Die Familie begab sich nun nach Loloruha, den neugefundenen Ackergründen, und
merkte, daß ihnen dort das Wasser fehlte. Ma-Köa machte sich deshalb selbst auf den Weg
zum Perai-Fluß und entnahm diesem ein Bambusrohr mit Wasser. Wieder in Loloruha
angekommen, goß er den Inhalt auf die Erde und aus ihm entstand die hier entspringende
Quelle des Meta Mòla, eines Nebenflusses vom Meta Perai.
Nach einiger Zeit schenkte Pi-Lòuk zwei Knaben das Leben: „Ma-Fai und Sa-L0we“.
Ein Vogel brachte schnell die Nachricht gen Alor, und der Rauch des angezündeten Feuers
verkündete Pi-Pair das Ereignis. Die Riesin rannte in wilder Hast nach Loloruha. Ihre
Nasenflügel bebten vor Gier, als sie den Vater fragte: „Wo sind die Kinder des Schweines?“
denn sie roch das junge Menschenfleisch. Ma-Kóa antwortete ganz ruhig und freundlich:
„ Heute kann ich sie Dir noch nicht zeigen, auch sind sie viel zu klein, um von Dir gegessen
zu werden, aber, wenn sie groß und fett geworden, soll ich sie Dir schon schicken.“ Pi-Pair
kehrte darauf in ihre Höhle zurück.
Ma-Fai und Sa-Lòwe jedoch waren Wunderkinder, denn schon nach 2 Tagen konnten
sie laufen, nach 4 Tagen das Haumesser gebrauchen, am 5. Tage führten sie das Schwert
und am 7. waren sie schon mannbar und bekamen den Schamgürtel.
Von der Mutter wurden sie nun täglich ausgeschickt, um ihre Körperstärke zu
erproben. Schon bald vermochten sie ein schweres Bündel Bambus zu tragen, wenige
Tage später schleppten sie ein großes Stück mit Sand gefüllter Baumrinde nach Hause. —-
Nun rief Pi-Lòuk alle Vögel des Waldes herbei, und die Jünglinge erlegten diese. Um aber
ihre volle Kraft zu prüfen, ließ sie alle wilden Tiere Zusammenkommen und sagte zu ihren
Söhnen: »Wenn Ihr diese sämtlich erschlagt, so seid ihr stark genug, gegen die Puk-Nitun
zu fechten“ und sie reichte ihnen die Schwerter Ro-hüa und Kai-réi. In kürzester Frist
waren alle von den tapferen Brüdern erlegt.
Nicht lange nach dieser Zeit kam auch Pi-Pair mit den Puk-Nitun zum Tihu-Tal
hinunter. Die Brüder kämpften wie zwei wilde Tiere und erschlugen einen Riesen nach
dem anderen. Als sie sich zuletzt auf Pi-Pair warfen, rief ihnen ihre Mutter zu: „Bringt
sie mir lebendig, doch schneidet ihr Hände und Füße ab.“ So geschah es.
Tagelang lag nun die böse Riesin am Tihu-Fluß und erhielt Essen und Trinken.
Flehentlich bat sie, ihr den Tod zu geben und schließlich befahl Pi-Lòuk ihren Söhnen,
Pi-Pair den Kopf abzuschlagen und denselben den Vögeln zum Fräße hinzuwerfen. Diese
aber ergriffen das Haupt, trugen es nach Alor und ließen es zu Füßen von Puik-lalang und
Mau-lalang niederfallen, denen sie zuriefen: „Nehmet hier den Kopf Pi-Pairs, der letzten
aller Puk-Nitun.“ Die Brüder riefen: „So erfüllte sich denn die Weissagung unserer Mutter,
als sie mit den Zwillingen unterm Herzen prophezeite: „Diese meine Kinder werden stark
sein und die Puk-Nitun töten“, und beide frohlockten.
Als die jungen Helden, Ma-Fai und Sa-Lowe, eines Tages von den Bergen in das
tiefe Tihu-Tal hinabschauten, meinte die Mutter: „Kinder, wenn Ihr wirklich so stark seid,
dann formt einmal aus diesen beiden Felsen einen einzigen.“ Ma-Fai spuckte die Blöcke
an, ergriff sie und drückte sie gegeneinander, sodaß sie zu einem einzigen verschmolzen. In
seinem Übermut aber schwang er die mächtige Gesteinsmasse über dem Kopf, warf sie ins Tal
hinab und sagte zu seiner Mutter: „Jetzt kann aus dem Fluß ein See werden.“ „Gut“,
erwiderte Pi-Lóuk und wandte sich an ihren anderen Sohn: „Wirf auch Du zwei Steine
hinab, damit das Tal ganz abgesperrt wird.“ Der Tihu-Fluß wurde auf diese Weise zu
einem großen langen See, und die Steine, welche das Wasser abdämmten, nannte man
„ildi* und „kai-näki“.
