dämmerung desselben Tages auf und
eine Stunde später, als der Thau fiel, auf Der letztere war während
der schonen hellen Nächte aufserordentlich stark, er allein ernährt die von
der Hitze des Tages lechzende Vegetation.
Da ich meiner angestrengten Bemühungen ungeachtet manche naturhistorische
Gegenstände, die ich hier aufzufinden gehofll hatte, nicht zu
sehen bekam, so beschlofs ich P^areda zu verlassen, und nach Arrayal da
Conquista zu reisen. Ich verliefs daher die offenen Campos, durchzog
mit meiner Tropa eine mit dichten Catingas ^ oder trockenen Niederwaldungen
bedeckte Gegend, und übernachtete zu Os Porcos, wo ein Paar
farbige Leute einsam mit ihren Familien wohnen. Sie nähren sich von
ihren Pflanzungen und der Viehzucht, und wissen in ihrer Abgeschiedenheit
nichts von der üLrigen Wel t , weshalb denn auch unsere Ankunft sie
in nicht geringes Staunen versetzte. Sie versammelten sich, begafften uns,
und baten sogar alle ihre Nachbarn zu ihnen zu kommen, um die in
ihrem Hause angekommene grofse Seltenheit zu besehen. Sie betasteten
unsere Haare, befragten uns ob wir lesen, schreiben und beten könnten,
ob wir Christen Seyen, welche Sprache wir redeten, und gönnten uns nicht
eher einige Ruhe, bis wir ihnen Proben von allen unseren Fertigkeiten
gegeben hatten. Die Schnelligkeit indessen mit welcher wir schrieben,
unsere Bücher mit Kupferstichen, die Farben und die Zeichnungen, so wie
R e i s e von Minas . G e r a e s nach Arrayal da Conquista 207
Doppelflinten, die wir ihnen zeigten, erregten bey ihnen eine grofse Verwunderung,
und sie g-estanden endlich ein, dafs unsere Lage wirklich besser
sey als die ihrige, da wir die Welt kennen zu lernen im Stande seyen,
bemerkten aber nebenher doch einstimmig, es gäbe doch sonderbare Menschen
in der Wel t , welche es nicht scheueten sich den Gefahren und Beschsverden
so weiter Reisen auszusetzen , um die kleinen Insekten und
Pflänzchen in fernen Ländern aufzusuchen, die hier höchstens verwünscht
oder von den Kühen aufgesucht würden.
Um einem schönen Paare des Tuyuyú {Mjcteria americana) nachzustellen,
blieb ich einen Tag zu Porcos; allein obgleich diese Vögel sich
hier beständig an einer gewissen Lagoa aufhielten, so waren wir doch
nicht so glücklich einen derselben zu erlegen, da sie äufserst scheu und
vorsichtig sind. Ich war indessen Zeuge, dafs diese Thiere auch auf Piaub
ausgehen, denn ich sah einen derselben einen Wasservogel im Fluge auf
das heftigste verfolgen.
Von Porcos aus erreichte ich in einer sehr kleinen Tagereise das
Arrayal da Concjaista, den Hauptort dieses Distriktes. Auf diesem Wege
fand ich interessante Gegenden, welche besonders mit schönen Waldungen
bedeckt waren. Mancherley schöne blühende Bäume und Gesträuche zierten
mit ihren mannichfaltigen Blumen den Weg, und einige Arten derselben
dufteten einen angenehmen Jasmingeruch ; Cwpfm-Gebäude sind überall in
dem schattenreichen Walde zerstreut. Einige rundum vom Walde eingeschlossene
Wiesen unterbrachen angenehm die Einförmigkeit der Gebüsche;
ihr lebhaftes Grün mit mancherley schönen Grasarten und rohrartigen Gewächsen,
die die Aufmerksamkeit des Botanikers fesseln, erinnerte an die
frischen Wiesen der gemäfsigten Zone, und was noch mehr das Andenken
an die stillen anziehenden Waldscenen meines Vaterlandes belebte, war ein
Reh, welches wir in dem hohen Grase weidend erblickten. Gewöhnt, allen
Thierarten sogleich den Krieg zu erklären, schlichen unsere Jäger von den
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