l y S A u f e n t h a l t zu Vareda und Pieise bis Minas Geraes
Ein verständiger Pflanzer wollte sie daraus erklären, dafs etwa vor zwey
Jahren im Monat August ein sehr heftiger Frost das Holz getödtet habe,
andere hingegen suchten die Ursache in einer besonders grofsen Trockenheit
des Bodens. Ressacjae ist der Nähme eines kleinen Ortes, wo drey
Familien farbiger Leute auf einer sanften freyen, ringsum von Carasco
eingeschlossenen Höhe sich angebaut haben und von Viehzucht leben. Die
abgestorbenen Gesträuche, welche ringsumher den Horizont begränzen,
geben dieser Gegend einen äufserst einförmigen traurigen Charakter, und
nur ein Gebüsch der Agaoe foetida, so wie einige Orangenbäume erheitern
die immittelbare Nachbarschaft der Lehmhütten. Es liefsen sich in
dieser traurigen Region selbst nur wenige Thiere erblicken, und nur die
schwarze violet glänzende P^irahoste mit rother Kehle (Tanagra bonariensis)
belebte einigermafsen die abgestorbenen Niederwaldungen ringsumher.
Man wies uns in einer dieser Hütten xmsere Wohnung an, allein
ein Schwärm gefährlicher Marimhondos suchte uns diesen Aufenthalt streitig
zu machen. Sie waren eben beschäftiget in unserem Zimmer ihr Nest
zu erbauen, und niemand war vor ihrem Stachel sicher; selbst unsere in
der Nähe der Wohnung weidenden Lastthiere ergriffen die Flucht; nur
dadurch, dafs wir alle Thören und Fenster verschlossen, gelang es uns,
die ungebetenen Gäste von uns abzuwehren. Gegen Abend zog ein heftiges
Gewitter auf und sandte einen wahren Gufsregen von dickem Hagel
begleitet zur Erde nieder. Meine Leute, welche an der wärmeren Küste
nie dergleichen erlebt hatten, hoben höchst überrascht diese durchsichtigen
Glaskörner auf und gaben ihr Erstaunen darüber laut zu erkennen.
Ein schmales Wiesenthal zwischen niederen Höhen mit Carasco bedeckt
, welches etwa vier Legoas weit nach der Fazenda von llha führt,
hat einen rauhen eben nicht anziehenden Charakter ; denn die niederen
einschliefsenden Gebüsche sind einförmig imd zum Theil verdorrt, hohes
dürres oder sumpfiges Gras zeigt sich überall und man hat dabey nicht die
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mindeste Aussicht. Moos und Farrenkräuter wachsen an vielen Stellen.
Einige der vorzüglicheren Singvögel von Brasilien, Aev Canario {Emberiza
brasiliensis, LINN.) und der Pintasilgo {Fringilla magellanica) unterhalten
den Reisenden durch ihren ziemlich angenehmen Gesang; die f^irabosle
{Tanagra bonariensis) zeigt sich in kleinen Gesellschaften5 unter
ihnen kommen höchst selten die älteren Vögel mit rother Brust vor; eine
andere Tangara, welche ich nirgends beschrieben finde (='0, sitzt stumm
auf den höchsten Spitzen der Gesträuche, man findet hier aber besonders
mancherley Arten von Fliegenfängern, und die gröfseren mit ihnen verwandten
Arten, welche B U F F O N Becardes und Tyrans, AZARA aber
Suiriris genannt hat. Die Becarden kommen hier seltener vor als in den
niederen Provinzen ^^^ Gegend flächt sich bis llha immer mehr ab,
und das Gesträuch vermindert sich in demselben Grade , bis man in eine
neue Wel t , in die weite Ansicht der Campos Geraes tritt So weit das
Auge reicht, dehnen sich daselbst offene waldlose Ebenen oder sanft abge-
(*) Tanagra capistrata: 6 Zoll 10 Linien lang, 9 Zoll 8 Linien breit. Gestalt ziemlicli
die eines Dompfaffen {Pyrrhula)-, Zügel nnd Einfassung des Unterkiefers schwarz; Backen und
vordere Hälfte des Scheitels hell graubräunlich fahl-, Kehle, Unterhals, Brust und Oberbauch
fahl gelbröthlich; alle oberen Theile aschgraublau.
(**) Die beyden gemeinsten Arten derselben hat man gewöhnlich yerwechselt, und selbst
SoNiMiNJ ist in diesen Irrtlium yerfallen. Die beyden Vögel, der Lanias Pitangaa des L I H S E
und der Sulphuratas sind einander im höchsten Grade ähnlich, wie dergleichen Wiederholungen
der thierischen Formen überhaupt in Brasilien sehr häufig Yorkommen. Beyde Yögel sind aber
durch den Bau ihres Schnabels gar nicht zu verwechseln, indem derjenige, dessen Stimme
Bentivi! oder Tictiyi! beständig gehört wird, den dmnieren schlankeren Schnabel, der andere
hingegen, welchcr deutlich Gnei! Gnei! ruft, einen bauchichten breiten Schnabel trägt. So:s-
S I S I irrt, wenn er sagt: AZARA' S TVCI-iVei" rufe in Cayenne Tictiyi! welches, wie gesagt, die
Stimme des Pitangua ^st, ein Irrthum, welchen auch V I E I L L O T in seiner Naturgeschichte der
nordamerikanischen Vögel begelit. Er sagt T. I. p- 78- ¿er Tictivi rufe auch zuweilen Gnei-
Gnei! welches die Stimme der anderen Art {Lanius sulphuratas, LI^N.) ist, wie denn AZABA
diese beyden in Brasilien höchst häufig vorkommenden Vögel nach ihrer Slimme und Gestalt
vorzüglich richtig unterschieden hat.