Auf der Fahrt der Ostküste entlang nach Süden trieb uns noch einmal ein nördlicher
Strom mit fallendem Wasser aus der Kabaena-Straße vom Lengora- nach dem Mongiwa-
Kap zurück; ein Aufkreuzen gegen den heftigen Südost war nicht möglich. Erst am
16. Oktober gelangten wir mit der Flut und günstigem Wind bis zur Lamelona-Landspitze,
in deren Schutz wir in der nächsten Nacht vor Anker gingen. In der Straße selbst stand
dauernd eine hohe See, eine Folge der geringen Wassertiefe. Trotz der günstigen Nachtwinde
vermied ich eine Fahrt bei Dunkelheit wegen der vielen neu entdeckten, auf der
Seekarte nicht verzeichneten Riffe. Einen Vorteil brachte die langsame Reise; ich hatte
Zeit, an den schönen Steilküsten den Gebirgsbau des Landes zu studieren, über den später
im Zusammenhang berichtet wird. — Schließlich erreichten wir unser Ziel, die Küste der
Landschaft Balo bei Topuhaka. Dieser Marktplatz liegt auf dem gleichnamigen Kap an der
Südecke einer Bucht im Schutze der Insel Balo, auch Damaloba.
Als wir noch den nämlichen Abend am Strand jenseits der Mangroven unser Zelt
errichtet hatten, erhielten wir den unerwarteten Besuch einer wilden oder verwilderten
Büffelherde, die sich durch den im Bambusdickicht verursachten Lärm glücklicherweise
frühzeitig genug anmeldete. Noch am gleichen Tage gingen meine Gesandten, bestehend
aus dem würdigen, besonnenen Präparator Muhari, dem verschlagenen, treffsicheren Ali
und meinem arbeitsfaulen Dolmetscher Mohamed Saleh, zum nächsten Dorf, um das Oberhaupt
der L a n d s c h a f t B a lo , den Kenepulu, aufzusuchen und Träger für den nächsten Tag
zu erbitten. Sofort ließ dieser die Leute aus der sehr dünn bevölkerten Umgegend zusammentrommeln
und stand bereits bald nach Sonnenaufgang vor meinem Zelte. Noch
nie war ich von den Eingeborenen derartig prompt bedient worden, umso auffallender für
eine Gegend, in der vor mir noch kein Europäer war.
Die Insel Kabaena wird nämlich beherrscht von einem Großkönig, Lakina, einem
echten Maronene. Unter ihm stehen die Mokole, die Regenten von Lengora und Kotua,
Lakina, bezw. Kenepulu von Balo. Die erste Bezeichnung stammt von den Maronene, die
zweite von Buton (Bd. I, S. 177), wie auch die Titel der Dorfhäupter: Bonto, jedoch in
Balo: Puulako. Als Teil des Buton-Reiches hat die Verfassung einen entsprechenden
Charakter, besitzt einen Reichsrat, Sarat, und Reichsgroße, Kapitan und Pabitara, ist aber
wie Rumbia und Poleang fast unabhängig vom Sultan von Buton (Bd. I, S. 1S2).
Nach einiger Orientierung über die Insel durch Ausfragen des Häuptlings zogen
wir direkt westwärts in Richtung auf den höchsten Berg des Landes, den Sangia Wita.
Die weite, stellenweise morastige, mit riesigem Bambus und Gebangpalmen bestandene.
Grasebene an der K ü s te machte denselben Eindruck wie Rumbia. Durch den starken
Raubbau beim Ernten der jungen Blattsprossen waren die Palmen verstümmelt und unansehnlich.
An verschiedenen Stellen erheben sich Baumgruppen, meist Strandpflanzen,
die graublättrige Pemphis, Myrtaceen, Guttiferen, Sophora, Aegiceras und Tournefortia-
Bäumchen, sowie der Blindbaum (Excoecaria Agallocha L.), dessen Milchsaft die Augen
gefährdet. In der Umgebung der Bäche werden sie zu einem lichten, buschreichen Walde
mit Rubiaceen, wie der kaffeeartigen Petunga, der indischen Buche (Pongamia glabra, Vent.)
und anderen Leguminosen, sowie auch der früher genannten Terminalia Catappa und
Barringtonia.
Das Küstengebiet steigt langsam in Terrassen an, auf welchen einzelne Ansiedlungen
liegen, die von Emigranten aus dem südwestlichen Muna, der Gegend von Wäsindöli (bei
Mawasangka) bewohnt werden. Ihre Häuser, meist zu 2—3 auf kleinen Kuppen, nehmen
sich inmitten der Gärten höchst malerisch aus. Sie gleichen denen von Muna: Pfahlbaue mit
sehr spitzem Dach und primitiver Bauart. — Wir passierten einige Dörfchen, das Lawuandahu-
Flüßchen und verfolgten dann das Tal des Lankai'dupa durch Buschwald und Alanggras.
