Nachbartäler beendet also diesen Erosionszyklus. Diesen Vorgang verdeutlicht der gegenwärtige
Zustand im Bereiche des Tales III. Ordnung bei Dorf Kawienda (Fig. 108). Die
Fußdreiecke sind schmal, steigen mauerartig aus dem Tal auf. Ihre Kämme laufen in
Kuppen zur Höhe aus, fallen in Steilwänden zum kesselförmig erweiterten Talende ab und
werden von Furchen durchzogen, die besonders stark von der Richtung der ursprünglichen
radialen Leitlinien abweichen.
In dem folgenden 4. S t a d iu m der Zertalung verschmälern sich die Kämme zu
scharfen Graten, verkürzen sich immer mehr und werden zu unregelmäßigen Pyramiden,
die Täler II. und III. Ordnung erweitern sich, verschmelzen gelegentlich miteinander, sodaß
nur eine Reihe von Spitzen übrig bleibt, z. B. westlich von Kawienda die Kuppen der
Kadiendi-Gruppe, deren Fuß ein isoliertes, vielgeteiltes Fußdreieck vorgelagert ist. Die
Rückenlinien der Skizze (Fig. 108) veranschaulichen die veränderten Verhältnisse. Die zwei
Kuppen fallen mit steilen Wänden zu. wannenförmig erweiterten Tälern, die zwischen drei Fußdreiecken
hindurch zum Meere gehen, ab. Verfolgt man l.d ie Gestalt dieser Täler, so zeigen diese
im oberen Teile die spitze V-Form, im mittleren eine Kombination von V und U, sowie im
unteren eine breite V-Form, beobachtet man 2. die Neigung, so sieht man einen deutlichen
Gefällbruch im Mittelstück, also vom Obergang des oberen, engen Schluchtentales in das
weite konsequente Haupttal.
Derselbe Entwicklungsgang wurde von mir auch bei vielen anderen Vulkanen des
Archipels verfolgt. Bei allen aber stellten sich gewisse Unterschiede des jeweiligen Stadiums
der Zertalung heraus 1. sowohl auf den verschiedenen Inseln, als 2. an den verschiedenen
Seiten des Gebirges selbst, entsprechend der Menge der Niederschläge im Luv und Lee,
ferner 3. der wechselnden Beteiligung loser Vulkanprodukte und fester Laven, 4. der verschiedenen
Meereshöhe und 5. der Entfernung von der See, sowie schließlich 6. der Größe
negativer Strandverschiebungen. Bei genügender Berücksichtigung dieser Momente gestattet
jedoch der Erosionszustand eines Vulkanbaues die Bestimmung des relativen Alters seiner
verschiedenen Teile (allenfalls auch benachbarter Vulkane einer Insel), weil zwischen den
großen Eruptionen gewöhnlich genügend lange Zwischenräume liegen, während welcher
Zeit die Zertalung ein entsprechendes Stadium des Erosionszyklus erreicht.
Der V u lk a n , diese Schöpfung von Neuland, entspricht gewissermaßen einem aus
dem Meere unzertalt emporgetauchtem Stück Erdrinde, an dessen Oberfläche sofort nach seiner
Geburt die Athmosphärilien abtragend arbeiten. In diese Urform, den mehr oder weniger
gleichförmigen jungen Mantel des bald steilen vollen, bald flachen abgestumpften Kegels
schneiden sich Regenrinnen und Furchen, die zu Schluchten und immer tiefer werdenden
Tälern auswachsen. Diese gehen je nach dem Gefälle mehr oder weniger stark divergierend,
radial von der Spitze bis zum Fuß, gabeln sich, je älter sie werden, vielfach und lassen
zwischen sich größere und kleinere Riedel stehen. Erst, wenn unter der großen Zahl der
Abdachungsflüsse einige die Oberhand gewinnen, entstehen konsequente Hauptflüsse. Ihnen
sind jedoch die zwischenliegenden kleineren Zweigflüsse nicht tributär, entsprechen also
auch nicht obsequenten und werden daher vielleicht besser als assequente Flüsse bezeichnet.
Der Höhe und jeweiligen Gesteinszusammensetzung des Berges entsprechend,
werden meist nach der 4—5 oder 5—6-fachen Verzweigung dreieckige Segmente am Fuße
herausgeschnitten, die Fußdreiecke. Die fortgesetzte Erosion zersägt nämlich den Scheitelpunkt,
nachdem sich zuerst Seitenflügel durch tieferes Eingraben der konsequenten Ströme
gebildet haben. Der Verbreiterung dieser Täler gemäß, verändert sich die Textur
des Steilhangs durch Erscheinen resequenter Flüsse. Diese schaffen nicht nur eine vielgliedrige
Stüfenlehne, sondern zapfen auch benachbarte assequente Wasserläufe an.
