Bösartigkeit der Eingeborenen äußerst gefährlich und es besser wäre, sich nur an der
Küste aufzuhalten. Mit der gleichen Warnung — denn die Bergbewohner stehen in dem
Rufe, jeden Fremden zu töten — tröstete mich auch Herr Oberstleutnant Spruit. Meine weiteren
Erkundigungen bei dem Herrn Hilfsprediger Groothuis in Kupang, der im Juli 1907 etwa
10 Tage die an der Südküste liegenden, wahrscheinlich noch aus der alten Portugiesenzeit
stammenden Christendörfer besucht hatte, fielen nicht besser aus; überall hörte ich nur
schlechte, haarsträubende Dinge. Außerdem sei das Klima das denkbar ungünstigste, das
eines Fieberlandes mit schwerster Malaria, und kein europäischer Beamter solle ohne
schwere Schädigung an der Gesundheit Wetar wieder verlassen haben. Herr Assistent-
Resident Janssen van Raay auf Sumbawa hatte mir früher einmal erzählt, daß er bei einer
nur wenige Tage dauernden Inspektion bewußtlos von der Insel getragen worden sei.
Mit diesen wenig erfreulichen Nachrichten, die uns. kaum einen Erfolg auf Wetar
versprachen, setzten wir unsere Reise fort. Auf der Fahrt die Küste Timors entlang sieht
man, wie von Atapupu nach Osten allmählich die schroffen Bergspitzen und tiefen steil-
wandigen Schluchten verschwinden; die weicheren Formen, Kuppen mit flachen Gehängen,
lange, sanft gerundete Rücken erinnern an Südost-Celebes. Meine Vermutung, auch hier
die Glimmerschieferformation anzutreffen, bestätigte sich auf Timor Dilly, wo mir der
Aufenthalt einen kleinen Ausflug ins Gebirge gestattete. Oberall traf ich dasselbe Gestein
wie in Rumbia, verwitterte phyllitische Glimmerschiefer mit Quarzadern, Dislokationen, die
gleichen Gebirgsdruck- Metamorphosen des Gesteins, schönste Fältelungen und Verquetschungen,
selbst fast Tütenmergel-ähnliche Deformationen, sowie ein annäherndes W—0 -
liches bezw. WSW—ONO-Streichen wie in Rumbia und auf Kabaena. Das archaische
Gebirge zieht von Timor nach dem Osten über Leti, Kisar, Sermata nach Neu-Guinea und
weiter durch die Molukken nach Celebes; es bildet zusammen mit dem Perm von Timor
und Nord-Australien den noch sichtbaren Ostflügel des alten paläozoischen Gebirgsrumpfes.
Mit einer Kollektion Permfossilien1) von Fatu Bitaoni der Landschaft Idana im Süden von
Atapupu, welche Herr Leutnant Güde dankenswerterweise der Expedition zum unerwarteten
Geschenk machte, fuhren wir nach Wetar.
Als wir am 14. Februar in I l iw ä k i (ili, hi groß; wäki groß; weniger gut: Ilwaki,
Iliwakki), dem Standorte des Regierungsvertreters der Insel, Herrn „Posthouder“ J. E. S. Frieser’
bei selten ruhiger See ausbooten wollten, weigerte sich der Kapitän des Dampfers, Herr
van Order, ganz unbegreiflicherweise, auch unser Gepäck zu löschen, mit der Begründung,
daß er sonst Port Darwin in Australien nicht rechtzeitig erreichen könnte. Trotz einer
Anempfehlung von Seiten der Direktion der Paketfahrt-Gesellschaft mußte ich wie schon
früher auf anderen Schiffen über die schlechte Behandlung der Expeditionsgüter durch das
Schiffspersonal klagen. Eine große Kiste mit teilweise seltenen Orchideen von Sumbawa,
die ich an den Buitenzorger Botanischen Garten gesandt, hatte mir ein Kapitän im Glauben’
sie seien vertrocknet, ins Meer werfen lassen. Diesmal stürzte man trotz direkten Protestes’
mein Gepäck wie einen Haufen Säcke in den Schiffsraum, sodaß Flaschen zerbrachen und
Transportbleche auf den Kopf gestellt wurden, wodurch Konservierungsflüssigkeiten ausliefen.
