1 4 8 Reise von S. Pedr o d'Alcantara durch die Urwälder
nahe sämmtlich von vielen ineinander gefügten trockenen Zweigen ein sonderbares
hängendes Nest, deren wir mehrere in unserer Nähe an isolirten
alten Bäumen bemerkten. Die niederen Gebüsche belebten die schwärzlichen
Kernbeifser mit rothem Schnabel {Loxia grossa, LINN.) und die
Tangara mit gestreiftem Kopf {Tanagara silens, LINN.) und viele kleine
Arten von Kernbeifsern, Sängern und Fliegenfängern, so wie die Rohrdrossel
mit nacktem Halsflecke (^Tardas brasiliensis) die Rohrgehäge an
den Ufern des Baches. Ein noch unbeschriebener Vogel C^O mit lautem
dreystimmigem Rufe, den er beständig hören läfst, war hier ebenfalls nicht
selten. Er ist verwandt mit derjenigen Familie der Sänger {Sylvia), welche
einen gekrümmten verlängerten Schnabel haben. Ich hatte ihn schon am
Rio Doge, nachher aber in bedeutender Entfernung nicht mehr gefunden.
An den Ufern der einsamen VValdbäche lebt in diesen Wäldern ebenfalls
paai^weise der gTÜne Sichelschnabel {Tantalas cayennensis, LINN.), der auf
alten umgefallenen Stämmen im Wasser sitzt, und eine laute sonderbare
stai-k ins RostrMhe fallend; am Scheitel sind die zugespitzten Federn scliwarzbräimlich einge^
fst, übrigens rostroth, und mit noch lebhafteren röthlichen Schäften; Oberhals etwas heller
gefärbt, die Federschäfte sind hier hell rostgelb; der ganze Yorderliörper ist auf röthlich
braunem Grunde mit hell rostgelblichen Strichen bezeichnet; ünterrücken und obere Schwanzdeckfedern
bräunlich rostroth, ersterer verloschen heller gestrichelt.
(*) Dieser Yogel scheint in Herrn TEMMiiicii's neues Genus Opetiorynchos zu gehören,
und ich belege ihn mit dem Nahmen turdinus , da er etwa die Zeichnung unserer Drosseln hat.
Der männliche Yogel mifst 7 Zoll 11 Linien in der Länge, und etwas über 9 Zoll in der
Breite; alle seine oberen Theile sind hell graubraun, und die Federn haben etwas blässere
Ränder, besonders an Kopf und Oberhals; ein Streif über das Auge vom Schnabel nach dem
Hinterkopf hin, Kehle, Unterhals und Brust sind weifsHch; die Kehle ist ungelleckt; Unterhals,
Brust und Bauch mit einzelnen et^vas spitzwinklichen graubraunen Drosselilecken besetzt
mittlere Schwanzfedern an den Seiten schwarzbräunlich geileckt, und neben diesen dunklem
noch mit blafs gelbröthlichcn Fleckchen bezeichnet; grofse Flügeldeckfedern mit blafsröthlichem
Rande und ähnlichen Querlleckchen. Es giebt aulser diesem noch mehrere andere ähnliche
Yögel in Brasilien, welche eine den Sängern {Syhia) sehr nahe verwandte Familie bilden,
und sich sämmtlich durch eine sehr laute, aber unmelodische sonderbare Stimme auszeichnen.
R e i s e von S. Pedr o d'Alcantara durch die Urwälder X49
Stimme hören läfstj die Brasilianer nennen ihn Caraüna, wie weiter oben
schon gesagt worden ist. Er ward nahe bey unserer Wohnung geschossen,
und mein Hühnerhund brachte ihn aus dem Bache ans Land. Dieser Hund
fand besonders seine Beschäftigung an den kleinen Preiäs {Cavia Aperea,
LINN.), welche in den Gebüschen bey unserem Hause sehr häufig waren 5
er suchte beständig nach diesen kleinen Thieren umher; auch erlegte man
mehrere derselben, deren Fleisch zum Essen für uns Europäer zu weichhch
war. An diesem einst angebauten Platze fand ich den Satz wieder vollkommen
bestätigt, dafs die inneren grofsen Urwälder ärmer an verschiedenartigen
Thieren sind, als bebaute Gegenden; denn wo nur eine Rosse oder
eine von Holz entblöfste Stelle ist, da zeigt sich sogleich eine gröfsere Verschiedenheit
der Thierarten. Es ist gewifs, dafs auch die innersten Gegenden
der grofsen Wälder ihre eigenen Geschöpfe haben , allein bebaute Gegenden
besitzen an den Gränzen der sie umgebenden Waldungen stets die
mannigfaltigste thierische Schöpfung.
Wir hatten jetzt, da gerade die Höhe des Sommers war , eine bedeutende
Hitze. Am 22ten Januar stand das Thei^mometer von R E A U M U R im
Schatten Nachmittags zwischen 2 und 3 Uhr auf und in der Sonne
stieg es in wenigen Minuten auf 3i°, andere Tage waren noch heifser,
doch selten fand ich 3o° im Schatten. Am folgenden Tage stiegen mehrere
Gewitter auf, es donnerte und regnete heftig, allein kein Blitz ward
bemerkt. Diese häufigen Gewitterregen hatten nach und nach den Flufs
mehr angeschwellt, so dafs endlich die Fische für uns eine Seltenheit wurden,
und die Nässe erschwerte ebenfalls die Jagd. So kam es, dafs wir
öfters Mangel litten, und genöthigt waren, mit ein wenig lederartigem
altem Salzfleische unsern Hunger zu stillen. Unsere Lastthiere erregten in
dieser Periode unser lebhaftes Mitleiden, denn sie fanden in dem hohen
Walde kaum so viel Futter, um ihr Leben zu fristen, und standen gewöhnlich
um unsere Hütten herum, als wollten sie Nahrung von uns fordern.
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