Da der Tihu-Sce aber keinerlei Tiere enthielt, kam Pi-Keo eine* Tage* auf den
Oedanken, solche von der Meeresküste bei Uhutau zu holen. Alles, wa* sie am Strande
fand, Sand, Steinchen und Wasser, füllte sie in ein Bambusrohr, brachte es ihren Brüdern
Ma-Fai und Sa-Löwe und sagte zu ihnen: „Ich glaube, wenn Ihr diesen Sand in den Tihu-
See tut, dann müssen in ihm allerlei Tiere entstehen, wie sie auch im Meere leben. Ma-
Fai erfüllte den Wunsch seiner Schwester und warf eine Handvoll vom Inhalte des Rohres
ins Wasser und siehe, der See bevölkerte sich mit Fischen. Dann nahm auch Sa-Löwe
eine Portion Sand, doch zum großen Schrecken entstanden aus ihm lauter Krokodile.
Diese Enttäuschung erboste Sa-LÖwe derart, daß er schwur: „Alle Menschen, die jemals
den Tihu-See sehen und den Namen Krokodil*) aussprechen, sollen von ihnen aufgefressen
werden, wo auch immer sie sich aufhalten.“
Als ich nun durch unseren Dolmetscher die Frage an den Tobu Tihu-Häuptling
richtete, wie denn in seiner Sprache „Krokodil“ heiße, sah er mich ganz entsetzt an und
sagte endlich: „Ich darf den Namen dieser „Meerschweine“ (hahi we-wäki) doch nicht
aussprechen I“
„Ma-Fai“, so erzählte Ma-Ate weiter, „ebenfalls über das Mißgeschick seines Bruders
erbittert, sprach darauf den furchtbaren Fluch (näis) aus, der noch heute auf dem See und
auf allen Menschen ruht, die nicht vom Stamme Pi-L6uks und Ma-Koas sind:
Nusa nusa nok n a i j Von allen Ländern (Inseln), wer auch kommen mag,
Gareng ma'i, n a i tun mai \ Etwa vom Kopf oder Fuß unseres Eilands,
Nusa nai, n a i nusa timor, j Vom Osten der Insel
N a i nusa harat, \ Wie vom Westen der Insel,
Nok saga hahi, Auf der Suche nach Schweinen,
Nok saga mäsar, j Auf der Jagd nach Wildkatzen,
Saga tuna, nok ndan: j Sei es, zu fischen, Früchte zu sammeln.
Nog lalang j Alle gelten mir gleich,
Nok neghi lala sia\ I Einerlei, nur macht sie tot!
N a i lör nok mate tiodi o'in, j Zieht aus, tötet alle bis auf den letzten Mann,
Nusa rie-la nok söru. Auf daß gesäubert die Insel ganz und gar.
Gagan nok tama la hahi we-wäki, j Der böse Geist soll in die Krokodile fahren.
Se nok n a trii la re, i Sitzet der Fremdling im Boote,
Hahi we-wäki hisin o'in I | Krokodile fresset ih n !
Nok röhi räk, Möge er auf dem Lande laufen
Nok sa i ai, nok /norm, | Oder in einen Baum klettern, er soll fallen,
Talk hahi nok hisin oin\ , Wenn nicht, dann Schweine fresset ihn!
Taik nok tä a i Wenn nicht, so soll der gefällte Baum
Nok iS sala n i\ j Umbrechend ihn selbst erschlagen!
Als Pi-L6uk den Fluch Ma-Fais vernahm, rief sie ihn zu sich und sagte: „Mem
Sohn, Du hast unseren See verflucht, nun dürfen wir weder Fische fangen, noch Vogel
töten, noch einen Baum in seiner Umgebung fällen, was aber sollen wir essen ? „Mutter,
antwortete der Gefragte, „geh und sieh zu, ob das Wasser hell oder dunkel ist und Pi-Löuk
entgegnete: „Ich sehe Fische hin- und herschwimmen.“ Darauf gingen die Zwilhngsbruder
in den Wald und holten zwei wilde Bananenstämme, einen großen Baum „rötu“, einen
l) „obur“ an der Südküste.