Götter-, Geister- und Seelenkult in Mittel-Flores.
Auf Flores bestehen ähnliche Beziehungen zwischen dem Geisterglauben, der Seelenverehrung
und dem Totenkult wie bei den Bewohnern von Celebes. Auf der Expedition
begegnete mir jedoch bis jetzt kein Land, in welchem die L e i c h e n b e s t a t t u n g in so
mannigfaltigen Arten vertreten ist
wie in den Landschaften Rea und
Ndona von Mittel-Flores.
Der Tote wird im allgemeinen
nach 2, bei Reichen nach 3 Tagen
und bei Armen möglichst schnell,
also am Sterbetage der Erde übergeben.
An manchen Orten, z. B.
Geni in Rea, wartet' man jedoch
bis zum 4., an anderen, wie Ana
Soku und Nua Kotta in Ndona sogar
bis zum 6. Tage. Die Leiche
wird bei den Bergbewohnern Reas
nicht, wie sonst allgemein üblich,
(Bd. I, S. 100, 199, 270) gleich
nach dem Ableben gewaschen,
sondern sofort in schöne und möglichst
bunte Gewänder eingewickelt.
Nachdem ihr in Rea die Arme mit
den Händen auf den Schultern
am Oberkörper und in Ndona auch
die Beine mit dem Rumpfe zu-
sammengeschnürt(mate tane) sowie
ihr irgend eine kleine Kostbarkeit,
meist Ohrringe, in den Mund gesteckt
sind, bestattet man sie auf
der Seite liegend, das Gesicht zum
Seelenorte, dem Ija-Vulkan, und
zwar in PuuMere-wawo nach Osten,
in Ndona nach Westen (Kopf nach
Süden auf der linken Seite), und
in Geni, am Fuße des Nira Djawa
nach Süden (Kopfende im Westen)
gewandt. Als eine besondere Aus-
Fig. 125. Ein Baumgrab a n s P u u me re in d e r Landsnhait R e .. '' "Zeichnung gilt eS, nicht in HockePstellung,
sondern ausgestreckt beerdigt
zu werden, eine Ehre, die im allgemeinen nur im Krieg Gefallene genießen. Als
erstes Anzeichen des muhamedanischen Einflusses von Seiten der Endenesen mag das
Waschen des Toten in Ndona, z. B. in Nua Kotta und Ana Soku gelten, jedoch bettet
man ihn hier immer auf schiefer Ebene, in Rea (Puu Mere) auf horizontaler Fläche.
Die G r ä b e r (rate) erhalten meist nur die Tiefe eines bis an die Hüften darinstehenden
Mannes. Um sie vor dem Aufwühlen durch Schweine zu schützen, werden sie
mit Felsstücken belegt. Diese Maßnahme mag wohl den ersten Anlaß zur Errichtung großer
Denkmäler gegeben haben, ln Ndona finden sich sogar monumentale Megalithen1) (Taf. XX,
Fig. 1) ähnlich wie auf der Insel Sumba. Sie bestehen aus bis U/s m hoch aufgepackten,
rechteckigen Steinhaufen oder einer Pflasterung zu ebener Erde und einem kastenartigen
Aufsatz aus einer horizontalen Platte, ruhend auf zwei bis vier senkrecht stehenden als
Stützen, bezw. einem mächtigen, schön viereckig behauenen Block. Andere haben eine
runde Form, einige im Kreise aufgestellte Steinpfeiler mit einer Deckplatte und erinnern an
die der Donggos von Bima, und auch hier wird bei der Bestattung die darunter liegende
Grube nach unten zu etwas länglich ausgehöhlt. Die oft kunstvoll zusammengefügten Grabdenkmäler
dienen außerdem zur Aufnahme der Opfergaben für die Seele, die zu Zeiten
erscheint und bei Krankheiten
von den Familienangehörigen
angerufen
wird.H
ervorragende Menschen
(ata meri), wie die
Dorfhäupter und Priester,
genießen besondere Vorzüge;
sie werden nämlich
in der Landschaft Rea in
Hockerstellung an einen
Baum gebunden (mata
reda = äufgehängte Tote),
den Kopf nach oben, und
mit Arengfasern umwickelt,
z. B. in Tanda,
Puu Mere (Fig. 125). ln
Ndona erhalten sie, ähnlich
wie bei den Maronene I
o . Fi*. 126. S a rg von d e r G e sta lt eine s P te rd e s u n te r einem Verfallenen Dach im Dort Nua von b Ü d O S t -G e l e b e S , einen Kota, Landschaft Ndona. Gez. G ründle r.
Sarg, der in einer Hütte
neben dem Hause auf ca. U/a m hohen Beinen ruht. Er besteht aus einem ausgehöhlten
Baumstamm von der Gestalt eines Pferdes, mit Kopf und Schwanz (Fig. 126), und sein
Deckel ist mit Kalk bis auf einige Löcher zum Abzug der Fäulnisgase gedichtet. Nach
erfolgter Auflösung des Fleisches werden die Knochen in einen ähnlich geformten kleinen
Sarg bezw. einen Kasten gelegt, in den sie gerade hineinpassen. Man stellt diesen auf ein
Gestell, ebenfalls von der Form eines Pferderückens, wohl um anzudeuten, daß auch die
Seele des Verstorbenen sich noch dieses Tieres bedienen möge, um ins Seelenreich zu
gelangen.D
ie Zeichnung (Fig.' 127) gibt ein derartiges Totenhäuschen (leda ata mata) eines
Priesters wieder, das auf einem grabartigen Hügel- steht und auf einem Steinpfeiler ruht.
Während der Aufbahrung der Leiche auf einer Matte im Hause bestehen nun noch
folgende Gebräuche in Ndona. Neben ihr essen am ersten Tage nach dem Tode die An-
*) S. ten Kate’s Reisverslag Ost-Flores, Timor, a. a. 0 ., PI. 7, 8.