Kauf, aber jedesmal, wenn ich einen anderen heiligen Gegenstand hervorholte, versuchte
er, ihn mir abzunehmen.
In der Tasche (Fig. 129) fanden sich denn auch noch allerlei interessante Dinge.
Zuerst kamen die gewöhnlichen Gegenstände, ein Tabaksbehälter (tuka suba), Körbchen
für Sirihfrüchte (wuga wäti) und Kalkbüchse (rö-unga oka), sowie Feuerzeug (supa suanga),
Schleifstein (ripa töpa) und eine Bambuspinzette zum Ausreißen von Haaren (ngape kumi)
zum Vorschein, dann bei der Untersuchung der vielen kleinen Dosen noch weißer Reis
in einer Büchse, der zur Versöhnung der Götter und Heilung von Krankheiten dienen
soll. Der Priester nimmt närtilich eine Fingerspitze voll von ihm, streicht dem Kranken
damit bis zu den Füßen einmal die rechte und einmal die linke Körperseite entlang und
verstreut ihn rings herum; dann wiederholt er die Handlung mit einer zweiten Portion und
spricht die Worte:
Dewa Magerani, rina tambo ria, Dewa Magerani, Dich, o Gott, bitte ich um
röo moro patu kata haranga. Genesung, entferne aus meinem Körper
Fieber und Schüttelfrost.
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Fig. 129. Die H an d ta s ch e e in e s P rie s te rs aus Rea m it ih re n Zaube rmitte ln.
Aus einem anderen kleinen Behälter wurden von mir noch gelbe Körnchen zu Tage
gefördert, getrocknetes Eigelb (tero rembe) von einem angebrüteten, aber nicht befruchteten
und daher im Nest zurückgebliebenen Hühnerei. Dieses Zaubermittel dient dazu, Fruchtbarkeit
zu wecken und Lontar- und Arengpalmen, die nicht genügend Wein liefern, zur
starken Absonderung anzuregen. Mit ihm streicht der Priester einige Male am Stamm
entlang und bittet den Gott der Erde, Dewa Konde, Ströme dieses edlen Saftes fließen
zu lassen.
Nachdem der Gottesmann mir nach vielem Zureden, Kreuz- und Querfragen alle
Geheimnisse seiner Zaubertasche anvertraut hatte — hoffentlich ohne Unrichtigkeiten —-
versuchte ich noch einmal, die Bedeutung des heiligen Steines zu erfahren. Dank des
vielen Geldes und der Rückgabe seines kostbarsten Schatzes, eines Ringes mit einem
ähnlichen wundertätigen Glassteine, den Deo-dewa Wura Rara einstmals seinem Vater
zur Erde gesandt, blieb der Erfolg nicht aus. Der Priester war schließlich ganz in Erregung
geraten; alle Anwesenden schauten ihn und mich mit ängstlichen Mienen an. Er
versicherte mir, falls-er den Siegelring nähme oder den heiligen Stein in einen gewöhnlichen
Metallreifen hineinhielte und auf die Stirn eines vom Feinde bedrohten oder von den bösen
Seelen Verstorbener besessenen Menschen drückte, so müßte das Haß-erzeugende Wesen
verschwinden. Ich erklärte darauf, ein Freund aller Reanesen zu sein, wünschte, daß auch
diese mir gut gesinnt wären, und ließ darauf diese heilige Handlung an mir selbst vornehmen.
Voller Genugtuung sah es die umstehende Menge und beruhigte sich sichtlich.
Der Gottbegnadete aber zeigte mir seine Dankbarkeit dafür, daß ich dem Volk gegenüber
seine Macht anerkannt und das Geheimnis des Himmelssteines nicht verraten hatte. Er
war seitdem mein treuester Gefährte und bot sich sogar an, mein schwerstes Gepäckstück
dauernd und ohne Bezahlung zu tragen.
Außer den genannten höheren Wesen kennen die Floresen noch die W e rw ö lf e ,
die Budiana longon banggan (Mal.: ponti-anak diblakan lobang, Bd. I, S. 98). Diese Geister,
welche die Leibesfrucht der Mutter mit ihren Krallen
zerreißen und das Neugeborene (bis zum 10. Tage)
töten wollen, glauben die Frauen in ihren Wehen
zu sehen. Sie werden bei Krankheiten des Kindes
durch Hunde vertrieben und von den Reanesen,
wie es scheint, mit dem Geiste der Nachgeburt
identifiziert, welche diesem, wie später bei Behandlung
der Ehegebräuche erörtert werden soll,
am heiligen Baum geopfert wird.
Mehr noch als bei den westmalayischen Völkern
spielen im ganzen östlichen Gebiete des Archipels
die V e r b o t e , die bekannten P em a l i , eine besondere
Rolle. Vielerlei Orte dürfen nicht betreten,
bestimmte Bäume nicht gefällt, Tiere nicht getötet
oder nicht gegessen werden. Da der Europäer sie
beim ersten Besuch nicht sofort allé kennen kann,
aber doch Verbote beachten will, wird das Reisen
dadurch sehr erschwert. Außerdem lieben es die
Eingeborenen, den Fremden, um ihn aus irgend
welchen anderen Gründen von einem Platze fernzuhalten,
mit dem Wort Pemali ihr „ v e to “ entgegenzurufen.
Es würde keinen Zweck haben, hier solche
verbotenen Plätze aufzuzählen. Wie auf Celebes
verwenden die Eingeborenen auf Flores zum Markieren
ihrer Ländereien Grasbüschel oder einzelne
auf Fäden aufgereihte Blätter der Kokospalme und andere G r e n z z e ic h e n (teo). Die
Floresen bedienen sich aber gern außerdem noch V e rb o ts z e ic h e n (ruu), des bekannten
M a ta k a u (im Molukken-Malayisch), um andere am Betreten von Kultstätten der Familie
oder an einem Diebstahl zu verhindern. So versuchen sie vor allem die Gärten- und
Kokospflanzungen durch ein „Matakau“ zu schützen, welches den Dieb warnen bezw ihn
der Strafe der bösen Geister überliefern soll. Diese besteht in Mittel-Flores aus allerlei Nachbildungen,
meist Geflechten, hauptsächlich Tieren (Fig. 130), u. a. einem Fische („rüu
ika“, der „ngaro“ genannten Art im Süßwasser), einem Seevogel (rüu manu sama), einer
Krabbe (rüu kodjo) und Assel („rüu djoga“, Mal: nakal), einem Affen („rüu roa“, dem
grauen Makaken) (Fig. 131) und einer goldenen Kette (rüu wea), welche den Dieb in die