Am nächsten Tage passierten wir eine Reihe tief eingeschnittener Täler, deren kurze
Flüsse, alle vom Westen kommend, sich bei starkem Gefälle in die Bima-Bai ergießen.
Da im gleichen Sinne etwa die Schichten der vulkanischen Gesteine, Breccien, Andesitlaven
und Lapilli-Sandsteine einfallen, so stellen die Donggo-Berge den äußeren Teil eines einheitlichen,
großen Vulkanstückes dar, dessen Ringwall die Erosion in Kuppen mit anschließendem
Rücken zerlegt hat. Sie werden von den Donggos mit eigenartigen Namen belegt. Der
bereits erwähnte Soromandi gleicht einem europäischen Napfkuchen und wird von den
Bimanesen nach einem einheimischen Gebäck „mandi“, hergestellt aus Reismehl mit Kokosnuß
und eingewickelt in junge Bananenblätter, „soro“ genannt. Der Wadu-ndanga heißt
„Salzfels“, der Röo-solungga wegen seiner spitzen Form „Reistrichter“ und der Nunu nach
einem dort viel wachsenden, Farbholz liefernden Baum (Morinda tinctoria, Roxb.), der
Läsi nach dem Gewürzkraut (Ocimum Basilicum L.), der Keto-lako, „Hundeschwanz“ und
der Selentje, welcher zugleich als Sitz der Seelen und Geister gedacht wird, wegen seines
abgeflachten Rückens „Totenbahre“. Die Gewässer tragen oft Pflanzennamen; so heißt Sori
Foo der „Mangga-Fluß“, SoriWäu: „Fluß der Warulinde“ (Hibiscus tiliaceus L), Tolo-wua:
„das volltragende Reisfeld“, dann Ndano: „das stillstehende Wasser“ und der Kamati: „der
Verborgene“, weil er in einer tiefen, steilwandigen Schlucht am Iku-Berge fließt, sodaß man
ihn wohl hören, aber nicht sehen kann. Auch den Dö r f e r n gibt man botanische Namen:
Oo bedeutet „Bambus“, Mangge „Tamarinde“ Mangge-nae die „hohe“ und M. kompo die
„abgehauene Tamarinde“, Katjamba „die Bohne“, Wadu-kopa „der Fels mit dem Kopa“, einem
gewaltigen Leguminosen-Baum (Parkia biglobosa, Benth), Lewi-ntana, „der Garten mit
Ntana-Unkraut“, Doro-dungga „der Citronenberg“. Andere Benennungen für Dörfer sind
ferner: Rasa-böü „der neue Ort“, Sai, „die Unterkunftshütte“, Kala d. h. „Rot“, Padjo „die
Wiege“, wahrscheinlich wegen der exponierten Lage auf hohen Felsen (vielleicht auch
„Stammdorf“), Tuntu „die Dickhalsigen“ (Kropf), Sowa „die Einfältigen“.
Als wir den Ausläufer des Wadu-ndanga, den Doru Pöke, d. i. „der Losgelöste“
(gleich einer gepflückten Frucht), passiert hatten, lag vor uns plötzlich ein Häusermeer,
das Dor f Oo (Taf. VII, Fig. 2) an den Gehängen eines prächtigen Tales, von wo man einen
schönen Blick über die Reisfelder hinweg auf die silbern glänzende Bima-Bai mit der
Kambing-Insel und die gegenüberliegenden Kolo-Berge genoß. Hier im Mittelpunkt des
Donggo-Landes sollten meine Studien beginnen. Mit Mühe fanden wir ein freies Fleckchen
zur Aufstellung unserer Zelte, denn die Häuser standen sehr dicht, der Boden war überall
abschüssig und zur Errichtung der Gebäude in kleinen Terrassen abgestochen. Die Donggos
wußten sich jedoch schnell zu helfen; mit vereinten Kräften trugen sie einen vierbeinigen,
auf Steinen stehenden Reisschober auf eine andere Stelle, und bald flatterten auf unseren
Zelten die deutsche und holländische Flagge.