Der Weg wurde uns allen sehr schwer, nicht von dem langen Stillsitzen in dem engen
Boot allein, sondern vielmehr von der Erschlaffung des durch die Malaria infizierten Körpers.
Gründler, den das Fieber schon mehrfach fest angefaßt hatte, bat, sich einige Zeit im
Gebirge ausruhen zu dürfen. Während wir in Eempuhu auf dem Wawo-balo-Rücken, dem
Wohnorte des Oberhäuptlings, des Lakina Balo, unser Hauptquartier aufschlugen, begab
sich Gründler zum Sangia Wita.
In Eempuhu trat schon am anderen Tage ein Ereignis ein, welches das gute Einvernehmen
mit den Bewohnern und Herren des Landes störte und die Expedition in nicht
geringe Gefahr brachte.
Während ich gerade mit den beiden Häuptlingen und einem angeblichen, butonesischen
Statthalter, dem Bonto-gena, einer höchst zweifelhaften, aber zuvorkommenden und ängstlichen
Persönlichkeit, sprach, kam eine Anzahl erregter Männer und Frauen aus dem
Küstendorf zu uns gelaufen. Sie redeten geheimnisvoll mit den Häuptern und warfen uns
manche drohenden Blicke zu. Der malayisch sprechende Bonto-gena teilte mir sodann
folgendes mit: Meine auf dem Schiff zurückgebliebenen butonesischen Matrosen hatten sich
in das Dorf begeben zu derselben Zeit, als mich die ganze männliche Bevölkerung ins
Gebirge begleitete. Sie gaben vor, Lebensmittel kaufen zu wollen, und als die Frauen in
den Garten gegangen waren, um das Gewünschte zu holen, benutzten sie die Gelegenheit,
die Wohnung nach Wertgegenständen, Schmuck und Geld, zu durchstöbern und nach
Herzenslust zu stehlen. In einigen Häusern hatten ein paar im Dachgelaß zurückgebliebene
Alte die Täter beobachtet, aber trotz ihres Jammerns trugen die Räuber alles Brauchbare
davon.
Die Bestohlenen hatten sich bei uns eingefunden, um von mir Rechenschaft zu
fordern und ihren König um Hilfe zu bitten. So kam es, daß über meine Leute zu
Gericht gesessen wurde. Meine Matrosen holte man vom Schiff und nun, da die Bewohner
Kabaertas sich noch völlig unabhängig von der holländischen Regierung fühlen, urteilten
die Häuptlinge nach dem überlieferten Rechtsbrauche. Die Angeklagten wurden durch
Zeugen ihrer Verbrechen überführt, aber sie leugneten hartnäckig selbst noch bei dem
Versprechen, im Falle einer Rückgabe des Gestohlenen straffrei auszugehen. Eine Schiffsuntersuchung
führte zu negativem Resultat, und mein Kapitän meinte, daß die Beute vergraben
wäre, um später zurückgeholt zu werden.
Der König sprach zu den Angeklagten: „Durch die Aussagen der Zeuginnen Wadi
und Eöte seid Ihr überführt, darum gebt das gestohlene Gut zurück, doch wenn Ihr Euch
weigert und leugnet, müßt Ihr mit dem Tode büßen.“ Ich verschwendete meine ganze
Redekunst, um die Leute zum Geständnis zu bringen, doch vergebens; der Butonese ist
zu starrköpfig, um seine Schuld einzugestehen. Die Sünder erhielten einen Tag Bedenkzeit,
doch ohne Erfolg. Man verurteilte sie daher zum Tode, holte einen Strick und machte
Anstalten, sie an dem stärksten Baum der Umgegend, nämlich dem über meinem Zelte,
aufzuhängen. Meine den Häuptlingen gemachte Vorstellung, wie ich denn ohne Matrosen
von dieser Insel fortkommen sollte, da hier keine segelkundigen Leute wohnten, wurden
überhört. Erst als ich versprach, die Täter durch die holländische Regierung bestrafen zu
lassen, sahen sie im Vertrauen auf den weißen Mann von der Exekution ab und trugen
den dicken, zum Aufhängen nich t. gerade sehr praktischen Strang wieder fort. Ich muß
gestehen, daß diese gute Wendung wesentlich dem Einfluß des butonesischen Bonto