Heute wollte man mich sogar auf einer Insel, wo es absolut keine Lebensmittel gab, also
ohne Nahrung und Anderem aussetzen. — Erst als der holländische Beamte, der durch die
Regierung von meinem Kommen in Kenntnis gesetzt war, auf der Verpflichtung der Pakef-
9 Sie wird von Herrn Dr. Wanner-Bonn bearbeitet und ergänzt dessen umfangreiche Timor-
Sammlungen. (Centralbl. f. Min. Geol., S. 736—41, No. 22, Stuttg. 1910.)
fahrt der Regierung gegenüber bestand, nach welcher der Dampfer 6 Stunden auf der Reede
verweilen müßte, bequemte sich der Kapitän, Anker zu. werfen.1)
Die Insel Wetar (auch Uetar, im Westen Etar, die Schreibweise Weiter ist falsch),
'"ijm Norden von Timor gelegen, zwischen dem 7 und 8° südlicher Breite, sowie dem 124° 5 o |
und 126° 80' östlicher Länge, gehört zu den Eilanden, deren Inneres noch gänzlich unbekannt
ist, trotzdem seit dem 26. April 1882 ständig ein N. I.-Beamter, ein „Posthouder“ auf der
Insel .weilt. J. G. F. Riedel2) berichtet als erster etwas Näheres über Land und Leute, doch
enthält sein Werk zum Teil Mitteilungen aus dienstlichen Berichten seiner Beamten u a des
Posthouders W. Heidte [1882— 1896] auf Wetar, dem als ehemaligem Händler (auf Kisar)
vorgekommene Unrichtigkeiten schon zu verzeihen sind. Wie unzuverlässig Angaben von
wissenschaftlich nicht geschulten Leuten sein können, trotzdem diese eigentlich durch jahrelangen
Verkehr von den Eingeborenen eher über religiöse Dinge die Wahrheit erfahren
müssen, als zugereiste Gelehrte, habe ich auf meinen Expeditionen des öfteren feststellen
können. Der umgekehrte Fall, daß ein Gelehrter, der als Fremdling die Eingeborenen auf
alle mögliche Weis<g|vielleicht während eines nur kurzen Besuches, auszuhorchen sucht, in
der gröblichsten Weise hinters Licht geführt und belogen wird, weil die Leute sich sagen:
Was gehen dem fremden Weißen unsere von den Vätern ererbten Gebräuche, unsere geheiligten
Anschauungen -an ?& ^ is t ebenso häufig. Die N. I.-Beamten, welche sich in ihren Mußestunden
mit Ethnologie beschäftigen, dürfen daher gewiß unter Umständen den Fachgelehrten
denselben Vorwurf machen. In jedem einzelnen Falle kommt es eben sowohl auf die jeweiligen
Umstände, als auch auf den Fragenden selbst, sowie die Art und Weise seiner
Fragestellung, dann endlich aber auf seinen persönlichen Takt an. Die Ethnologie wissenschaftlich
zu betreiben, ist eine Kunst, die nicht nur erlernt, sondern auch gefühlt sein will.
Die Mitteilungen Riedels über Wetar beziehen sich vorwiegend auf die südlichen
Landschaften (Karte No, 6) Huru, Iliwaki, Sao und Ilmedo, sowie den Welemur-Stamm,
welcher einen Hauptbestandteil der mit Timoresen stark gemischten Küstenbevölkerung
ausmacht. Sie liefern uns also kein besonders gutes Bild von den eigentlichen Anschauungen
der Wetaresen. Der Ethnograph A. Jacobsen3) weilte im Februar 1888 vier Tage in der Gegend
von Iliwaki und schreibt: „Meine Hoffnung, hier auf Bergbewohner zu stoßen, ging aber
nicht in ‘Erfüllung. Die Leute, die ich antraf, unterscheiden sich in keiner Weise von den
KUstenbewohnern und der Posthalter (nämlich Heidte. Zus. v. Verf.) scheint mit seiner
Behauptung, daß die Bergbewohner, der alte Alfurenstamm, vollständig ausgerottet sei, recht
zu haben. Er wollte auch nichts von den von Riedei/ angegebenen Dörfern im Innern
wissen.“ In einem späteren kleinen Bericht bringt Baron van Hoevell4), derzeitiger Resident
von Ambon, ebenfalls einige Mitteilungen vom „Posthouder Heidte“ ; sein persönlicher
Aufenthalt auf dieser Insel ist, wie das Regierungsjournal angibt, nur kurz gewesen. Der
Ethnographensammler Thoman, welcher hauptsächlich das benachbarte Timor heimsuchte,
erhielt im März 1908 nur eine Sendung Ethnographica vom „Posthouder“ Frieser. Aus der
Tierwelt der Insel sind durch die Sammlungen von Jacobsens Begleiter H. Kühn haupt-
sächlich Vögel bekannt geworden.
‘) Auch andere Schiffsführer zeigten ein ähnliches Verhalten, Kapitän Wonder war z. B. auf unserer
Rückfahrt von Wetar nur sehr schwer zu bestimmen, auf Lombok die Ladung unserer dort lagernden Güter
abzuwarten.
2) De Sluik- en Kroesharige Rassen tusschen Selebes en Papua. S’Gravenhage 1886, p. 430—458.
3) Jacobsen: Reise durch die Insel-Welt des Bandameeres, bearbeitet von P. Roland, Berlin 1896.
4) International. Archiv f. Ethnographie Bd. VIII. 1895.