Von allen Seiten eilten die Leute zwar dienstbeflissen herbei, schienen aber über
unser Erscheinen nicht nur erstaunt, sondern auch wenig erbaut zu sein. Der Kronprinz
erfaßte das Unangenehme der Situation sofort und ließ die beiden Dorfhäupter und Ältesten
(ompu) zu sich rufen. Er erklärte ihnen in sehr geschickter Weise, daß sie für ihren Glauben
nicht zu fürchten brauchten, die Zeiten hätten sich in Bima geändert und die weißen Männer,
welche Freunde aller Eingeborenen wären, besäßen auch eine andere Religion. Darauf
versuchte ich den Leuten meine Neugierde, alles kennen lernen zu wollen, klar zu machen.
Um mich aber ihrer vollen Sympathie zu versichern, ließ ich jedem ein Glas Limonade
reichen, denn ich merkte im Laufe der Unterhaltung, daß sie Zucker nicht kannten. Meine
Frau trank den anfangs Mißtrauischen vor und forderte sie freundlich auf, Gleiches zu tun.
Sie nippten vorsichtig, leckten sich dann voller Behagen die Lippen ab, schauten mit
staunenden und fragenden Blicken umher und tranken immer wieder. Einige verdrehten
vor Entzücken die Augen und sogen den kostbaren Tropfen ganz langsam ein. Nur ein
Alter sah mich unruhig und bittend an, und als ich ihm aufmunternd zulächelte, stieß er
hastig die Worte hervor: „Darf das auch meine Frau trinken?“ Als ich bejahte, sprang er
freudig auf und verschwand mit den Worten: „Ihr geben 1“ zwischen den Häusern. Als er
nach einiger Zeit zurückkam, wischte er während des Gehens den Becher noch einmal
vorsichtig mit den Fingern aus und leckte sie voller Behagen ab.
Die Ängstlichkeit ließ schon bald nach, vor allem, als meine Gattin sich mit- den
Frauen anfreundete und ihnen Geschenke machte. Es entwickelte sich sogar ein ziemlich
ungezwungener Verkehr, wie er unbedingt nötig ist,
um die scheuen Naturkinder zu unbefangenen Äußerungen
zu veranlassen. Die Donggos brachten uns
alles Gefragte sofort und waren sichtlich angenehm
überrascht, Geld — in ihren Augen wohl hohe Summen
— dafür zu bekommen. Sie forderten niemals etwas
und standen mit ihrer Bescheidenheit im direkten
Gegensatz zu den höheren Stämmen, z. B. den
Bimanesen der Hauptstadt. Sie erschienen uns gutmütig,
harmlos und offen und dürften auch nur aus
Angst um ihren Glauben feindselig werden. Mord
und Diebstahl sollen ihnen fast unbekannte Begriffe
sein, eine bereits von Zollinger lobend hervorgehobene
Tatsache.
An t h r o p o l o g i s c h e s : Uber die anthropologische
Stellung dieses Volkes bemerkt Zollinger,1)
daß ihm „die Orang Dongo in Hinsicht auf ihre Herkunft
Vorkommen, zur selben Menschenrasse zu gehören
als die Bewohner der Ebene. Ich habe zum
mindesten keine durchgreifenden Unterschiede in der
Form ihres Gesichtes und ihrer Körperteile entdecken
können; hingegen sind meist alle diese Menschen,
vor allem die Männer, dunkler von Hautfarbe als die
Bewohner der Ebene“. Diese Behauptung des alten
Forschers trifft ^jedoch nicht ganz zu, denn die
Donggos, s,owie ein Teil der Bewohner Nordost-
Bimas, tragen deutliche Kennzeichen einer niederen
Rasse, aber manche Typen ähneln allerdings auch
den Bimanesen der Ebene im Gebiete der Bai, vor allem der Umgebung der Hauptstadt, wo
eine höhere, jungmalayische Mischrasse, nahe verwandt mit Bugis und Makassaren besteht.
Die Untersuchung dieses älteren Völkerelementes von Bima ergab eine große, oft
auffallende Ähnlichkeit mit den Sasakern Lomboks. Bei einem Vergleiche des auf Tafel XI,
Fig. 1 und 2 abgebildeten Donggo mit dem Sasaker von Bajan in Band I (Taf. II, Fig. 2)
sieht man deutlich die Übereinstimmung, während der andere Mann auf Tafel XI, Fig. 3, 4 dem
höheren, bimanesischen Element entspricht. Der Unterschied fällt zuerst am Haar auf; dieses
^ a , O., S. 127.
Fig. 70. D onggo-Frau u n d -Mädchen aus Kananta.