In dem Maße nun, wie die Täler rückwärts schreitend sich vertiefen, lösen sich die
Rücken in Einzelberge auf. Der Ringwall, bezw. Kegel wird in Gipfelkuppen, Fußdreiecke
und deren Ubergangsformen-zerlegt, bis das Stadium der V p - lk a n ru in e erreicht
ist. Geht diese ihrem völligen Zerfall entgegen, sodaß sich die stufenförmige Anordnung
der Einzelberge verliert, und die Erhebungen nur nebeneinanderliegend durch kranzförmigen
Verlauf ihre Zusammengehörigkeit, zu einem Vulkan dokumentieren, so lassen sie sich als
V u l k a n r e s t e , die Überbleibsel vom Fundament eines früheren Vulkanbaues, bezeichnen.
Aus oben geschilderten Darlegungen über den Zustand der Zertalung des Tambora
läßt sich nun Folgendes ableiten: D a s ä l t e s t e V u lk a n s tü c k t r i t t am F u ß e d e r
g a n z e n n ö r d l i c h e n H ä lf te d e s T am b o r a z u t a g e u n d b i l d e t w a h r s c h e i n l i c h
d e n B o g e n e in e s v e r s c h ü t t e t e n R i n g g e b i r g e s . Ü b e r d i e s em b a u t e s ic h e in
h o h e r K e g e lb e r g a u s v o rw i e g e n d g i ip s e n A u sw u r fm a s s e n au f, w e l c h e im
W e s t e n u n d S ü d e n b i s a n s M e e r,, im S ü d o s t e n b is in d ie S a n g g a r - E b e n e
r e i c h e n.N
a c h d em d a s e i n g e s e h l o s s e n e M a gm a d u r c h d e n am n ö r d l i c h e n
F u ß im M e e re l i e g e n d e n S a t ö n d a - u n d - am s ü d ö s t l i c h s i c h e r h e b e n d e n
L a b um b u (B o k o ) -V u lk a n , s o w ie d u r c h d ie B i ld u n g k l e i n e r p a r a s i t ä r e r
K e g e l, d e s T a h e , M o lo u n d a n d e r e r z e i tw e i l ig e in e n A u sw e g g e f u n d e n h a t t e ,
e r f o l g t e 1815 d e r g r o ß e A u s b ru c h , d em d ie S p i t z e d e s T am b o r a z um O p f e r
f ie l. Ungeheure Mengen gg NW.
von Eruptionsprodukten, Labumbu oderßoko
vom Agglomeratblock bis
zur feinsten Asche, gingen
rings um ihn nieder und
bedeckten vor allem die
Flanken der südlichen un Fig. 109. Die Ostse ite des Labumbu-Vulkankegels am Süd o st-F u ß des T ambora . Gez. Gründler.
östlichenHälfte desBerges.
Ein breiter Strom von losem Gestein ergoß sich nach Nordwesten und ein anderer von
Lavä n a c h O s te n . Nach Zollinger1) wurden Aschen bis nach Süd-Sumatra getragen, und
ihre Decke war auf Lombok noch D/2, auf Bali 1 Fuß, im östlichen Java noch 9 „Daumen“
und im westlichen noch einige Millimeter dick.
Die E ru p tiv g e s te in e , deren petrographische Untersuchung ich Herrn Prof. Dr. M.
Belowsky und seinem Doktoranden, Herrn G. Rack, verdanke, sind nun in den älteren Gebirgs-
stücken des Tambora, z. B. am Katupa- in NO, Parongu-Kap OSO (auch Parongge) grau-
schwarze, weniger basische und in den jüngeren der Südküste, u. ä. an der Landspitze
von Peti und in höheren Teilen, wie oberhalb Kananga in 1000-m ü. M., Olivin-reiche
Augitandesite. Von Kawienda (Nordost vom Dorf) hat mein Assistent sodann noch einen
Biotit-Augitandesit, vielleicht auch ein älteres Gestein, mitgebracht.
Südöstlich des Tambora erhebt sich der bereits genannte, 1240 m hohe L a b um b u -
oder B o k o -V u lk a n (von Verbeek als Labumbun erwähnt), ein allseitig ziemlich gleichmäßig
abfallender Kegel mit 3 Spitzen (1240, 1068, 868 m ü. M.) und einem auf der Zeichnung
(Fig. 109) sichtbaren Kraterrande im Nordwesten. Sein Mantel ist in mehrfach geteilte,
radiale Riedel mit stellenweise ziemlich tiefen Schluchten zerlegt. Seine Lavaströme
reichen im Norden bis an die Sanggar-Bai und im Süden bis zur Saleh-Bucht. Die Gesteine
9 a. a. O., S. 150.